Die Umsetzung der Norm ISO 15118-20

Smart Charging – Grundlagen und Herausforderungen

16. Oktober 2023, 13:30 Uhr | Autoren: Dirk Großmann und Fabian Eisele, Redaktion: Irina Hübner
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Das Smart Grid braucht BPT

Die zuverlässige Versorgung mit genügend elektrischer Energie ist eines der zentralen Themen der Zukunft, in der die Elektromobilität eine interessante Rolle übernehmen wird. Das Stromnetz basiert auf dem Prinzip, dass die Erzeuger in jedem Moment so viel Energie einspeisen, wie auf der Verbraucherseite entnommen wird. Angesichts des steigenden Anteils an erneuerbaren Energiequellen stellt sich die Frage, wie Energiedefizite bei Windstille oder starker Bewölkung ausgeglichen werden. Da das Netz selbst nicht in der Lage ist, elektrischen Strom zu speichern, müssen externe Speicherlösungen herhalten.

Hier kommt das mit ISO 15118-20 eingeführte Feature BPT ins Spiel. Intelligentes Laden nach ISO 15118-20 erlaubt es dem Netzbetreiber, den Ladevorgang zu drosseln oder ganz zu stoppen bzw. pausieren. Durch BPT ist man nun sogar in der Lage, Strom aus der Fahrzeugbatterie zurück ins Netz zu speisen. Damit das Fahrzeug im Notfall nicht mit leerem Akku dasteht, lässt sich ein unteres Limit definieren.

So ist stets eine Mindestreichweite verfügbar. Der Anreiz für Fahrzeughalter, BPT zu nutzen, liegt darin, dass sie so einen Teil ihrer Stromkosten zurückgewinnen können, indem sie bei günstigen Preisen laden und in Zeiten von Stromknappheit die Energie wieder teurer verkaufen können. BPT gestattet zusätzlich die Notversorgung von Smart Homes bei Stromausfall oder die Möglichkeit, liegengebliebenen Elektrofahrzeugen mit leerer Batterie Pannenhilfe zu leisten.

BPT allein reicht natürlich nicht zum Betrieb eines Smart Grids aus, wird aber in Verbindung mit anderen dezentralen Speichersystemen wie Biogasanlagen, Pumpspeicherkraftwerken, Brennstoffzellen usw. einen wertvollen Beitrag zur Stabilisierung des Netzes leisten. In Karlsruhe erforschen Wissenschaftler, wie das künftige Stromnetz im Detail aussehen und funktionieren kann.

Das Energy Lab 2.0 am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist ein Forschungsprojekt mit interdisziplinärer Infrastruktur. Zur Energiegewinnung und -umwandlung stehen ein Solarpark, Geothermie sowie diverse Synthese- und Elektrolyseanlagen zur Verfügung. Hinzu kommen verschiedenste Energiespeichertechnologien wie Batterien, Gase (Methan, Wasserstoff), eFuels und Schwungradspeicher. Die Forscher erstellen digitale Abbilder der einzelnen Geräte bzw. Anlagen und simulieren das Verhalten in größeren Gesamtsystemen oder Microgrids.

Veränderungen für Entwickler

Ein Nachteil der ISO 15118-2 ist, dass jede kleine Änderung an der Nachrichtenstruktur, dem sogenannten Schema, zu einer Inkompatibilität zwischen verschiedenen Versionen führt. Dies liegt in der genutzten Efficient-XML-Interchange-Technologie (EXI). Mit der ISO 15118-20 wird dieses Problem deutlich gemindert, da für jede Ladeart (AC, DC, WPT etc.) ein eigenes Schema genutzt wird, welches keine Abhängigkeiten zum jeweils anderen hat.

Somit lassen sich diese unabhängig voneinander aktualisieren. Wenn beispielsweise für den BPT mit AC zusätzliche Parameter benötigt werden, muss lediglich dieses Schema aktualisiert werden. Jede Implementierung, die AC nicht nutzt, ist von dieser Veränderung nicht betroffen. Außerdem können zukünftig weitere Ladearten ergänzen werden, ohne dass diese auf die bereits bestehenden einen Einfluss haben.

Mit SIL-Testing rationell entwickeln

Mit dem üblichen Prozedere ziehen sich Entwicklungsprozesse für das Smart Charging häufig in die Länge. Der Zulieferer erstellt eine neue Softwareversion, spielt sie auf das Steuergerät und testet. Nach Auslieferung muss auch der OEM die Software ins Steuergerät integrieren und testen. Findet er einen Fehler, geht alles beim Zulieferer von vorne los. Mit Software-in-the-Loop-Tests (SIL) lassen sich komplexe Entwicklungsprozesse wie beim Smart Charging vereinfachen und spürbar beschleunigen.

SIL-Testing erlaubt es, die Software in einer virtuellen ECU ohne Hardware viel früher im Entwicklungsprozess zu testen, und ergänzt so HIL-Tests (Hardware in the Loop) optimal. Die mit dem Vector CANoe Test Package EV oder EVSE erstellten Test-Cases lassen sich sowohl für SIL-Tests im CI/CT-Kontext als auch für Acceptance-Tests (HIL-Tests) verwenden. Das CANoe Test Package EV oder EVSE ist für Konformitäts- und Interoperabilitätstest von Elektrofahrzeugen und Ladestationen vorgesehen und für die Standards CCS, NACS, GB/T und CHAdeMO erhältlich

Neue User-Group für Entwickler

Viele Entwickler in der Industrie starten aktuell mit der Umsetzung von ISO 15118-20, dabei gibt es viele Fragen und Unsicherheiten. Daher wurde eine neue User-Group ins Leben gerufen, speziell für Belange rund um den -20-Dokumentteil. Jeder Entwickler und Interessierte kann kostenfrei beitreten, um Fragen zu stellen, zu diskutieren und Unklarheiten zu beseitigen: https://iso15118.elaad.io/pt2/15118-20/user-group/

Dieser Artikel basiert auf Inhalten aus dem Vector E-Mobility Symposium 2023, das von Themen wie MCS, BPT, Smart Grid und den Möglichkeiten zum Testen auf Konformität zu ISO 15118 sowie CCS dominiert wurde.

 

Die Autoren

Dirk Großmann von Vector Informatik
Dirk Großmann von Vector Informatik.
© Vector Informatik

Dirk Großmann

ist als Senior Manager bei Vector für die Entwicklung der Vector-E-Mobility-Lösung verantwortlich. Nach dem Studium der Elektrotechnik an der Universität Stuttgart sowie sechs Jahren Automotive-Entwicklung im Bereich Steuergeräte-Software kam er 2003 zu Vector Informatik.

 

Fabian Eisele von Vector Informatik
Fabian Eisele von Vector Informatik.
© Vector Informatik

Fabian Eisele

arbeitet bei Vector als Produktmanager im Bereich E-Mobility. Hier ist er für die vSECClib, eine Sammlung von Software-Libraries für Ladestationen, zuständig. Seit 2018 leitet er das Projektteam, das innerhalb der ISO für die ISO 15118-2 sowie ISO 15118-20 zuständig ist.
 


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