Gerade hat die USNW Sydney von einem Durchbruch gesprochen: Es ist gelungen, ein Antimon-Atom in 16 Quantenzustände zu bringen. Wir sprachen mit Dr. Sebastian Luber, Senior Director für Technology & Innovation von Infineon, wie er dieses Ergebnis einordnet.
Markt&Technik, Infineon: Sie beschäftigen sich täglich damit, Quantenprozessoren fit für relevante Rechenoperationen zu machen. Die reine Grundlagenforschung dazu ist schon weitgehend abgeschlossen, jetzt ist es Aufgabe der Ingenieure, die Quantenprozessoren in die industrielle Produktion zu bringen. Skalierung ist dabei ein sehr wichtiger Punkt. Das Team um Prof. Andrea Morello an der UNSW in Sidney hat jetzt verkündet, dass es gelungen sei in einem einzigen Antimonatom eine Menge von Quanteninformationen zu speichern für die bisher vier einfache Qubits erforderlich sind. Ist das tatsächlich ein Durchbruch?
Sebastian Luber: Das ist auf jeden Fall ein sehr interessantes Ergebnis, das die Möglichkeiten zur Realisierung von Quantencomputern erweitert. Dass mehrere Zustände in einem Atom über verschiedene Wege manipuliert werden können, dürfte bei der Skalierung helfen. Und die Skalierung ist eine unserer großen Herausforderungen. Aber es genügt nicht, wenn eine Technologie in einem Parameter sehr gut ist. Denn es gibt viele Paramater, die darüber bestimmen, was ein Quantenprozessor und darauf aufbauend ein Quantencomputer zu leisten vermag. Bei den Arbeiten der Gruppe um Prof. Morello an der UNSW handelt es sich um hervorragende Grundlagenforschung. Wie praxistauglich dieses Ergebnis in einem Quantencomputer-System mit vielen Qubits bzw. Qudits ist, muss sich erst noch zeigen.
An welche anderen Parameter denken Sie dabei vor allem?
Es gibt sehr unterschiedliche Technologie-Ansätze, die in einigen Parametern sehr gut abschneiden, in anderen aber weniger gut, so dass sie insgesamt noch weit entfernt von praxisnahen Anwendungen sind. In dem Fall des Antimonatoms sind beispielsweise die Zuverlässigkeit der Gatter und die Kohärenzzeiten derzeit noch nicht gut genug. Außerdem stellt sich die Frage, ob das Ganze auch mit mehreren Atomen funktioniert, die dafür in extrem geringen Abständen (~5nm) genau positioniert werden müssen. Mit mehreren Zuständen pro Atom zu arbeiten, könnte auch sehr komplex sein. Wenn gerechnet werden soll, müssen möglicherweise zusätzliche Zwischenschritte eingeführt werden, so dass dann der ursprüngliche Vorteil wieder zu Nichte gemacht wird. Von einem allgemeinen Durchbruch würde ich also nicht sprechen, dazu sind noch zu viele Fragen offen, die Ergebnisse sind trotzdem beeindruckend.
Es handelt sich also um ein interessantes Forschungsergebnis, für Ihre Arbeit ist es aber derzeit nicht von Relevanz?
Wir verfolgen sehr genau, was sich in der Grundlagenforschung tut und ob es für uns von Relevanz sein könnte, aber unsere Ingenieure sind vor allem damit beschäftigt, das, was es bereits gibt vom Labor in praxistaugliche Produkte zu bringen, die industriell gefertigt und kommerzialisiert werden.
Was sind für derzeit die wichtigsten Probleme, an denen die Ingenieure von Infineon arbeiten?
Wie alle anderen im Quantencomputing-Umfeld arbeiten wir daran, die Zahl der Qubits zu erhöhen, gleichzeitig ihre Qualität zu verbessern und die Schaltgeschwindigkeiten zu erhöhen. Oft stehen wir vor Problemen, die auf den ersten Blick eher trivial erscheinen, die Ingenieure aber vor große Herausforderungen stellen, beispielsweise die Verdrahtung. So benötigt die Shuttling-Technologie bei Quantenpunkt-Prozessoren im Halbleiter sehr viele Elektroden. Wir müssen Methoden finden, um die Anschlüsse sehr platzsparend unterzubringen. Im Sektor der Supraleitenden Qubits versuchen wir, die Fertigungsqualität noch weiter zu steigern. Die Defekte unter Kontrolle bringen zu müssen, kennen wir zwar sehr gut aus der Halbleiterfertigung, aber hier müssen wir noch einmal um mindestens eine Größenordnung besser werden.
Welche Parameter sind aus Ihrer Sicht für einen Quantenprozessor entscheidend?
Die Zahl der Qubits, die Anzahl der Rechenschritte, die durchgeführt werden können und wie lange eine Rechenoperation dauert. Es kommt nicht darauf an, in einem Parameter sehr gut zu sein, sondern alle drei müssen in Summe gut sein. Dabei hat jede Technologie ihre Vor- und Nachteile. Bei supraleitenden Qubits beispielsweise ist die aktuell noch kurze Kohärenzzeit ein Nachteil, bei den neutralen Atomen sind die Rechenzeiten wiederum relativ langsam.
Wieviele logische Qubits sind erforderlich, um wirklich sinnvolle Berechnungen durchführen zu können?
Über QUTAC haben wir Verbindungen mit vielen Anwendern und wir wissen, was beispielsweise Firmen aus der Chemie und Pharmazie, der Logistik und dem Finanzwesen benötigen. Das Minimum wären einige Hundert logische perfekte Qubits und viele Millionen von Rechenoperationen. Um logische Qubits zu realisieren, wären je nach Technologie um Größenordnungen mehr physikalische Qubits erforderlich.
Wo steht Quantencomputing heute?
Vor Kurzem wurde eine Arbeit veröffentlicht, die einige Hundert Operationen an 48 logischen Qubits gezeigt hat, allerdings noch ohne vollständige Fehlerkorrektur. Das ist noch ein Stück weit vom Ziel entfernt, aber wir sind sehr optimistisch, in absehbarer Zeit dort anzukommen.