Kommentar

Das Coincheck-Desaster und der Wille zur Abstraktion

30. Januar 2018, 9:29 Uhr | Heinz Arnold
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Wenn es so richtig kracht – die Anatomie der Blase

Viele Experten sehen sich mit Blick auf die Kryptowährungen sowieso schon an Börsencrashs erinnert – und zwar nicht an Kleine aus jüngerer Zeit, sondern an die ganz Großen der Geschichte, als es so richtig krachte. Ein schönes Beispiel ist die Holländische Tulpenblase, die 1637 nach rund drei Jahren platzte. Innerhalb kürzester Zeit explodierte der Wert von Tulpenzwiebeln, auch einfache Leute, die mit Spekulation nichts am Hut gehabt hatten,  wollten plötzlich mit dem Handel der Knollen zu Reichtum kommen. Denn plötzlich kannte jeder irgendjemanden, dem das bereits gelungen war. Wie sich Spekulationsblasen eben so aufbauen. Doch genauso schnell wie der Wert ins unermessliche stieg, knallte es plötzlich kräftig und die Blase war geplatzt.  Alle, die den Absprung nicht rechtzeitig geschafft hatten, standen mit nichts da, viele waren ruiniert.

Nicht anders erging es den Anlegern, die sich von der Mississippi-Blase (1719 geplatzt) anstecken ließen. Ein Mann namens John Law stand an der Spitze der französischen Mississippi-Kompanie und war unter Ludwig XV. nebenbei auch Direktor der Französischen Zentralbank sowie Finanzminister, genau die richtige Ämtermischung, um die Geschäfte zu beflügeln.  Auch hier ließen sich die Anleger vormachen, dass an sich Wertloses viel wert wäre, die Aktien der Kompanie schossen in die Höhe. Bis einige kalte Füße bekamen und ihre Papiere loswerden wollten. Vom folgenden Absturz wurde das gesamte französische Finanzsystem mitgerissen. Sogar der König stand ziemlich nackt da.

Yuval Noah Harari hat dies in seinem Buch »Eine kurze Geschichte der Menschheit« sehr schön dargestellt (in der Taschenbuchausgabe ab S. 394). Außerdem gibt er in diesem Werk eine interessante Erklärung dafür, warum die Menschen an so abstrakte Dinge wie Rechtssysteme, Aktienunternehmen  und Geld glauben – und deren Funktion dadurch erst ermöglichen – und warum das meist ganz gut funktioniert. Nur dadurch konnte die kulturelle Entwicklung der vergangenen 10.000 Jahre überhaupt stattfinden. Aber manchmal funktioniert es eben auch nicht.

Der »Economist« ist auf die Idee gekommen die beiden genannten Blasen plus der Südsee-Blase von 1719 sowie der Dotcom-Blase in ihrer Wertentwicklung von 2000 nebeneinander zu stellen (um welche »Werte« es sich jeweils handelte, ist eigentlich egal). Die Ähnlichkeiten der Ablaufmuster sind verblüffend, besonders die Kurven der Wertsteigerungen der Tulpen- und der Mississippi-Blasen ähneln der Bitcoin-Entwicklung jeweils vor dem Absturz stark. Mit einem Unterschied: die Wertsteigerung der Bitcoins ist noch deutlich höher ist als die Wertsteigerungen der Tulpen- und Mississippi-Spekulationen.

Das muss nun nichts heißen, weil sich Geschichte ja nicht wiederholt. Aber gewisse Muster bleiben eben doch gleich.


  1. Das Coincheck-Desaster und der Wille zur Abstraktion
  2. Wenn es so richtig kracht – die Anatomie der Blase

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