Interview mit Jan Stefan Michels

»DC-Netze sind eine Schlüsseltechnologie!«

30. September 2025, 9:19 Uhr | Heinz Arnold
Jan Stefan Michels, Vice Chairman der ODCA: »Wir sprechen jetzt gezielt die Projektierer und Planer an, um sie mit den DC-Netzen vertraut zu machen und ihnen zu zeigen, dass die benötigten Komponenten zur Verfügung stehen.« 
© Weidmüller

Der Einzug der 650-DC-Netze in die industrielle Fertigung schreitet weiter voran – auch wenn es noch einige Herausforderungen gibt. Im Interview mit Markt&Technik erklärt Jan Stefan Michels, Vice Chairman der ODCA, wie die Standardisierung voranschreitet.

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Markt&Technik: Über die Vorteile, die die Gleichstromtechnik in der industriellen Produktion mit sich bringt, dürften sich inzwischen die meisten Beteiligten im Klaren sein. Jetzt stehen allerdings für viele Unternehmen leider andere Fragen im Vordergrund, die Konjunktur, die Zollpolitik der USA, China und nicht zuletzt auch die Bürokratie hierzulande. Hemmt das die Einführung der DC-Technik in der industriellen Produktion?

Jan Stefan Michels, Vice Chairman der ODCA: Das wirft natürlich einen Schatten auf die Aktivitäten rund um die Gleichstromtechnik. Aber wer künftig wettbewerbsfähig bleiben möchte, der kommt nicht darum herum, sich unter dem Aspekt der zunehmenden Elektrifizierung und der All Electric Society mit der Gleichstromtechnik im Niederspannungsbereich auseinandersetzen. Wer neue Produktionshallen baut, der sollte sie auf die DC-Technologie auslegen, denn der Umstieg von 400-V-Drehstrom auf 650-V-Gleichstromnetze ist inzwischen wesentlich einfacher geworden und spart deutlich Energie, Ressourcen und Betriebskosten.

Von Gleichstromnetzen jetzt profitieren!

Wie Sie jetzt auf Niederspannungs-Gleichstromnetze umsteigen und so Energie, Ressourcen sowie Geld sparen und Erneuerbare Energien einfacher als bisher integrieren können, erfahren Sie auf der »DC-Konferenz – Gleichstromnetze starten durch« am 23. Oktober 2025 in Ludwigsburg.

Nach dem erfolgreichen Auftakt im vergangenen Jahr veranstaltet die Markt&Technik dieses Branchenevent in Kooperation mit der Open Direct Current Alliance (ODCA) bereits zum zweiten Mal. Im Mittelpunkt steht in diesem Jahr die rasante Entwicklung und die zunehmende Akzeptanz von Gleichstromnetzen – nicht nur in der Industrie, sondern weit darüber hinaus. Dazu zählen: 

Rechenzentren 
Gebäudeautomation 
Beleuchtung 
Logistiksysteme 
Halbleiterfertigung 
dezentrale Energiesysteme 

Der Bedarf ist offensichtlich, denn zentrale Komponenten moderner Energiesysteme – wie Photovoltaik, Batterien, E-Autos und Ladesäulen – arbeiten bereits mit Gleichstrom.

Auf der »DC-Konferenz – Gleichstromnetze starten durch« präsentieren Experten den Stand der Technik, verfügbare Produkte, neue Entwicklungen sowie Erfahrungsberichte aus der Praxis. 

Außerdem werden Fragen zur Planung, Umsetzung und Regulierung von DC-Netzen diskutiert – etwa zu Schutzeinrichtungen, Leistungselektronik oder zur Integration erneuerbarer Energien. 

Zielgruppe sind Entscheider, Planer und Praktiker, die den Aufbau von Gleichstrominfrastrukturen in der Industrie vorantreiben möchten. Hier können sie sich für die »DC-Konferenz – Gleichstromnetze starten durch« registrieren. 

 

Die Fertigung wird erheblich effizienter. Wer künftig wirtschaftlich produzieren will, der muss auf Gleichstrom setzen. Gleichzeitig sind DC-Netze deutlich robuster, was bei volatiler Energieerzeugung und den Schwierigkeiten im Betrieb der Versorgungsnetze ebenfalls ein deutlicher Vorteil ist – die Blackouts vor ein paar Monaten in Spanien, und kürzlich in Berlin zeigen das. Das bringt auch einen Vorteil im globalen Wettbewerb. DC-Netze sind eine Schlüsseltechnologie! Ob bei der Integration von PV-Anlagen und Batteriespeichersystemen, ob beim Aufbau von Ladestationen für E-Fahrzeuge und Automated Guided Vehicles, ob in der Intralogistik oder in der Robotik – überall liefert die DC-Technik einen klaren Mehrwert.  Deshalb tut sich auf diesem Gebiet weiterhin eine Menge. Wir bei Weidmüller und viele andere Hersteller auch außerhalb der ODCA entwickeln laufend neue Komponenten für DC-Netze. Die Verfügbarkeit solcher Komponenten, die spezifische DC-Anforderungen lösen, hat sich deutlich weiterentwickelt, sodass Anwendungsprojekte auf einer soliden Basis aufbauen können.

