Ein Antimonatom kann so viele Quanteninformationen speichern wie bisher vier einfache Qubits – dieser Durchbruch australischer Ingenieure könnte die Zahl der Qubits in einem Quantencomputer deutlich erhöhen.
Ingenieuren der UNSW Sydney ist es gelungen, 16 Quantenzustände eines einzigen Antimon-Atoms zu nutzen, um Quanteninformationen zu codieren, wie sie in einem Artikel in Nature beschrieben haben. Damit ließen sich Quantenprozessoren besser skalieren. Inwieweit das für die aktuelle praktische Entwicklung von Quantenprozessoren von Relevanz ist, erklärt Dr. Sebastian Luber, Senior Director für Technology & Innovation von Infineon, im Interview mit Markt&Technik.
Der Kern eines Antimonatoms kann acht unterschiedliche Quantenzustände einnehmen. Dazu kommen die zwei Quantenzustände, die ein Elektron einnehmen kann, so dass sich insgesamt 16 verschiedene Zustände ergeben – alle in einem einzigen Atom. Um dieselbe Zahl an Zuständen mit Hilfe einfacher Quantenbits zu erreichen, müssten vier von ihnen hergestellt und gekoppelt werden.
Weil sich Antimonatom ins Siliziumgitter implantieren lassen – sie ersetzen dort an bestimmten Stellen ein Siliziumatom –, können für den Aufbau eines solchen Quantenprozessors Technologien verwendet werden, die aus der konventionellen Halbleiterfertigung bekannt sind.
Das Team der University of Soth Wales (UNSW) in Sydney, das Prof. Andrea Morello leitet, hat verschiedene Methoden der Quantensteuerung entwickelt, um zu zeigen, dass sich die verschiedenen Quantenzustände in einem einzigen Atom kontrollieren lassen. Wie Irene Fernandes de Fuentes, die Leitautorin des Artikels in Nature, schreibt, hat das Team mehr als zehn Jahre daran gearbeitet. Die Implantation der Antimonatome in den Siliziumchip übernahmen Wissenschaftler der University of Melbourne. Dazu nutzten sie Anlagen des Schwerionenbeschleunigers an der Australien National University.
»Zunächst zeigten wir, dass wir die Elektronen des Antimonatoms mit Hilfe von Oszillierenden Magnetfeldern steuern konnten – das ist ein ähnlicher Durchbruch wie 2021, als wir das erste Mal weltweit ein Qubit im Silizium demonstrieren konnten«, so Irene Fernandes de Fuentes.
Danach konnten das Team zeigen, dass über ein magnetisches Feld der Spin des Antimonatomkerns manipuliert werden kann. Das geschieht über die Standardmethode der magnetischen Resonanz, wie sie auch in MRI-Geräten in Krankenhäusern angewandt wird. Die dritte Methode besteht darin, dass der Kern mit Hilfe eines elektrischen Feldes gesteuert werden kann, was erst durch einen glücklichen Zufall im Jahre 2020 entdeckt wurde. »Erst im vergangenen Jahr haben wir die vierte Methode entwickelt: über ein elektrisches Feld und sogenannte Flip-Flop-Qubits lassen sich sowohl der Kern als auch ein Elektron manipulieren«, erklärt Irene Fernandez de Fuentes. »Die neuesten Experimente haben ergeben, dass wir alle vier Methoden auf einen ganzen Silizium-Chip unter Verwendung ein und derselben Architektur einsetzen können.«
Weil nun vier verschiedene Methoden zur Verfügung stehen, um die Chips zu manipulieren, können die Ingenieure sehr flexibel darüber entscheiden, auf Basis welcher Architekturen sie die Quantenprozessoren realisieren und wie sie die Methoden für ihre Zwecke optimal kombinieren können. Denn jede Methode hat ihre Vor- und Nachteile.
Die Manipulation über die magnetische Resonanz ist beispielswese schneller als über die elektrische Resonanz. Dafür breiten sich Magnetfelder weiter im Raum aus als elektrische und es besteht deshalb die Möglichkeit, dass sie auch weiter entfernte Atome beeinflussen. Dagegen lassen sich die Auswirkungen elektrischer Felder lokal eng begrenzen, so dass einzelne Atome angesteuert werden können, ohne benachbarte Atome zu stören.
»Das große Antimonatom verhilft uns nun zu viel Spielraum, wie wir das Atom selbst und die Strukturen für ihre Steuerung und Manipulation auf dem Chip integrieren«, sagt Andrea Morello.
Das ist ein wesentlicher Punkt. Denn damit künftige Quantencomputer relevante Berechnungen durchführen können und ihre Leistungsfähigkeit ausreicht, um Aufgaben zu lösen, für die heutige Supercomputern Hunderte oder Tausende von Jahren benötigen würden, müssen sie mit Millionen, wenn nicht Milliarden von Qubits rechnen. Davon sind sie aber noch weit entfernt. Heute rechnen die größten Quantencomputer von mit rund 1000 Qubits. Schon dazu benötigen sie sehr viel Platz, weil die Qubits weit genug voneinander entfernt sein müssen, um zu verhindern, dass sie miteinander interferieren.
Der Ansatz von Prof. Morello und seiner Kollegen an der UNSW besteht darin, die Quantenprozessoren so zu entwerfen, dass dafür Technologien verwendet werden können, mit deren Hilfe heutige ICs gebaut werden. Der Vorteil der Siliziumchips besteht darin, dass Millionen von Qubits auf einen Quadratmillimeter Fläche integriert werden können – auch wenn sich die Anzahl der funktionalen Qubits voraussichtlich etwas langsamer erhöhen wird.
»Wir setzen auf eine Technologie, die gegenüber manchen alternativen Ansätzen etwas schwerer zu beherrschen und etwas langsamer sind – aber aus guten Gründen. Einer der Gründe ist, dass die Informationsdichte sehr hoch werden kann und sich dennoch beherrschen lässt«, sagt Prof. Morello. »Es ist ja wunderbar, auf eine Quadratmillimeter 25 Millionen Atome anordnen zu können – aber man muss sie auch einzeln ansteuern und manipulieren können. Die Flexibilität, dies über magnetische und elektrische Felder sowie über ihre Kombinationen aus magnetischen und elektrischen Feldern tun zu können, gibt uns viele Freiheitsgrade, um die Systeme hochskalieren zu können.«
Im nächsten Schritt will die Gruppe um Morello den großen Rechenraum, den die Antimonatome bieten, dazu nutzen, Quantenoperationen durchzuführen, die weit über die Möglichleiten hinausgehen, die herkömmliche Qubits bieten. Das Ziel besteht darin, ein logisches Qubit innerhalb eines einzigen Atoms zu realisieren. Es handelt sich dann also um ein Qubit, das auf mehr als nur zwei Quantenzuständen basiert. Damit wäre ausreichend Redundanz vorhanden, um Fehler aufzuspüren und korrigieren zu können, sobald sie auftauchen. »Das ist die nächste Herausforderung auf dem Weg zu einer brauchbaren, in der Praxis einsetzbaren Hardware für Quantencomputer«, sagt Morello. »Wenn wir in der Lage wären, ein logisches Bit einschließlich Fehlerkorrektur in einem einzigen Atom zu realisieren, dann böte dies eine großartige Chance, die Hardware bis zu der Ebene zu skalieren, auf der sie kommerziell interessant werden.