Interview mit Albin Markwardt

Mit GPU-Computing in die Zukunft

14. Dezember 2021, 8:30 Uhr | Tobias Schlichtmeier
Albin Markwardt
Albin Markwardt ist Geschäftsführer bei Compmall.
© Compmall

Embedded-PCs mit Hochleistungs-Grafikkarten bringen Machine und Deep Learning in die Industrie. Was diese PCs leisten und in welchen Applikationen sie bereits im Einsatz sind, darüber sprach Markt&Technik mit Albin Markwardt, Geschäftsführer des Industrie-PC-Spezialisten Compmall.

Markt&Technik: Herr Markwardt, einfache Industriecomputer zu entwickeln und zu vermarkten reicht meist nicht mehr aus – sie müssen heute »intelligent« sein. Wie positioniert sich Compmall in diesem schnell wachsenden Markt?
Albin Markwardt: Industriecomputer müssen immer mehr leisten und immer mehr Daten verarbeiten. Aus dem Grund ist es wichtig, sie mit Graphics Processing Units (GPUs) auszustatten. Also zusätzlich zum normalen Prozessor mit einem Grafikprozessor – ganz allgemein würde ich das als GPU-Computing bezeichnen. Es macht den Weg frei für bisher nicht mögliche Applikationen, jedoch ebenso, um bestehende Prozesse zu beschleunigen.

Jedoch ist GPU-Computing keine Neuerfindung, denn industrielle Bildverarbeitung begann schon in den 1980er-Jahren, damals noch in 2D. Es gab beispielsweise die ersten Optical-Character-Recognition-Systeme, welche Buchstaben, Ziffern und Symbole auslesen und prüfen konnten. Schnell erkannte die Industrie die Vorteile der Bildverarbeitung – hieraus hat sich Machine Vison entwickelt. In den letzten Jahren ging diese Entwicklung immer schneller, mit sehr schnellen Grafikkarten einerseits und andererseits mit dem Einbinden von intelligenter Software. Hiermit meine ich Machine und Deep Learning.

Wie funktioniert GPU-Computing?
Beim GPU-Computing greift das Master-Slave-Prinzip. Die CPU ist ein Generalist und eignet sich für eine Vielzahl von Aufgaben. Zudem werden hiermit Aufgaben im ganzen System verteilt. So ordnet man der GPU spezielle, jedoch einfache Aufgaben zu, welche sie mit hoher Geschwindigkeit abarbeitet. Im Gegensatz zur CPU enthält eine GPU Hunderte bis Tausende von Kernen, die jedoch lediglich bestimmte Arten von Berechnungen ausführen können. Eine GPU kann über ihre vielen Kerne mehrere Berechnungen parallel bearbeiten – das macht sie so schnell. Kurz gesagt, GPU-Computing erzielt hohe Leistungen für grafische sowie bestimmte nichtgrafische Aufgaben.

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GP-3000
Der GP-3000 lässt sich in verschiedenen Einbaupositionen montieren.
© Compmall

In welchen Applikationen kommen Ihre GPU-Embedded-PCs zum Einsatz?
Unsere industriellen GPU-Computer wurden schon erfolgreich in Projekten aus den Bereichen autonomes Fahren, vorausschauende Wartung, Qualitätskontrolle, Robotik sowie Kartierung eingesetzt. Außerdem in der Oberflächenanalyse: Der »GP-3000« zum Beispiel dient in Inspektionsfahrzeugen auf der Schiene als zentrale Einheit. Laser-Sensoren und Kameras liefern in Echtzeit Bilder über die Gleisbeschaffenheit – der Computer analysiert diese anschließend. Ein Deep-Learning-Algorithmus erkennt Abweichungen vom Standard, danach sendet der PC die Daten an Kontrollraum und Cloud.

