Wenn man so etwas als Techniker liest, könnte man wirklich glauben, die Schildbürger sind wieder auferstanden. Leider ist es wohl viel schlimmer - hier tobt ein gnadenloser Wirtschaftskrieg. Getrieben von Lobbyisten, sauberen Herren in Anzügen, die keine Scheu davor haben, Banken, internationale Regelungen und Institutionen für ihre Machenschaften zu missbrauchen. Jeder vernünftig denkende Techniker betrachtet ein Problem umfassend mit all seinen Wechselwirkungen. Für einen gefährlichen Stoff sollte man das wohl mal so ansetzen:
Gefahr:
- für wen und was
- welche Auswirkungen hat die Kontamination
- wie erfolgt die Kontamination
- welche Mengen sind notwendig
- in welcher Form muss der Soff vorliegen um gefährlich zu sein, wie sind die Randbedingungen
Ferner muss man unterscheiden zwischen dem Umgang mit einem Stoff als Rohmaterial bei einem Hersteller und dem Inverkehrbringen eines Produktes mit Spuren dieses Stoffen bzw. chemischen Verbindungen dieses Stoffes. Wie und wann werden diese Stoffe im täglichen Umgang gefährlich? Ab welchen Mengen dieser Stoffverbindungen könnte eine Gefährdung auftreten - ist das realistisch? Schauen wir uns mal das Galliumarsenid in der Halbleiterei an. Verwendet wird es zur Dotierung von Halbleitern in Diffusionsöfen. Unbestritten in den Mengen die da vorliegen und im gasförmigen Zustand pures Gift - aber räumlich begrenzt beim Hersteller. Sicher in Druckbehältern und geschlossen Strömungsanlagen - Abgase werden verbrannt.
Ich bin mir recht sicher, dass es für die Verarbeitung ausreichend Sicherheitsmaßnahmen gibt. Herstellung und Transport vom Lieferanten zu den Fabs ist bestimmt auch recht sicher. Als Endprodukt komm es diffundiert in Silizium oder Germanium in Kleinstmengen gebunden und vor direktem Kontakt geschützt in Form von IC's in elektronischen Geräte in den Handel - ich denke völlig unkritisch. Wie schon geschrieben, Kleinstmengen diffundiert, chemisch gebunden und sogar noch mehrfach ummantelt. (Vermutlich kann man einen einzelnen Die theoretisch essen ohne das etwas bezüglich gefährlicher Substanzen passiert). Probieren würde ich es aber liebe nicht, unsere Därme sind den scharfen Kanten des Die nicht gewachsen und werden mechanisch Schaden nehmen.) Der Vorgang der Diffusion erfolgt schon sehr früh im HL-Prozess und alle nachfolgenden Prozesse bilden schon Schutzhüllen.
- die Glaspassivierung
- die Metallisierung
- das Packaging
Auch wenn man nun ein dutzend von solchen IC's in einem Gerät verarbeitet und dies im Wohnzimmer steht, geht davon keine Gefahr aus.
Kritisch wird das erst wieder bei der Entsorgung - aber das sollten ja wiederum Spezialisten sein und räumlich begrenzt. Ein einzelnes elektronisches Gerät im Hausmüll - was ja nicht sein soll - ungefährlich. Gesammelt als Elektronikschrott auf dem Haufen - ungefährlich. Von der Leiterplatte abgekrazt und eingeschmolzen - hier wird es gefährlich, der Stoff könnte gasförmig austreten, der Schmelztiegel solch einer Metallgewinnungsschmelze ist recht groß. Aber auch hier gilt, Abgase können behandelt und verbrannt werden - ungefährlich bei richtigem Prozess. Basteln wir mal ein zweites Beispiel - das klassische Fieberthermometer mit Quecksilberfüllung. Es gibt Regionen auf der Erde, da kommt Quecksilber flüssig in Form von einem See vor. Im kalten Winter kann man am Rande vom See stehen und den Silbersee bestaunen. Tut man dies länger Zeit im Sommer, so wird man erhebliche gesundheitliche Schäden davon tragen. Hier sind wir ganz trivial schon konfrontiert mit Zeit, Menge, Form und Umgebungsbedingung.
Ein Thermometerhersteller hat größere Mengen an Quecksilber in seiner Firma - sicher verwahrt und prozesssicher verarbeitet. Er liefert das Quecksilber (falls es überhaupt noch dafür verwendet werden darf) abgefüllt z.B. in Fieberthermometern in Kleinstmengen aus. Betrachten wir das In Verkehr gebrachte Produkt. Das Gefahrgut Quecksilber ist sicher aufbewahrt vor direktem Kontakt in seiner weitgehend doppelwandigen Hülle. Wann wird es nun zur Gefahr? Beim Bruch, gerät das Quecksilber in die Umgebung, ist es warm, beginnt es zu verdunsten. Das dauert aber schon eine Weile, ausreichend Zeit um das Quecksilber mittels Handfeger und Kehrschaufel einzusammeln... Schafft man es nicht, einfach lüften - die Menge in einer Anwendung (Fieberthermometer) ist so klein, das davon keine Gefahr ausgeht. Aber werfen wir noch mal einen Blick auf die Umgebungsbedingungen.
Passiert das im Haushalt unkritisch. Passiert das in einem modernen Aluminiumflugzeug dann wird das lebensgefährlich. Aber nicht wegen den Gasen, sondern wegen der chemischen Reaktion zwischen dem Quecksilber und dem Aluminium in deren Folge die Festigkeit des Alu zerstört wird...Man kann sich sogar eine Spritze voll Quecksilber in die Vene drücken, sterben wird man davon nicht. Eine Substanz ist also wirklich umfassend auf ihre Wechselwirkung mit der Umgebung zu untersuchen. Wenn Herren in weißen Laborkittel Substanzen als möglicherweise gefährlich bezeichnen und einfach auf eine no go Liste setzen, dann ist das Blödsinn.
Eine "no go" Liste sollte
- eine Substanz
- und deren Verbindungen enthalten
- die mit haushaltsüblichen maximalen Mengen
- weltweit in den individuellen Verkehr gebracht werden dürfen.
Jörg Ehrhardt