Faseroptische Sensoren in Bauwerken

Risse und Verformungen finden

2. März 2017, 14:33 Uhr | von Helmuth Lemme
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Elastisch: Rayleigh-Streuung

Hier handelt es sich um eine elastische Streuung des Lichtes an örtlichen Inhomogenitäten im Faserkern (Variationen des Brechungsindex infolge von Dichte- oder Zusammensetzungs-Schwankungen), deren Größe klein im Vergleich zur Wellenlänge ist. Es kommt die gleiche Wellenlänge zurück wie eingestrahlt wurde. Jede Faser hat ein ganz bestimmtes Muster wie ein Fingerabdruck, das bei mehreren Messungen eindeutig wiederholbar ist. Seit vielen Jahren ist dies die Standardmethode zur Messung der Übertragungsqualität von Glasfaserkabeln. Das Prinzip ist aber auch nutzbar zur Messung von Dehnungen oder Stauchungen. Das besagte Muster ändert sich dabei entsprechend, was unmittelbar erkennbar ist.

Verformungsmessung mittels Rayleigh-Streuung in der Messfaser
Bild 2. Verformungsmessung mittels Rayleigh-Streuung in der Messfaser.
© Polytec

Der praktische Aufbau verwendet als Kernelement ein Mach-Zehnder-Interferometer (Bild 2). In dieses wird der Strahl eines durchstimmbaren Halbleiterlasers (zum Beispiel mit mittlerer Wellenlänge 1550 nm) eingespeist und in zwei Teilstrahlen aufgespalten. Der eine ist der Referenzstrahl, der direkt durchgeht. Der andere ist der Messstrahl; er wird in die Faser eingeleitet, die Reflexionen kommen zurück und werden mit dem Referenzstrahl überlagert. Je nach Phasenlage ergibt sich dabei Verstärkung oder Abschwächung. Wird der Laser über einen gewissen Wellenlängenbereich durchgefahren, dann erscheint am Ausgang des Interferometers eine periodisch variierende Lichtintensität mit einer bestimmten Frequenz. Diese hängt von der Entfernung des jeweils zurückstreuenden Teils der Faser ab – je weiter weg, desto höher. Dieses Signal wird mittels einer Fourier-Transformation in seine Frequenzanteile zerlegt. Diese ergeben dann ein Abbild der rückstreuenden Punkte in der Faser.

Wird die Faser an einer Stelle gedehnt oder gestaucht oder einer veränderten Temperatur ausgesetzt, dann verschiebt sich das Muster entsprechend. Die Vorteile des Rayleigh-Verfahrens: sehr hohe örtliche Auflösung, das heißt Sensorpunkte in mm-Abständen auf der Faser. Temperaturänderungen sind messbar bis minimal 0,1 K. Ein Nachteil: Die Faserlänge ist limitiert auf maximal etwa 100 m – rein technisch bedingt, nicht physikalisch.

igenresonanzen einer Straßenbrücke, gemessen bei der Überfahrt eines Fahrzeugs
Bild 3. Eigenresonanzen einer Straßenbrücke, gemessen bei der Überfahrt eines Fahrzeugs.
© Hochschule Coburg ISAT

Intensive Forschungsarbeit auf diesem Gebiet läuft auch am Institut für Sensor- und Aktortechnik (ISAT) der Hochschule Coburg (Leitung: Prof. Dr. Gerhard Lindner). Derartige Systeme werden hier eingesetzt zur Überwachung von Brücken auf Vibrationen und Verformungen. Der zunehmende Schwerlastverkehr richtet hier nachweisliche Schäden an. Ein Beispiel: Die Brücke der Bundesstraße 279 über den Main bei Bamberg, gebaut 1960, täglich befahren von 15.000 bis 25.000 Fahrzeugen. An der Unterseite der Brücke ist eine 20 m lange Faser angebracht, die an 8000 äquidistanten Messpunkten misst. Untersucht werden Zeitsignal, Frequenzspektrum und Abklingverhalten.

Bei jeder Überfahrt lässt sich mit dem System eine bestimmte Durchbiegung messen; aus Stärke und zeitlichem Verlauf sind Gewicht und Geschwindigkeit des Fahrzeugs bestimmbar. Bei 4,2 Hz und 6,0 Hz zeigen sich Eigenresonanzen (Bild 3). Wenn sich jetzt die Messwerte im Laufe der Zeit verschieben, ist das ein Hinweis auf strukturelle Veränderungen. Daraufhin kann eine Sanierung eingeleitet werden, bevor ernsthafte Schäden auftreten. Ein Vergleich der Messungen mit elektrischen Dehnungsmessstreifen hat eine gute Übereinstimmung gezeigt.


  1. Risse und Verformungen finden
  2. Elastisch: Rayleigh-Streuung
  3. Inelastisch: Brillouin-Streuung

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