Wie bewerten Sie die Aussichten von GPU-Embedded-PCs im industriellen Markt?
Zwar schrieb die Wirtschaftswoche im August, dass »KI in Deutschland die Lachnummer der Welt« sei, aber das Umdenken beginnt. Laut Statista steigt das Marktvolumen für autonomes Fahren bis 2030 auf 13,7 Mrd. US-Dollar. Hierbei sollen Robo-Taxis die wichtigste Anwendung sein. Bei den stationären Applikationen ist GPU-Computing ebenfalls nicht mehr wegzudenken. Einerseits unter dem modernen Begriff KI, zum Beispiel in medizinischen Geräten. Sie liefern dem Arzt über das Selbstlernen schnell und zuverlässig Diagnosen. Andererseits im klassischen Anwendungsfall wie im Maschinenbau. Das Prinzip, das hinter GPU-Computing steckt, hebelt das Nutzen von Ressourcen und somit die Möglichkeiten um Faktoren.

GP-3000 mit zwei Grafikkarten
Der GP-3000 enthält zwei Grafikkarten für schnellen Datentransfer am Edge.
© Compmall

Welche speziellen Eigenschaften weisen Embedded-Computer mit GPU auf?
Ginge es lediglich um eine hohe Grafikleistung, dann wäre ein Gaming-PC optimal. Jedoch zählen im industriellen Einsatz zusätzlich andere Eigenschaften. Wichtig ist eine zuverlässige Komponente, die rund um die Uhr bei Volllast arbeitet. Weil gerade Grafikkarten eine hohe Abwärme erzeugen, ist ein ausgeklügeltes Kühlkonzept nötig. Für den Einsatz im Zug oder im LKW ist Vibrations- und Schockfestigkeit unerlässlich. Häufig verlangen Unternehmen zudem eine Zertifizierung nach militärischen Normen wie MIL-STD. In dem Fall sind zum Beispiel verschraubbare M12-Schnittstellen von Vorteil.

Ist ein Außeneinsatz geplant, muss ein GPU-Embedded-PC einen Betriebstemperaturbereich von –40 bis +70 °C abdecken. Ein weiteres Feature sind die Schnittstellen: Industrie-PCs brauchen COM, USB sowie digitale Ein- und Ausgänge für die Anbindung von Sensoren und Aktoren. Power over Ethernet kann außerdem entscheidend sein, wenn es wichtig ist, Kameras ohne zusätzliches Netzkabel anzubinden. Bei Realtime-Anwendungen ist 10-Gigabit-Ethernet eine Option für das schnelle Übertragen von Daten ins Netzwerk. Aus dem Grund lassen sich unser GPU-Embedded-PCs im Baukastenprinzip mit vielen Schnittstellen und Features erweitern.

Welche Grafikleistung ist mit Ihren GPU-PCs möglich?
Unsere »kleine« Applikation, der GM-1000, hat einen MXM-Steckplatz für Grafikkarten. Eine sehr hohe Grafikleistung einer im GPU-Computer getesteten Karte erreicht die 80-W-»MXM-RTX3000« von Nvidia. Sie erreicht 240 Tensor Cores und 5,3 Teraflops Spitzenleistung. Unsere »große« Applikation ist der GP-3000. Er ist über PCIe-Schnittstellen mit bis zu zwei Grafikkarten bestückbar. Getestet wurden bisher die Nvidia-Modelle RTX 3090, RTX 5000 und RTX 6000. Die 295-W-Karte RTX 6000 mit 576 Tensor Cores und 16,3 Teraflops bewältigt außerdem große Workloads in Sachen Rendering, KI, Virtual Reality und Visualisierung.

Lieferengpässe sind noch immer ein Thema. Inwiefern betrifft Sie die Komponentenknappheit?
Zurzeit schöpfen wir noch aus unseren Lagerbeständen, jedoch können sich Lieferungen in Zukunft verzögern. Unsere Hersteller konnten für einige Modelle glücklicherweise zusätzliche Mengen an Bauteilen kaufen. Aus dem Grund ist die Lage je nach Modell verschieden. Wir raten unseren Kunden, die Projekte frühzeitig individuell zu besprechen und die Bestellungen ebenso frühzeitig zu platzieren.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Markwardt.


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