Interview mit Dr. Peter Wawer, Infineon

Wir müssen unser Systemverständnis noch weiter stärken

9. Februar 2017, 13:36 Uhr | Ralf Higgelke
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Kommen noch mehr Übernahmen?

In den letzten Jahren hat sich Infineon durch Zukäufe verstärkt. Da war die Übernahme von International Rectifier im Januar 2015 und die Ankündigung im Juli 2016 zur Übernahme von Wolfspeed. Siliziumkarbid liegt ja in Ihrer Verantwortung. Warum will Infineon den SiC-Hersteller Wolfspeed kaufen, wo doch Infineon erst im Mai auf der PCIM Europe 2016 die eigenen SiC-MOSFETs vorgestellt hat?

Ich bin der festen Überzeugung, dass uns die Kompetenz von Wolfspeed sehr guttut, und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Nehmen wir beispielsweise das Thema Power. Wir sehen in der Kombination aus Performance und Kosteneffizienz den Schlüssel zum Erfolg der Wide-Bandgap-Halbleiter. Die Entwicklung des SiC-MOSFETs war wichtig, um überhaupt erst in den Markt hineinzukommen. Aber auf dem Weg zur Wettbewerbsfähigkeit wäre das allein – vor allem mit Blick auf Kosten – zu kurz gesprungen. Die vielfältigen Kompetenzfelder durch die geplante Akquisition von Wolfspeed geben uns einen zusätzlichen Hebel auf der Kostenseite, um das Material schneller wettbewerbsfähig gegenüber Silizium zu machen. Silizium wird in den nächsten Jahren den Markt weiterhin ganz klar dominieren. Aber mit der Kombination aus Infineon und Wolfspeed sowie den Kompetenzen beim Thema Siliziumkarbid plus Material können wir diesen Prozess beschleunigen. Weil wir die Kosten besser kontrollieren und überlegene Produkte anbieten können.

Es geht also darum, die gesamte Lieferkette einschließlich des Rohmaterials und der Rohwafer selber kontrollieren zu können.

Ganz richtig. Das gilt aber nicht nur für Leistungshalbleiter, sondern auch für Hochfrequenzbausteine. Denn mit dem Zukauf von Wolfspeed erwerben wir auch Kompetenz im Bereich HF, und auch diese Dualität ist ein wichtiger Schlüssel.

Wird sich Infineon auch in Zukunft nach Firmenzukäufen umschauen, oder war‘s das erstmal? Gibt es noch Bereiche, wo Infineon selektiv zugreifen würde?

Unsere Unternehmensstruktur entwickelt sich dynamisch weiter. Wir streben an erster Stelle immer ein organisches Wachstum an, was wir in den letzten Jahren sehr erfolgreich bewerkstelligt haben. Dann aber schauen wir auch stets auf weitere Möglichkeiten, zu wachsen. Akquisitionen sind aber kein Selbstzweck, sondern müssen klare Kriterien erfüllen: So müssen sie natürlich finanziell sinnvoll sein, und dann müssen die Kompetenzen im technologischen Bereich komplementär sein, um einen Mehrwert zu schaffen. Wichtig ist für uns auch der kulturelle Aspekt.

Konkret zu Ihrer Frage: Wir werden auch weiterhin nach sinnvollen Möglichkeiten suchen, anorganisch zu wachsen. Denn wir sehen uns als Marktkonsolidierer. Wir befinden uns aber in einer sehr guten Position, es besteht also kein Druck.

Vor Ihrer Berufung zum Division President IPC waren Sie im Management-Board der Division PMM, die sich unter anderem um GaN kümmert. Können Sie uns sagen, wie es mit diesem Thema weitergeht? Da verhält sich Infineon trotz bzw. seit der Übernahme des GaN-Pioniers International Rectifier meinem Empfinden nach sehr zurückhaltend. Woran liegt das?

