Was bedeuten die geplanten Verbote und Beschränkungen von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) für Medtech-Produzenten? Welche Risiken haben die synthetischen Chemikalien? Ein TüV Süd-Whitepaper zeigt Herausforderungen, Alternativen und Chancen sowie die Bedeutung für die Lieferkette.
»Langfristig bedeuten aktuelle und neue PFAS-Beschränkungen für die Hersteller, dass sie alternative Materialien finden müssen«, sagt Dr. Baridueh Badon aus dem Bereich Medical and Health Services (MHS) beim TÜV SÜD. »Wir wollen informieren, was auf die Hersteller zukommt und welche Maßnahmen jetzt angezeigt sind.«
Status der PFAS-Regulierung |
---|
Insgesamt umfassen PFAS etwa 15.000 verschiedene Stoffe, von denen bereits die Perfluoroktansäure (PFOA) in der EU seit 2020 verboten und die Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) stark eingeschränkt wurden. Neben Medizinprodukten spielen PFAS vor allem für die chemische Industrie eine wichtige Rolle, kommen aber auch in Verbraucherprodukten wie Pfannen oder Textilien, in Löschschäumen oder Kettenfetten zum Einsatz. Im März 2023 haben fünf Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vorgeschlagen, die Verwendung von PFAS deutlich einzuschränken – darunter Deutschland. Die Vorschläge umfassen ein vollständiges Verbot sowie Ausnahmeregelungen mit verschiedenen Übergangszeiten. Die Entscheidung durch die EU-Kommission wird frühestens 2025 erwartet. Aktuell regelt die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien. In den USA ist die Umweltschutzbehörde EPA zuständig, die zuletzt Grenzwerte für einige PFAS in ihre Trinkwasserverordnung aufgenommen hat. Auch andere Länder planen Beschränkungen oder setzen diese bereits um. |
Die »Ewigkeitschemikalien« bieten viele Vorteile für Medizinprodukte, einge Arten bergen aber auch riesige Risiken für die Umwelt. PFAS sind extrem beständig gegenüber Hitze, Flüssigkeiten und Fett. Zudem reagieren sie nicht leicht mit anderen Stoffen. Daher eignen sie sich für Medizinprodukte im und am Menschen, wo sie Körpergewebe, Blut oder Urin ausgesetzt sind (bio-inert). Hier werden PFAS vor allem für Beschichtungen und Zusatzstoffe verwendet und sorgen etwa für langlebige Implantate und reibungsarm verwendbare Katheter.
Diese Vorteile bergen zugleich Nachteile: Studien haben gezeigt, dass sich PFAS-Rückstände über viele Jahrzehnte in der Umwelt anreichern. Das betrifft weltweit Gewässer, Böden und sogar die Atmosphäre. Die Rückstände gelangen so in die Nahrungskette und von dort in den menschlichen Organismus (Bioakkumulation). Weil sie sich nur sehr langsam abbauen, genügen schon geringe Mengen, um die Gesundheit zu gefährden. Zudem stehen viele PFAS im Verdacht, für verschiedene Erkrankungen mitverantwortlich zu sein.
Studie zu Risiken der Ewigkeitschemikalien |
---|
»Zwar weist derzeit noch nichts darauf hin, dass auch medizinische Produkte PFAS in signifikanten Mengen freisetzen«, sagt Dr. Baridueh Badon. »Doch bei ihrer Produktion und Entsorgung können die Chemikalien in die Umwelt gelangen. Hinzu kommt, dass sie aufgrund ihrer hohen Beständigkeit und Langlebigkeit schwer zu entsorgen sind.«
»Ein vollständiges PFAS-Verbot ohne bereits marktfähige Alternativen ist auch ein Risiko für die Gesundheitsversorgung«, gibt Dr. Baridueh Badon zu bedenken. »Manche Produkte wären dann nur verzögert, zu deutlich höheren Kosten oder gar nicht mehr lieferbar. Deshalb gilt es, frühzeitig sichere und effektive Alternativen zu PFAS zu entwickeln und gegebenenfalls klinisch zu testen. Nur so können rechtzeitig robuste Lieferketten aufgebaut werden.«
Diese Materialien müssen ähnlich gute Antihaft-Eigenschaften, Haltbarkeit und Stabilität gegenüber Chemikalien und Hydrolyse aufweisen sowie biokompatibel und verträglich sein – mit vertretbaren Risiken für den Menschen und die Umwelt. Hersteller von Medizinprodukten sind ebenso gefordert, die gesetzlichen Änderungen in den verschiedenen Märkten zu monitoren, um die Zulassung ihrer Produkte erfolgreich zu managen und zu dokumentieren. Dr. Baridueh Badon: »Hersteller, die über eine andere geeignete Alternative zu PFAS verfügen, haben möglicherweise einen Vorteil in der Lieferkette.«
Der TÜV Süd Süd unterstützt Hersteller von Medizinprodukten beim Umgang mit den PFAS-Regularien und der Entwicklung sicherer Medtech-Produkte. Dafür nutzen die Experten ihr globales Netzwerk von Laboren, nehmen Biokompatibilitätsprüfungen und chemisch-analytische Tests vor und validieren Verpackungssysteme. Diese Aktivitäten können gezielt zur PFAS-Detektion und -Substitution beitragen. Zudem bewerten die Sachverständigen die Konformität von Produkten und Materialien mit den geltenden Regelwerken. (uh)
Download des TÜV Süd-Whitepaper zur PFAS-Regulierung in der Medizintechnik