Null Punkte im Mathe-Abitur - wer kommt da auf die Idee, Ingenieurwissenschaften zu studieren? Mathe als Problemfach ist in der Schule kein Einzelfall, zeigen Studien. Ob bessere Didaktik hilft, ist Thema einer Fachtagung.
»Ich habe in meiner Mathe-Abiturklausur 0 Punkte geschrieben. Wirklich zero. Nullkommanull.« Mit diesen Worten beginnt der LinkedIn-Post von Carline Mohr – und trifft einen Nerv, was die zahlreichen Kommentare und eigene Erlebnisse unter ihrem Post beweisen.
Mohrs Mathelehrer kommentierte damals den Abi-Blackout: »Da hätte man auch einen räudigen Hund von der Straße reinschicken können." Offenbar kein Ausrutscher des Lehrkörpers damals: »Der Lehrer unseres Mathe-Grundkurses bezeichnete meine Freundinnen und mich einmal als "Minimalisten-Ecke, die die Druckerschwärze auf dem Papier nicht wert«, ergänzt eine Leserin.
Doch auch wenn die allermeisten Lehrer heute sensibler in ihren Aussagen sein dürften, verursacht Mathe weiterhin Unbehagen: »Matheangst ist tatsächlich ein großes Problem, das u.a. zu dem Fachkräftemangel in MINT beiträgt, vor allem bei Mädchen« kommentiert MINT-Bildungsexpertin Dr. Stephanie Kowitz-Harms, die Mohr als Keynote-Speakerin auf die »MINT-vernetzt«-Jahrestagung eingeladen hatte.
Denn Mathe-Unlust ist kein Naturgesetz: Während in Deutschland nur 29 Prozent der MINT-Studierenden Frauen sind, liegt der Anteil in den Golfstaaten bei 57 Prozent. Der Unterschied? Dort wird Mathematik früh gefördert, technisches Wissen als Karrieresprungbrett und finanzielle Unabhängigkeit gesehen.
Wie die Mathe-Lehre besser gelingen kann, darüber diskutieren vom 3. bis 7. März rund 700 Fachleute an der Universität des Saarlandes bei der Jahrestagung der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik.
Teilnehmer sind u.a. Lehrkräfte sowie Erzieherinnen und Erzieher aus dem deutschsprachigen Raum. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt die Veranstaltung.
Professorin Melanie Platz von der Universität des Saarlandes: »Ein guter Mathematikunterricht motiviert, macht neugierig und weckt den Spaß und die Begeisterung der Schülerinnen und Schüler.« Mathematik sei ja nicht das Problem. Sondern die Art, wie es vermittelt werde. Ihr Ansatz? Anwendungsorientiertes Lernen. »Wenn Kinder Mathematik be-greifen können, entstehen Aha-Erlebnisse. Wer Zahlen nicht nur auswendig lernt, sondern Zusammenhänge versteht, entwickelt Freude am Fach.«
Praxisnähe, aktuelle greifbare Beispiele und neue Lehrmethoden können das ändern. »Mathematik hilft nicht nur, KI zu verstehen, sondern auch, ihre Mechanismen kritisch zu hinterfragen«, sagt Melanie Platz.
Ihre Hoffnung? Dass die Erkenntnisse aus der GDM-Tagung dazu beitragen, Mathe aus der Frustzone zu holen. Und in der Folge mehr Talente für die Ingenieurwissenschaften zu begeistern.
Im Mittelpunkt der Tagung stehen Fragen zur Verbesserung des Mathematikunterrichts. Themen sind unter anderem effektive Lernstrategien, der Einsatz digitaler Medien und außerschulische Lernorte. Auch die Rolle der Künstlichen Intelligenz wird diskutiert – sowohl ihr Einsatz im Unterricht als auch ihre Vermittlung als mathematisches Konzept.
Die Tagung bietet u.a. 20 Minisymposien, 15 Arbeitskreisen, zwei Diskussionsforen, mehr als 200 Einzelvorträgen sowie über 100 Kurzvorträgen und Posterpräsentationen.
Am 6. März findet der „ErLe-Tag“ statt, der sich speziell an Lehrkräfte und Erziehende richtet. Hier geht es um die Verbindung von Forschung und Praxis in der frühen mathematischen Bildung. Eine Anmeldung ist bis zum 28. Februar möglich.
Bereits am 2. und 3. März findet eine Nachwuchstagung für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Mathematikdidaktik statt. Ziel ist der Austausch und die Vernetzung des wissenschaftlichen Nachwuchses.