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Industrie 4.0 - die Antwort auf IoT?

1. Juli 2014, 14:40 Uhr | Andrea Gillhuber
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Referenzmodelle

Ein überaus wichtiger Punkt auf dem Weg zur vierten industriellen Revolution ist allerdings die Interoperabilität oder Austauschbarkeit verwendeter Komponenten in einem System. Das scheint auf den ersten Blick nicht allzu schwierig: In der Automatisierungswelt gibt es ja bereits zahlreiche Gremien und Spezifikationen, die eine jeweilige Inter­operabilität in Nutzerorganisationen gewährleisten soll. Die Industrie 4.0 setzt jedoch eine Interoperabilität bzw. Austauschbarkeit von Komponenten sowohl unternehmensintern als auch unternehmensübergreifend sowie gremien- und letztendlich auch länder­übergreifend voraus. Standards und Normungen sind gefragt.

Der DKE (Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik im DIN und VDE) hat deshalb in seiner „Deutschen Normungs-Roadmap Industrie 4.0“ Themenbereiche mit Normungsbedarf definiert. Für diese müssen nun zunächst Referenzmodelle erstellt werden. Referenzmodelle beschreiben einen Aspekt, der im System eines Anwendungsbereichs eine wichtige Rolle spielt, und betrachten dabei das zu modellierende System aus einem bestimmten Blickwinkel heraus. Organisatorische Gegebenheiten werden ebenso berücksichtigt wie technologische. Die Roadmap nennt „die Verfügbarkeit von genormten Referenzmodellen in allen Bereichen eine entscheidende Voraussetzung“ [2] für Industrie 4.0. Ein solches Referenzmodell muss beispielsweise für die Systemarchitektur erstellt werden. Gängige Architekturmodelle sind meist funktions- und technologiegetrieben, für das Konzept der Industrie 4.0 ist jedoch ein technologieneutrales Architekturkonzept notwendig. Die Schwerpunkte liegen hier auf Serviceorientierung, Autonomie, Adaptivität und Kooperationsfähigkeit. Auch Grundlagen müssen neu definiert werden: Begriffe, Kernmodelle sowie Modellierungs- und Beschreibungstechniken bilden eine wertvolle Hilfestellung beim Entwickeln von Normen. Mit der IEV (Reihe IEC 60050) steht zwar schon eine Begriffsbasis zur Verfügung, doch muss sie entsprechend den neuen Anforderungen ergänzt werden [2].

Geschäftsfeld

Obwohl wir noch am Anfang der totalen Vernetzung stehen, hat Industrie 4.0 schon an Fahrt aufgenommen. Zeit, sich die vierte industrielle Revolution aus einer anderen Branche heraus zusehen. Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom) hat seine Mitglieder befragt und ist auf eine breite Zustimmung für Industrie 4.0 gestoßen. Mittlerweile bietet fast jedes vierte IT-Unternehmen (23 Prozent) spezielle Lösungen für die Steuerung von Entwicklung und Produktion über das Internet an; 26 Prozent der Unternehmen sind im Moment dabei, solche Themen zu entwickeln – noch vor einem Jahr waren es lediglich 10 bzw. 13 Prozent.

Innerhalb von einem Jahr hat sich das Bewusstsein der ITK-Branche gegenüber Industrie 4.0 gewandelt. Neun von zehn Unternehmen sind nun der Meinung, dass sich dieser Bereich schon in vier Jahren zu einem wichtigen Geschäftsfeld der Branche entwickelt, 33 Prozent sehen das heute schon so. Ein Grund dafür sieht der Bitkom darin, dass sich die IT-Branche im letzten Jahr stark mit dem Thema auseinander gesetzt hat. Den Erfolg rechnet der Branchenverband auch der „Plattform Industrie 4.0“ an.

Der ITK-Gesamtmarkt 2014 umfasst für das Jahr 2014 voraussichtlich 153,3 Mrd. Euro (+1,7 %). Rund 31 Mrd. Euro des Umsatzes entfallen dabei auf die Industrie
Bild 2. Der ITK-Gesamtmarkt 2014 umfasst für das Jahr 2014 voraussichtlich 153,3 Mrd. Euro (+1,7 %). Rund 31 Mrd. Euro des Umsatzes entfallen dabei auf die Industrie
© Bitkom/Techconsult 2014

Das Interesse an der vierten indus­triellen Revolution dürfte aber auch am Marktanteil liegen: Rund ein Fünftel der Umsätze der ITK-Branche stammt aus der Industrie. Das entspricht einem Marktvolumen von voraussichtlich 31 Mrd. Euro in diesem Jahr (Bild 2) – ein Plus von 2,2 Prozent gegenüber 2013. Zwei Drittel der ITK-Unternehmen sehen die Industrie und das verarbeitende Gewerbe laut Umfrage als sehr wichtige oder wichtige Kunden.

Auch stieg der Anteil der Firmen, die in der Industrie 4.0 eine „sehr wichtige“ Rolle für die künftige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie hielten, von 49 auf 60 Prozent. 52 Prozent halten die deutsche Industrie auf dem Weg zur vierten industriellen Revolution als weltweit führend oder zumindest in der Spitzengruppe vertreten. Der Bitkom warnt jedoch davor, sich auf den Lorbeeren auszuruhen: China, USA, Großbritannien und Südkorea haben ebenfalls Programme wie das deutsche Zukunftsprojekt Industrie 4.0 aufgelegt. Damit Deutschland nicht die Führungsrolle oder gar den Anschluss verliert, darf man sich hierzulande nicht auf den Erfolgen ausruhen.

Auf dem Weg zur Industrie 4.0 hat die ITK-Branche vier Bereiche definiert, in denen sie auf die eine oder andere Weise beitragen kann. Im Bereich Infrastruktur geht es vor allem um die Vernetzung eigenständiger Einheiten; Datenverbindung, Schnittstellen, Protokolle und Standards sind dafür nötig. Auch im Bereich Prozess-Know-how kann die IT als Querschnittsbranche ihr Wissen zur Verfügung stellen. Zudem verlangt die zunehmende Verlagerung der Prozesse ins Internet Sicherheit. Der vierte Bereich betrifft mit den Software-basierten eingebetteten Systemen das Herzstück der Industrie 4.0 bzw. des Internets der Dinge und Dienste. Zwar sind die deutschen Embedded-Anbieter weltweit führend, doch ist der Markt hierzulande sehr fragmentiert. Der Bitkom warnt daher vor dem Größenvorteil ausländischer Konkurrenten im Vergleich zu den kleinen Anbietern und Nachfragern in Deutschland.

 

Literatur

[1] Wissenschaftlicher Beirat: Industrie 4.0 – Whitepaper FuE-Themen. Plattform Industrie 4.0. Stand: 3. April 2014.

[2] VDE; DKE: Die Deutsche Normungs-Roadmap Industrie 4.0. Version 1.0 (Stand 11.12.2013).


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  2. Referenzmodelle

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