Frauen und MINT-Fächer

Es liegt nicht nur an Mathe

21. Februar 2018, 12:08 Uhr | Corinne Schindlbeck
Aktuelle Infografik der Hans-Böckler-Stiftung zum Thema Männer und Frauen in der Arbeitswelt.
© WSI-Genderportal 2017

In Deutschland sind die Berufschancen in MINT besser als je zuvor, doch die Zahl der Frauen steigt nur schwach. Umgekehrt arbeiten in EU-Staaten wie Litauen, Bulgarien oder Lettland mehr Frauen als Männer im MINT-Bereich. Woran liegt das? Eine US-amerikanische Studie liefert Hinweise.

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In Litauen, Bulgarien und Lettland arbeiten mehr Frauen in MINT als Männer. Finnland mit seinem viel gepriesenen Schulsystem hingegen liegt an vorletzter Stelle.
© Eurostat

2016 waren in der Europäischen Union laut Zahlen von Eurostat 17 Millionen Naturwissenschaftler und Ingenieure beschäftigt, 60 Prozent davon Männer. Sie sind vor allem in Bereichen wie Maschinenbau oder Elektronik überrepräsentiert, im Dienstleistungs-Sektor hingegen halten sich Männer und Frauen mit 55 zu 45 Prozent ungefähr die Waage.

Blickt man auf die einzelnen Länder, wird der Unterschied noch größer: In Ländern wie Bulgarien, Litauen oder Lettland arbeiten sogar mehr Frauen als Männer als Naturwissenschaftler oder Ingenieure, in Litauen sind es ganze 58 Prozent. Deutschland liegt mit 33 Prozent auf Platz 25, hinter Italien, aber vor Österreich und Finnland. Schlusslicht ist Luxemburg mit 25 Prozent.

Dabei sind in Europa und vor allem in Deutschland die Berufschancen in MINT besser als je zuvor. Sollte dann nicht auch der Frauenanteil in diesen Fächern steigen?

Scheinbar ist das Gegenteil der Fall: Wissenschaftler der Leeds Beckett's School of Social Sciences und der University of Missouri haben nun festgestellt: Je mehr Wahlfreiheit Frauen haben und je gleichberechtigter sie gegenüber Männern sind, umso weniger interessieren sie sich für ein MINT-Studium.

Die Erklärung der Forscher:  In Ländern mit geringerer Gleichberechtigung und Wahlfreiheit streben Frauen eher einen Beruf an – auch gegen äußere Widrigkeiten und gegen ihre persönliche Neigung –, der ihnen Sicherheit und ein vergleichsweise hohes Einkommen verspricht. Genießt die Gleichstellung dagegen einen hohen Stellenwert und haben sie eine ökonomische Absicherung und Perspektive (vgl. Sozialstaat, Ökonomie etc.), dann treffen Frauen eine mehr ihrer Neigung entsprechende Berufswahl.

Den amerikanischen Forschern zufolge dominierten  bei den meisten Mädchen Neigungen wie Lesen oder sich sprachlich auszudrücken noch vor der Neigung zu Wissenschaft und Mathematik. Nicht so bei den Jungen, hier liege Mathe und Wissenschaft in der Regel vorn. Mit entsprechendem Einfluss auf die spätere Berufswahl.

An schlechteren Fähigkeiten von Mädchen liege es hingegen nicht, das könne in vielen Fällen ausgeschlossen werden: In Island, Schweden und Norwegen - Ländern mit hoher Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen - sind Mädchen und Jungen gleich gut in Mathe, in Finnland sind Mädchen sogar besser. Das Interesse an Mathe erlahme bei Mädchen aber häufig mit der Pupertät, schreiben Forscher.

Die Psychologen haben für ihre Studie (‘Hat eine ausgeprägte Gleichstellung von Frauen auch einen höheren Frauenanteil in MINT-Fächern zur Folge?’) u.a. den ‘Global Gender Gap Index’ und die jeweilige Geschlechterverteilung bei den MINT-Abschlüssen herangezogen.

Der Global Gender Gap Index stellt die Gleichstellung der Geschlechter in einer Zahl dar und wird von der Schweizer Stiftung World Economic Forum ermittelt. Er misst die Gleichstellung von Frauen in einem Land in den Bereichen Wirtschaft (Erwerbssituation, Lohn, Führungspositionen), Bildung (Alphabetisierung, Schul- und Hochschulbesuch), Gesundheit (Lebenserwartung) und Politik (Parlamentarierinnen und Regierungsmitglieder). Ein Wert von 1 bedeutet Gleichstellung der Geschlechter.  Platz 1 belegte letztes Jahr Island mit 0,878, Deutschland mit 0,778 Platz 12.

 


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