Echtzeit-Ethernet mit Standardtechnik

1. Oktober 2014, 11:35 Uhr | Von Prof. Dr. Jörg Wollert
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Fortsetzung des Artikels von Teil 4

VLAN – IEEE 802.1Q – virtuelle, priorisierte, querverkehrfreie Netzwerke

Durch „Taggen“ von Ethernet-Rahmen können virtuelle Netzwerkstrukturen geschaffen werden.
Durch „Taggen“ von Ethernet-Rahmen können virtuelle Netzwerkstrukturen geschaffen werden.
© Prof. Dr.-Ing. Jörg Wollert

Es ist offensichtlich, dass die Herausforderungen der Ethernet-Kommunikation in der Automatisierungstechnik, wie Querverkehrfreiheit und Priorisierung von Nachrichten, zusätzliche technische Lösungen notwendig machen. Ein Lösungsansatz ist die Realisierung von virtuellen Netzwerken. Unter einem virtuellen Netzwerk versteht man eine Gruppe von Netzwerkknoten, die in einer logischen Domäne zusammengefasst sind. Hierbei können die Netzwerkknoten auf unterschiedlichen Switches lokalisiert sein. Die Zuordnung zu der jeweiligen Domäne erfolgt durch eine Software-Konfiguration. Unterschiedliche VLAN-Konzepte sind denkbar. Heute hat sich sogenanntes Layer-2/3-Switching nach IEEE 802.1Q durchgesetzt.

An ausgezeichneten Ports eines Switch, sogenannten Trucked Ports, werden die Ethernet-Telegramme „getaggt“. Unter „Taggen“ versteht man die Erweiterung des Protokollrahmens, um eine Verwaltungsstruktur zur Identifikation des 802.1Q-Datenrahmens durch einen spezifischen Ethertype (0x8100) und die entsprechenden Verwaltungsinformationen wie Nachrichtenpriorität und zugehöriger VLAN-ID. Ein 802.1Q-Switch stellt sicher, dass an dem Trunked Port tatsächlich nur Nachrichten mit der zugehörigen VLAN-ID auftreten können. Getaggte Nachrichten sind innerhalb eines Netzwerkes Routing-fähig, solange nicht die MTU (Maximum Transmission Unit) überschritten wird. Da das Taggen von Nachrichten alleine durch die Switch-Infrastruktur erfolgt, sind aus der Sicht der Automatisierungsgeräte keine weiteren Engineering-Schritte notwendig. Ebenfalls müssen die Automatisierungsgeräte keine besonderen spezifischen Eigenschaften vorweisen – das Versenden und Empfangen normaler Ethernet-Frames reicht vollkommen aus.

Die VLAN-Technik 802.1Q ist beispielsweise bei Profinet in der Conformance Class B (CC-B) obligatorisch. Auch andere Echtzeit-Ethernet-Technologien setzen auf VLAN Tagging.

Synchronität durch IEEE 1588v2

PTP ermöglicht eine exakte Synchronisierung von Ethernet-Geräten.
PTP ermöglicht eine exakte Synchronisierung von Ethernet-Geräten.
© Prof. Dr.-Ing. Jörg Wollert

Bei dezentral organisierten Netzwerken wie Ethernet ist eine genaue zeitliche Vorhersagbarkeit schwierig, da keine zentrale Koordinierungsinstanz verfügbar ist. Dennoch ist ein determinierbares Echtzeitverhalten für automatisierungstechnische Anwendungen zwingend notwendig. Bei den klassischen Feldbussystemen haben sich für eine hohe Synchronität von Anlagen sogenannte zeitgetriggerte Protokolle (TTP – Time-Triggered Protocol) herausgebildet. Voraussetzung für eine zeitliche Koordination der Datenpakete ist eine äußerst präzise Uhrzeit, die möglichst auf allen Stationen zur Verfügung steht. Hier gibt es aus der Datentechnik mit NTP (Network Time Protocol) und SNTP (Simple Network Time Protocol) bereits bewährte Ansätze für die zentrale Steuerung der Uhrzeit. Diese haben jedoch den Nachteil, dass Laufzeiten im Netzwerk keine Berücksichtigung finden. Für eine Synchronisierung der Zeiten in Automatisierungssystemen im µs-Bereich sind sie deshalb ungeeignet.

Eine Lösung dieses Problems verspricht der IEEE-1588v2-Standard. Über das PTP (Precision Time Protocol) wird es möglich, präzise Uhrzeiten über paketvermittelte Netze zu generieren. Der Grundgedanke besteht darin, alle angeschlossenen Stationen mit einer selbstlaufenden, hochgenauen Echtzeituhr zu versehen und diese Uhren zu synchronisieren. Daten können so mit einem exakten Zeitstempel übertragen werden, so dass eine empfangende Station, auch bei einer nur isochronen Übertragung, die Daten richtig zuordnen kann. Der Standard definiert Methoden und Verfahren zum Finden der besten Echtzeituhr im System als Uhrenmaster und zur Synchronisation der verteilten Echtzeituhren. Die Norm IEEE 1588v2 ist optimiert für kleine Netzwerke mit wenigen Teilnetzen, geringem Ressourcenverbrauch und minimalem Verwaltungsaufwand. Während in den bekannten Zeitprotokollen die Zeit selber als Broadcast versendet wird, erfolgt im PTP eine Versendung von Synchronisationssignalen der Echtzeituhren. Hierdurch können die Laufzeiten auf dem Medium und innerhalb des Prozessors berücksichtigt werden und erlauben eine Zeitgenauigkeit bis in den µs-Bereich.

Die Uhrzeit wird innerhalb des MAC-Layer der Netzwerkkarte genommen. Der Synchronisationsimpuls ist das Endebit des Start-Of-Frame Delimiter. Da höhere Protokolle nicht in Echtzeit die Daten auslesen können, ist die tatsächliche Ein- oder Austrittszeit durch ein Follow-up-Telegramm zu ermitteln. IEEE 1588 ist eine Hardware-Eigenschaft der Netzwerkkarte, die durch den Chipsatz bereitgestellt werden muss.

IEEE 1588 ist jedoch nicht alleine ein Phänomen in der Automatisierungstechnik. Vielmehr wird diese Technik innerhalb von Mobilfunksystemen eingesetzt, um paketorientierte Datendienste im Backbone zu synchronisieren. Die ITU-T-Empfehlung G.8261 „Timing and Synchronisation Aspects in Packet Networks“ sowie die 3GPP-Norm 25.104 fordern eine Synchronisationsgenauigkeit von typisch 50 ppm. Mit dem IEEE-1588v2-Standard von 2008 werden diese Grenzen ermöglicht. Die im Vergleich zur Telekommunikationsbranche kleine Automatisierungstechnik profitiert hierbei unmittelbar von den Entwicklungen.


  1. Echtzeit-Ethernet mit Standardtechnik
  2. Topologien und Technologien
  3. Hub und Switch
  4. Automatisierungstechnik
  5. VLAN – IEEE 802.1Q – virtuelle, priorisierte, querverkehrfreie Netzwerke

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