Um den Entwurf von ICs schneller und zuverlässiger zu gestalten, wird am IMMS Institut für Mikroelektronik- und Mechatronik-Systeme an neuen Methoden zur Automatisierung geforscht. In einer Dissertation wurden am IMMS nun invasive und parametrische Simulationsmethoden vorgestellt.
Mit seiner Dissertation »Invasive and Parametric Simulation Methods for Integrated Circuit Analysis« setzt Georg Gläser, Spezialist für die Integration von KI-Methoden in die Entwurfsautomation am IMMS Institut für Mikroelektronik- und Mechatronik-Systeme, am Grundproblem beim Entwurf analoger und gemischt analog-digitaler integrierter Schaltungen an: Diese ICs, die in jedem Smartphone stecken oder IoT-Anwendungen erst möglich machen, werden trotz Electronic Design-Automation (EDA) in Teilen manuell entworfen und dann simuliert. Fehlerursachen werden auf der Basis von Erfahrungen gesucht und beseitigt, bevor die teure und zeitaufwendige Halbleiterfertigung startet.
Ziel von Georg Gläsers Methoden ist es, diese Fehlersuche durch innovative EDA-Methoden zu unterstützen. Hauptidee seiner Arbeit ist es, automatisierte Modellverfeinerungen für die Entwicklung integrierter Schaltungen zu verwenden, um problematische Effekte einzubeziehen und zu verstehen. Das gelingt über gezielte Änderungen von Parametern und Strukturen, mit denen bisher unbekannte Informationen über eine integrierte Schaltung gefunden, zusammengeführt und zur Verbesserung des Schaltungsentwurfs genutzt werden können. Alle Methoden wurden in IC-Entwicklungen des IMMS erprobt. Die Ergebnisse werden in verschiedenen Forschungs- und industriegetriebenen IC-Entwicklungsprojekten verwendet und weiterverfolgt und sind die Grundlage für die am IMMS erforschte KI-basierte Entwurfs- und Testautomatisierung.
Erfahrung prägt Simulation und Verifikation analoger und Mixed-Signal-ICs
»Im Chip-Entwurf kommen Probleme oft erst sehr spät zum Vorschein – z. B. erst beim Layout, also dem Bauplan, der am Ende für die Fertigung entwickelt wird. Dann stellt man im Extremfall auf einmal fest, dass z. B. Leitungen zu nah beieinander liegen und durch Übersprechen die Performance beeinträchtigen oder im Zusammenspiel mit anderen Effekten einen Chip sogar zerstören können«, erklärt Georg Gläser. Um Fehlerursachen vom einzelnen Transistor, von denen Millionen in einer Schaltung enthalten sein können, bis zum komplexen Gesamtsystem Entwurfsebene für Entwurfsebene durchzuspielen, brauche es viel Zeit, da all diese Ebenen im Detail mit Modellen zu beschreiben und zu simulieren seien, so Georg Gläser weiter. »Das Hauptproblem ist aber, dass die Modelle bislang viele Effekte gar nicht zeigen können. Denn oft arbeitet man mit vereinfachten Makromodellen, die Rauschen, parasitäre Kopplungen oder ungünstige Effekte tieferliegender Entwurfsebenen in der Regel nicht abbilden.« Hier halfen bislang oft nur Erfahrungen weiter. Vorhandene Methoden setzen meist auch auf nur einer Entwurfsebene an. Zudem werden die Systeme und somit die dafür notwendigen Simulationen immer komplexer, da immer mehr Funktionen und somit Schaltungselemente auf möglichst immer kleinerer Siliziumfläche untergebracht werden sollen.
Neue Methoden liefern mehr Wissen zur Schaltung
Die neuen Methoden machen es zum einen möglich, störende Effekte in die Modelle zu integrieren, um sie in komplexeren Simulationsszenarien abbilden zu können. Zum anderen liefern sie Erkenntnisse darüber, in welchen Bereichen die Modelle, Schaltungen und Systeme funktionieren und wo nicht. Darüber hinaus ist es mit den Methoden möglich, die Entwurfsunsicherheiten früh abzuschätzen und Iterationen im Entwurf und damit Kosten zu verringern. Eine Methode, die Symmetriesuche für parasitäre Elemente, lieferte z. B. für die Entwicklung eines Kontaktbildsensor-IC am IMMS nach lediglich sechs Stunden Rechenzeit 223 mögliche Problemstellen als Ergebnis, die man sonst hätte von Hand finden müssen. Eine weitere Methode zum Aufzeigen von problematischen Kopplungen im Layout wurde schon vor Veröffentlichung der Dissertation industriell von Partnern des IMMS erfolgreich eingesetzt.
