Der wirtschaftliche Abschwung in China könnte das Problem der Fälschungen zumindest bei einzelnen Bauteilen weiter verschärfen. Bislang sind zwar laut Ermel noch Auswirkung »im unüblichen Maße zu verzeichnen«, je nach Entwicklung der Märkte in Fernost kann es aber zu einer Konsolidierung mit Portfolio-Bereinigungen kommen. »In solchen Phasen großer Unsicherheit steigt üblicherweise auch die Bereitschaft zur Absicherung, was wiederum Fälscher oder unehrliche Händler beflügelt«, stellt Ermel fest. Weil viele Bauteilehersteller für die einzelnen Produktionsprozesse meistens auf mehrere Unterlieferanten zurückgreifen, die sich im gesamten ostasiatischen Raum verteilen, und meist mehrere Werke für die notwendigen Produktionsschritte qualifiziert werden, sieht Ludwig Hiebl, Electronics Prozess Engineering, Component Engineering von Zollner Elektronik, ein erhöhtes Risiko durch den wirtschaftlichen Abschwung in China nur in Einzelfällen. »Das haben wir auch bei der Flut in Japan 2011 festgestellt: Kurz danach gab es große Befürchtungen, dass der gesamte Markt betroffen sein könnte. Am Ende hatten wir es dann nur mit einer überschaubaren Anzahl von Problemfällen zu tun, die direkt zu uns durchgeschlagen sind. Wir gehen also hier von einem ähnlichen Szenario aus.«
Auch Lieferengpässe rufen Fälscher auf den Plan
Ob bedingt durch den Wirtschafsabschwung oder nicht: Lieferengpässe spielen grundsätzlich seit jeher den Fälschern in die Karten – und es gibt immer einzelne Teile, die schwer verfügbar sind. »Wer in solchen Situationen Schnäppchen am Freien Markt machen will, geht immer das Risko ein, eine Fälschung oder schlechte Ware zu bekommen. Der Käufermarkt ist aber mittlerweile sensibilisiert und achtet mehr auf die die Qualität der Ware. Unsere Kunden sind zum Glück aufgeklärt und sich der Gefahren bewusst«, betont Bartel.
»Last des kontinuierlichen Wachstums«
Dass Bedarfe manchmal sprunghaft steigen, lässt sich auch durch sehr gute Forecasts und vorausschauendes Supply Chain Management nicht immer verhindern, denn »das ist Last des kontinuierlichen Wachstums, das sich hin und wieder auf die Lieferzeiten auswirkt«, bringt es Wagner auf den Punkt. Es sei dann Sache des Herstellers, die bestehenden Fertigungskapazitäten entweder zu optimieren oder auch neue Fertigungskapazitäten zu schaffen, so Wagner. Würth Elektronik beispielsweise hat auf die starke Nachfrage reagiert und zusätzliche Fertigungskapazitäten durch zwei neue Werke in Thailand geschaffen. Aber nicht jeder Hersteller hat das finanzielle Rückgrat, um eine solche Investition bei Bedarfssteigerungen stemmen zu können. Insbesondere wird es dann schwierig, wenn der Hersteller, wie in der Halbleiter-Industrie durchaus üblich, fabless arbeitet und von den Kapazitäten seines Dienstleister abhängt.