China tut alles

Speicher-IC-Fertigung hat Priorität

15. Mai 2023, 9:02 Uhr | Heinz Arnold
30 Prozent der weltweit verkauften DRAMs und 33 Prozent der weltweit verkauften NAND-Flash-ICs wurden 2022 nach China geliefert.
© Yole Intelligence

Trotz der US-Restriktionen will China die eigene Speicher-IC-Produktion kräftig vorantreiben – und die eigene Equipment-Industrie stärken.

China hat dem Aufbau einer eigenen Halbleiterindustrie für die Fertigung von Speicher-ICs eine hohe Priorität gegeben. Denn die eigene Industrie kauft mehr als 30 Prozent der NAND-Flash-ICs und DRAMs, die außerhalb Chinas jährlich hergestellt werden. 

»Die Restriktionen, die die USA im Oktober vergangenen Jahres verhängt hatten, haben den chinesischen Ambitionen zunächst einen starken Dämpfer gegeben. Geplante Fab-Expansionen sind in Gefahr, die Roadmap von Yangtze Memory Technologies (YMTC) und ChangXin Memory Technologies (CXMT), die zwei führenden chinesischen Speicher-IC-Hersteller, sind in Gefahr«, sagt Simone Bertolazzi, Principal Analyst Memory von Yole Intelligence.

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Chinesische Wafer-Fab-Equipment-Hersteller und die Märkte, in die sie liefern. 
Chinesische Wafer-Fab-Equipment-Hersteller und die Märkte, in die sie liefern. 
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Die Restriktionen verbieten es amerikanischen Firmen, bestimmte Technologien an chinesische Hersteller zu liefern. Darin eingeschlossen sind Maschinen für die Front-End-Fertigung von NAND- und DRAM-ICs der neuen Generationen, lebenswichtig für YMTC und CXMT.  

YMTC ist der führende chinesische NAND-IC-Hersteller und liefert derzeit 64- und 128-Layer-NAND-ICs an Abnehmer im eigenen Land.  Die 232-Layer-NAND-ICs auf Basis der eigenen »Xtacking«-Architektur befinden sich im frühen Produktionsstadium. Allerdings steht YMTC auf der Entity-List der USA, was bedeutet, dass kein amerikanisches Unternehmen Produkte oder Dienstleistungen an YMTC verkaufen darf, wenn nicht eine Exportlizenz vorliegt. Damit dürfte der Ausbau der Fertigungskapazität auf einem Stand von 115.000 bis 120.000 Wafer pro Woche eingefroren sein. 

Inzwischen hat YMTC verstärkt den Kontakt mit Equipment- und Materialien-Lieferanten in Ländern wie Japan, Taiwan und Südkorea gesucht. Zudem erhält das Unternehmen – laut Yole im Rahmen des wenig sichtbaren Projekts »Wudangshan« – eine Förderung in Höhe von 7 Mrd. Dollar durch staatliche Investoren und intensiviert die Zusammenarbeit mit chinesischen Equipment-Herstellern. Wie Yole weiterberichtet, konnte YMTC wichtiges Equipment bei Naura platzieren, einen chinesischen Hersteller von Ätz- und Depositio-Maschinen, um den Ausfall von US-Lieferanten wie Lam Research und Applied Materials zu kompensieren. 

Die Investitionen führender NAND-Flash-IC- und DRAM-Hersteller 2021 und 2022.
Die Investitionen führender NAND-Flash-IC- und DRAM-Hersteller 2021 und 2022.
© Yole Intelligence

CXMT wurde 2017 gegründet und ist schnell zum wichtigsten chinesischen Hersteller von DRAMs aufgestiegen. Bisher ist das Unternehmen noch nicht auf der Entity-List gelandet. Doch dürften die Pläne für die Einführung neuer DRAM-Generationen dennoch gefährdet sein. Die erste Generation an DDR4- und LPDDR4-DRAMS, die auf der 27-nm-Prozessebene gefertigt werden, stehen bereits zur Verfügung. Die dritte Generation (1x nm) fährt CXMT gegenwärtig hoch. Doch auch die ursprünglichen Pläne werden unter den Exportrestriktionen kaum in der vorgesehenen Geschwindigkeit umzusetzen sein. Wie Bloomberg im April 2023 meldete, plane das Unternehmen an die Börse zu gehen, um nicht weniger als 14 Mrd. Dollar einzusammeln – laut Yole ein erstaunlicher Betrag für eine nur sechs Jahre alte Firma. Allerdings muss dies auch relativ zu den R&D-Ausgaben der weltweit größten Hersteller eingeordnet werden, die über zwei Jahre einstellige Milliardenbeträge leicht überschreiten können. 
  
Auch wenn die finanziellen Anstrengungen dazu beitragen, die Auswirkungen der US-Handelsrestriktionen abzufedern, werde den chinesischen Speicherherstellern der Wind noch länger heftig ins Gesicht wehen, wie die Analysten von Yole schreiben. Die Hersteller sind nicht nur auf Investitionen angewiesen, sie benötigen auch massive Technologieentwicklungen, um zu ihren Wettbewerbern in den USA, Japan und Südkorea aufholen zu können. Außerdem hat die US-Regierung immer noch die Möglichkeit, die Restriktionen weiter zu verschärfen. 

Die Restriktionen stellen also eine signifikante Herausforderung für die chinesischen Speicher-IC-Hersteller dar, die bisher sehr stark von Importen abhängig waren. China hat die hochfliegenden Ambitionen aber keineswegs aufgegeben. Im Gegenteil: Mit der finanziellen Unterstützung vom Staat können die Speicher-IC-Hersteller ihre chinesischen Equipment-Hersteller unterstützen, um die Maschinen zu entwickeln, die für die Fertigung der neusten DRAM- und NAND-ICs erforderlich sind. Auch wenn es schwierig ist, die Entwicklung vorherzusagen, so bleibt klar festzustellen, dass Speicher-ICs für China weiterhin eine strategische Priorität bleiben: China wird alles tun, um ihren führenden DRAM- und NAND-IC-Hersteller, YMTC und CXMT, nicht nur das Überleben zu sichern, sondern weiter wachsen zu lassen. 


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