Ein neuartiger opto-fluidischer Chip ermöglicht die präzise Identifizierung menschlicher Leukozyten mittels integrierter Photonik. Die kostengünstigen und skalierbaren Zellanalysen per Durchflusszytometrie sollen helfen, personalisierte Therapien wie CAR-T gegen Krebs schneller zu entwickeln.
Imec, ein weltweit führendes Forschungs- und Innovationszentrum für Nanoelektronik mit Sitz in Belgien, hat gemeinsam mit dem österreichischen Technologie-Startup Sarcura einen Proof-of-Concept eines On-Chip-Durchflusszytometers mit integrierter Photonik präsentiert, der eine präzise Erkennung und Unterscheidung menschlicher Leukozyten ermöglicht. Die weißen Blutkörperchen verteidigen den Körper gegen Infektionserreger oder bösartige Zellen; eine zu hohe oder zu niedrige Anzahl ist ein Alarmsignal des Immunsystems.
Die neuartige Technik markiert einen entscheidenden Schritt in Richtung günstiger, skalierbarer und hochgradig parallelisierter Zellanalysen und folgend personalisierten (CAR-T-) Therapien gegen Autoimmunerkrankungen, Krebs oder Leukämie.
Der Kern der Entwicklung ist ein opto-fluidischer Chip, der auf der 200-mm-CMOS-Pilotlinie von imec hergestellt wurde. Dieser Chip zeichnet sich durch einen neuartigen Materialstapel aus, der drei Schlüsselfunktionen integriert:
1. Beleuchtung der Zellen
2. Erfassung des gestreuten Lichts durch Wellenleiteroptiken
3. Präzise Zuführung der Zellen zu den Detektionspunkten durch mikrofluidische Kanäle
Der so aufgebaute Chip ermöglicht eine drastische Miniaturisierung und Automatisierung des Durchflusszytometrie-Prozesses. Niels Verellen, wissenschaftlicher Direktor bei imec, betont: »Wir haben zum ersten Mal gezeigt, dass ein monolithisch integrierter biophotonischer Chip verwendet werden kann, um optische Streustrahlung zu sammeln, die die Unterscheidung von Lymphozyten und Monozyten aus der Blutprobe eines Patienten ermöglicht und mit der Leistung kommerzieller Zytometer mithalten kann.«
Zellanalyse für Medizintechnik, Therapie und Patienten |
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Die präzise Identifizierung menschlicher Zellen ist ein Schlüsselprozess in der modernen Medizin. Sie spielt eine entscheidende Rolle beim Verständnis von Krankheitsmechanismen und der Entwicklung gezielter, personalisierter Behandlungen. Insbesondere im Bereich der Zelltherapien wie der CAR-T-Immunzelltherapie gegen Krebs ist die Fähigkeit zur schnellen und genauen Identifizierung therapeutischer Zellen in komplexen Zellprodukten von kritischer Bedeutung. Daniela Buchmayr, CEO und Mitbegründerin von Sarcura, unterstreicht die Tragweite der Technologie: »Silizium-Photonik, wie sie in diesem neuartigen photonischen Chip erfolgreich demonstriert wurde, ist ein revolutionärer und wesentlicher Baustein, der die Möglichkeiten der Einzelzelldetektion mit massiver Parallelisierung auf einer dramatisch verkleinerten Grundfläche vereint. Das eröffnet neue Möglichkeiten für die Bewältigung bisher ungelöster Herausforderungen, etwa bei der Herstellung von Zelltherapien.« |
Ein entscheidender Vorteil der Technologie liegt in der Möglichkeit zur dichten Parallelisierung mehrerer Flusskanäle. Dies eröffnet neue Perspektiven für Hochdurchsatz-Zellanalysen. In zukünftigen Entwicklungsphasen könnte das kompakte, ausrichtungsfreie Design die Identifizierung von Milliarden von Zellen innerhalb kurzer Zeit ermöglichen. Diese Skalierbarkeit ist besonders relevant für die Entwicklung und Produktion von Zelltherapien, wo die schnelle und präzise Analyse großer Zellpopulationen entscheidend ist.
Überwindung bestehender Limitationen
Die neue On-Chip-Technologie adressiert mehrere Einschränkungen konventioneller Durchflusszytometrie-Systeme:
1. Miniaturisierung: Ersetzt sperrige Instrumente durch einen kompakten Chip.
2. Automatisierung: Reduziert komplexe, manuelle Arbeitsabläufe und minimiert das Kontaminationsrisiko.
3. Kosteneffizienz: Senkt die Betriebskosten durch Integration und Skalierbarkeit.
4. Dezentralisierung: Ermöglicht potenziell den Einsatz in dezentralen Einrichtungen, was die Verfügbarkeit von Zelltherapien erhöhen könnte.
Integration und Anpassungsfähigkeit
Die Chip-Architektur wurde so konzipiert, dass sie sich nahtlos in das zuvor von imec entwickelte Bubble-Jet-Zellsortiermodul integrieren lässt. Diese Kompatibilität mit der Wafer-Maßstab-Herstellung eröffnet Möglichkeiten für eine kosteneffiziente Massenproduktion. Zudem können die photonischen Komponenten und das Layout flexibel an spezifische Anwendungsanforderungen angepasst werden, was die Vielseitigkeit und Einsatzbreite der Technologie erhöht.
Der vorgestellte Proof-of-Concept markiert einen wesentlichen Schritt in Richtung kostengünstiger, skalierbarer und hochgradig parallelisierter Zellsortierplattformen. Die Technologie verspricht, die Entwicklung und Anwendung von Zelltherapien zu beschleunigen und zu demokratisieren. Für Medtech-Entwickler eröffnen sich neue Möglichkeiten zur Integration hochpräziser Zellanalysen in kompakte, automatisierte Systeme. Dies könnte nicht nur die Forschung und Entwicklung im Bereich der personalisierten Medizin vorantreiben, sondern auch die klinische Anwendung fortschrittlicher Zelltherapien erleichtern und somit direkt zur Verbesserung der Patientenversorgung beitragen. (uh)