Was passiert auf dem Gebiet der Standardisierung? 

Einen wichtigen Meilenstein bei der Standardisierung hatte die ODCA mit der Veröffentlichung der VDE SPEC 90037 (»System Description for DC Industry«) Ende vergangenen Jahres erreicht. In der ODCA treiben wir die internationale Standardisierung weiter kräftig voran, es hat über die letzten zwölf Monate einige Fortschritte gegeben. Wir biegen gerade auf die Zielgerade ein, was es deutlich einfacher macht, diese Komponenten in DC-Netze zu integrieren. Die vielen bereits installierten DC-Anlagen, beispielsweise bei Weidmüller, Schaltbau und Phoenix Contact zeigen, dass konkrete Realisierungsprojekte auch heute schon möglich sind.

Es gibt noch weitere interessante Märkte, beispielsweise Rechenzentren…

…die gerade boomen. Dieser Markt ist hochinteressant, weil es hier um sehr hohe Leistungen geht, für die hocheffiziente Lösungen erforderlich sind. Server Racks werden schon bald mit 1 MW arbeiten, deshalb wird die Architektur der Rechenzentren auf die Versorgung von 800 V Gleichspannung umgestellt. Auch Bürogebäude und Supermärkte werden mit DC-Netzen ausgestattet. Dort gibt es meist PV-Anlagen, und gleichzeitig werden dort Ladestationen für Elektroautos aufgestellt. Dort macht es absolut Sinn, ein DC Microgrid zu nutzen. 

Wendet Weidmüller die Technik im eigenen Unternehmen an? 

Wir treiben die Entwicklung von DC-Komponenten auf den Gebieten wie Verbindungstechnik, Power Management, Überspannungsschutz und Netzfilter weiter voran. Außerdem bauen wir DC-Netze im eigenen Unternehmen auf. Im DC Innovation Hub in Detmold versorgen wir das Gebäude unserer Ausbildung über ein DC Microgrid. Dort sind die PV-Anlage, ein Batteriespeicher, die Ladestationen und auch die Maschinen und Anlagen eingebunden. Dies hilft unseren zukünftigen Fachkräften, die Anwendung zu erproben. 

Was macht die ODCA, um die DC-Netze in die Breite zu bringen? 

Das ist ein weiteres große Ziel der ODCA: Wir sprechen jetzt gezielt die Projektierer und Planer an, um sie mit den DC-Netzen vertraut zu machen und ihnen zu zeigen, dass mittlerweile die benötigten Komponenten zur Verfügung stehen. Dazu sind wir mit den IHKs und Verbänden in Kontakt. Außerdem geben wir Leitfäden für die Planung von DC-Netzen heraus. Erst kürzlich haben wir aus der ODCA einen solchen Leitfaden für die Auslegung von DC Microgrids veröffentlicht, der für unserer Mitglieder und Partner zur Verfügung steht. Unser Ziel ist, das gesamte Ökosystem mit all seinen Facetten und Wertschöpfungspartnern, vom Komponentenhersteller über die Planer und Integratoren bis zu den Betreibern aufzubauen. 

Es gibt aber doch deutliche Unterschiede, wenn statt der bekannten 400-V-Drehstromnetze 650-V-DC-Netze aufgebaut werden?

Deshalb führen wir Workshops mit Planern und Projektierern durch, woran sich die Mitglieder der ODCA aktiv beteiligen. So planen wir im Oktober einen Workshop bei Weidmüller in Detmold. Es gibt tatsächlich einige Besonderheiten, die zu beachten sind, zum Beispiel die Unterteilung eines DC Microgrids in Sektoren oder die Auslegung der Schalt- und Schutzgeräte. Aber die Technik ist ohne Probleme zu beherrschen, und natürlich auch sicher zu betreiben. Um sich mit der DC-Technik vertraut zu machen, wollen wir Transferzentren einrichten, die die Verbindung vom akademischen Bereich zur Industrie herstellen. So besteht eines an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Lemgo, am Fraunhofer IPA in Stuttgart und am Institut für Energieeffizienz in der Produktion der Universität Stuttgart. Dort gibt es Demo-Anlagen und die Interessenten können dort direkt lernen, mit den DC-Netzen und den dazu erforderlichen Komponenten umzugehen und sie dort auch zu testen. 

Stoßen die Schulungsaktivitäten auf Interesse? 

Die Resonanz darauf ist sehr gut. Das Interesse an den DC-Netzen ist groß, viele sind der neuen Technik gegenüber aufgeschlossen und neugierig darauf. Das Thema steht nach wie vor ganz oben auf der Agenda!

 


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