In der Dissertation von Georg Gläser werden fünf Methoden vorgestellt, die auf jeder Entwurfsebene bzw. am Übergang zur nächsten einsetzbar sind. Das ist im Vergleich zu anderen Arbeiten, die sich meist auf eine Ebene im Entwurfsprozess beschränken, ein deutlicher Vorteil. Im Folgenden werden zwei der Methoden näher betrachtet.
Invasive Analyse zur frühzeitigen Erkennung bislang unberücksichtigter Effekte
Über eine invasive Analyse lassen sich Systemmodelle dynamisch anpassen, um Erkenntnisse über mögliche oder vorhandene Störeinflüsse zu erhalten, z. B. Verkopplungen von Leitungen. Das dafür entwickelte Framework mit mehreren 10.000 Code-Zeilen ist für sehr komplexe Systeme geeignet und kann den Programmcode von Verhaltensmodellen analysieren, die Modelle entsprechend anpassen und den Simulator ansprechen. Zum Beispiel werden auf diesem Weg parasitäre Elemente eingefügt bzw. entfernt oder Prüf- und Beobachtungsmodule eingesetzt.
Parasitäre Symmetrieanalyse und Akzeptanzregionen
Viele Probleme sind oft erst im Layout sichtbar, z. B. wenn Kopplungen durch nah beieinander liegende Leitungen entstehen und somit Signalwege ermöglichen, die ungewünschte Effekte zur Folge haben. Bislang geschieht eine Fehlersuche, nachdem das Layout erstellt wurde, per Trial and Error mit vielen manuellen Simulationen, um zu erkennen, woher der Fehler kommt, z. T. auch mit statistischen Methoden. Eine Systematik für die Analyse von Mixed-Signal-Systemen vor dem Layout fehlte bisher.
Ausgangspunkt des neuen Ansatzes der Symmetrieanalyse ist, dass Symmetrie ein Kernkonzept im Schaltungsentwurf selbst ist. Die Idee dahinter ist, störende Betriebsbedingungen zu finden, die symmetrisch sind, sich daher gegenseitig aufheben und somit aus der weiteren Fehlersuche eliminiert werden können, ähnlich wie bei Kopfhörern mit Active Noise-Cancelling, die Störgeräusche mit genau entgegengesetzten Signalen gleicher Stärke aufheben können, damit sie nicht mehr als störend empfunden werden.
Um diese Störgrößen, die im Schaltplan nicht vorhanden sind, trotzdem mit der Methode abbilden und analysieren zu können, wird die Methode der Akzeptanzregionen genutzt. Mit ihr können Symmetrien sichtbar gemacht und als Grundlage für den Suchalgorithmus hergeleitet werden. Dahinter stecken komplexe Algorithmen, die alle möglichen Symmetriepaare mit maximalen Werten untersuchen. Die Methode klassifiziert den Parameterraum in Segmente, die zeigen, wo das System funktioniert und wo nicht. Der Vorteil der Methode ist, dass das Layout nicht bekannt sein muss.
Erforschung KI-basierter Entwurfs- und Testautomatisierung
Dass seine Arbeit ein wichtiger Beitrag auf dem Weg zur weiteren Automatisierung des Entwurfs von analogen und Mixed-Signal-Schaltungen ist, wurde Georg Gläser bereits bei der lange vor der Einreichung seiner Dissertation bescheinigt. Mit der Dissertation erschließt Gläser neue Optimierungspotenziale im Schaltungsentwurf und erweitert den Stand der Technik in der EDA maßgeblich. Prof. Dr.-Ing. Ralf Sommer, Doktorvater von Georg Gläser und wissenschaftlicher Geschäftsführer des IMMS sowie Leiter des Fachgebiets Elektronische Schaltungen und Systeme an der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der Technischen Universität Ilmenau: »Georg Gläser hat mit seinen Methoden auch die Weichen für die Forschung zu KI-basierter Entwurfs- und Testautomatisierung am IMMS gestellt, die er maßgeblich prägt und für die er in den letzten Jahren systematisch ein Expertenteam aufgebaut hat, um das Thema weiter voranzutreiben.«
Unter der Federführung von Georg Gläser wurden laut Prof. Sommer am IMMS Forschungsgruppen und -projekte zum Know-how-Ausbau auf diesem Gebiet akquiriert und bearbeitet sowie auf dieser Grundlage ein Dienstleistungsangebot für die methodische Unterstützung von Industriekunden aufgebaut. Er habe auch weitere Dissertationen auf dem Gebiet in seinem Team angestoßen, die sehr vielversprechend seien. Prof. Sommer: »Wir sind gespannt, was die Zukunft bringt. Georg Gläser hat einen großen Beitrag geleistet, auf den wir sehr stolz sind.«