Die technischen Voraussetzungen zum Aufbau vermaschter HGÜ-Netze wären vorhanden?
Fast alles wäre vorhanden. Woran es noch mangelt, ist die Schutztechnik. Im Falle eines Kurzschlusses wäre ein Leistungsschalter oder anderes Gerät erforderlich, das den Fehlerstrom löscht. Das ist schwierig, weil es in der Gleichstromübertragung eben keinen Nulldurchgang gibt.
Entsprechende Schalter haben einige Hersteller doch schon auf den Markt gebracht?
Ja, beispielsweise GE und ABB haben solche Schalter vorgestellt, auch Mitsubishi behauptet, einen solchen Schalter entwickelt zu haben. Siemens geht einen anderen Weg: Das Unternehmen ist überzeugt, dass ihre Umrichter, die zwischen dem Gleichstrom- und dem Drehstromnetz sitzen, Fehlerströme schnell genug löschen können, um zusätzliche Leistungsschalter überflüssig zu machen. Die Herausforderung liegt nun darin, den Beweis der Praxistauglichkeit zu führen. Es sind Piloten notwendig, um die Tauglichkeit für das Netz unter Beweis zu stellen.
Die gesetzlichen Regelungen sehen jetzt vor, dass weite Strecken der HGÜ-Trassen über Erdkabel statt Freileitungen ausgeführt werden. Stellt es ein Problem dar?
Grundsätzlich nicht. ABB hatte bereits 2014 auf der CIGRE Session ein entsprechendes Kabel vorgestellt, Prysmian folgte 2016. Allerdings gibt es auf dem Land ein Problem: Die Länge der Kabel ist durch die Kapazität der Lastwagen auf einige hundert Meter begrenzt. Die Schiffe auf dem Meer sind weit weniger eingeschränkt. Es sind auf dem Land also viele Muffen erforderlich, um die Teilstücke miteinander zu verbinden.
Allerdings sind Muffen, die unter Reinraumbedingungen gefertigt werden müssen, fehleranfällig. Die Verfügbarkeit kann meiner Meinung nach auf bedenkliche Werte sinken. Außerdem können die Reparaturen langwierig und teuer werden. Pilotprojekte mit HGÜ-Kabeln müssten zunächst einmal das Gegenteil zeigen. Diese Probleme gibt es bei der Ausführung als Freileitung nicht. Für die in meiner Dissertsation entworfenen Systemführungsmethode macht das aber keinen Unterschied.