Natürlich haben wir auch schon vor der Übernahme von International Rectifier kontinuierlich in das Thema GaN investiert. Aber durch diesen Zukauf haben wir sehr wertvolle zusätzliche Kompetenz gewonnen, die wir bereits genutzt haben und auch weiter nutzen werden. Allerdings wollen wir erst dann klappern, wenn das Produkt marktreif ist. Zu unserem eigenen Anspruch gehört zudem, dass wir in der Lage sein müssen, mit den Anfragen einer Vielzahl von Kunden umzugehen. Bei GaN möchten und müssen wir uns mit unseren Kunden besonders intensiv austauschen. Nur so können wir gemeinsam sicherstellen, dass die Vorteile der Technologie auch voll genutzt werden. Wir haben uns hier in der Kommunikation sehr zurückgehalten – Sie können aber davon ausgehen, dass wir bereits intensiv mit einzelnen Leitkunden zusammenarbeiten.

Zudem gibt es die Technologiepartnerschaft mit Panasonic beim Thema Galliumnitrid. Was gibt es dort zu vermelden?

Die Partnerschaft entwickelt sich aus meiner Sicht ebenfalls sehr positiv. Beide Seiten können von den Kompetenzen des jeweils anderen profitieren. Wir sehen Panasonic als technologisch führend im Bereich der selbstsperrenden GaN-Transistoren im Enhancement Mode, weshalb wir Teile dieser Technologie in unsere Fabriken transferieren. Wir werden diesen Weg gemeinsam weiter beschreiten und auch Produkte in einem Dual-Sourcing-Setup qualifizieren. Aus Kundensicht ist das sehr hilfreich, um die Akzeptanz dieser Technologie am Markt zu fördern. Aber es ist entscheidend, auch die Qualität der Produkte zu gewährleisten. Da es sich bei den GaN-Transistoren um kein einfaches Replacement-Produkt handelt, bedeutet Qualität für uns auch, dass wir unsere Kunden dabei unterstützen, das meiste aus dem Bauteil herauszuholen.

Aber aktuell gibt es noch keine Produkte mit der Panasonic-Technologie »made by Infineon«.

Wir arbeiten bereits sehr intensiv mit einzelnen Leitkunden, mit denen wir die Produkte und die Systeme charakterisieren. Dabei zeichnen sich bereits jetzt erste Erfolge ab. Aber es gibt noch kein im Volumen erhältliches Produkt. Das ist der nächste Schritt.

Über ungelegte Eier sprechen Sie ja nicht. Können Sie uns trotzdem vielleicht einen Zeithorizont nennen, wann wir mit den ersten selbstsperrenden GaN-HEMTs für 600 V aus dem Hause Infineon rechnen können? Auf der PCIM 2017 vielleicht?

Bis jetzt haben Ihre Fragen ja in die Vergangenheit gezielt – dazu kann ich als ehemaliger Angehöriger der PMM-Sparte auch Stellung beziehen. Bei den zukünftigen Produktlaunches endet aber meine Zuständigkeit, es wäre also sicherlich besser, die alten Kollegen zu fragen.

Was war das electronica-Highlight aus Ihrer Division IPC?

Etwas Besonderes für mich ist auf alle Fälle die Konvergenz der Halbleiterprodukte in den verschiedenen Anwendungen. So haben wir auf der einen Seite, von der Datentechnik kommend, das Thema IoT im weitesten Sinne. Stark verbunden ist dies natürlich mit dem Thema Kommunikation, sowohl drahtgebunden als auch per Funk. Auf der anderen Seite sehe ich das Thema Power und Effizienz. Besonders bei der Elektromobilität fließen diese beiden Aspekte in einer Applikation ineinander. Infineon ist auf beiden Feldern sehr stark.

Vonseiten IPC haben wir auf der Messe unser Evaluation Kit zu iMOTION vorgestellt. Mit der Produktfamilie aus digitalen Bausteinen für die intelligente Motorsteuerung läuft der Antrieb innerhalb einer Stunde. Das ist ein bedeutender Vorteil für Entwicklungszeiten – und damit auch für das Time-to-Market. Vor allem unsere asiatischen Kunden legen hierauf Wert.

Herr Dr. Wawer, herzlichen Dank für das Gespräch.


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