Frauen in MINT-Studiengängen

»Fiktionale Formate wagen«

24. Juli 2019, 11:45 Uhr | Prof. Dr.-Ing. Klaus Diepold, TU München
Prof. Dr.-Ing. Klaus Diepold, Fakultät Elektro- und Informationstechnik an der Technischen Universität München. »Wir sollten die Chancen ergreifen, die in fiktionaler Fernsehunterhaltung für den Berufsfindungsprozess Jugendlicher liegt.«
© CDTM

Prof. Dr.-Ing. Klaus Diepold von der Technischen Universität München plädiert für einen neuen Ansatz, um Frauen für MINT-Fächer zu begeistern: Serien und Spielfilme.

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Fiktionale Charaktere und Geschichten könnten wirksamere Rollenmodelle etablieren und gesellschaftliche Relevanz von MINT-Studiengängen erzeugen.

Das Problem ist allseits bekannt: Während der Frauenanteil in Studienfächern wie der Medizin, der Chemie oder der Pädagogik unter den Studierenden hoch bis dominant ist, bewegt sich der Frauenanteil in Informatik, Physik, Elektro- und Informationstechnik, Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen immer noch unter 20 Prozent. Und das, obwohl Hochschulen, Wirtschaft und auch die Politik viel unternehmen, um diese Situation zu ändern.

Sollten wir das nicht zum Anlass nehmen und einen neuen, frischen Ansatz wagen? Studienergebnisse zeigen, dass fiktionale Serien und TV-Spielfilme Einfluss auf die Wahl des Studienfaches haben und dazu beitragen können, das Interesse junger Frauen an MINT-Studiengängen zu steigern. In fiktionalen Formaten werden MINT-Fächer, -Berufe und Rollenbilder nicht im Vordergrund, sondern eher im Subtext kommuniziert. Das unterscheidet sie grundsätzlich von herkömmlichen dokumentarischen und aufklärenden Formaten, macht sie aber nicht weniger wirksam. Im Gegenteil. Das zeigen u.a. zwei Studien, »MINT und Chancengleichheit in fiktionalen Fernsehformaten« innerhalb eines groß angelegten BMBF-Projektes sowie Erkenntnisse des Geena Davis Institute on Gender in Media, die das Phänomen des „Scully Effect“ untersuchten.

Der Scully-Effect bezieht sich auf die Figur der Dana Scully (dargestellt durch Gillian Anderson) in der US-amerikanischen Serie „X-Files“. Sie spielt die Rolle einer klugen und wissenschaftlich exzellenten FBI-Agentin und forensischen Medizinerin. Die Wissenschaftler des Geena Davis Institute konnten feststellen, dass diese Figur zahlreiche Frauen motivierte und inspirierte, sich ebenfalls für ein naturwissenschaftliches oder technisches Fach zu entscheiden. Einen vergleichbaren Effekt erkannten die Experten auch bei der Auswertung von „CSI Las Vegas“-Sendungen, die zu erhöhten Einschreibezahlen in der forensischen Medizin sowie Informationstechnik und Informatik führten.
Die BMBF-Studie kam zu ähnlichen Erkenntnissen, wobei es hier nicht um die Medienwirksamkeit einer speziellen Figur ging, sondern allgemeiner um die Auswirkungen von fiktionalen Formaten auf die Chancengleichheit.

Wir sollten daher die Chancen ergreifen, die in fiktionaler Fernsehunterhaltung für den Berufsfindungsprozess Jugendlicher liegt, und Spielfilme, Serien, Daily Soaps und Telenovelas mit weiblichen Role-Models in MINT-Berufen besetzen. Denn herkömmliche Informationsformate, in denen Inhalte und berufliche Chancen für Frauen in MINT-Fächern direkt thematisiert werden, scheinen diese Wirksamkeit nicht oder zu langsam zu entfalten. Daher plädiere ich dafür, MINT in fiktionalen Unterhaltungsformaten zu positionieren. Wir müssen traditionelle Produzenten von Unterhaltungssendungen überzeugen, mehr auf Inhalte zu achten, die die gesellschaftliche Bedeutung von Ingenieurberufen hervorhebt, sowie weibliche Protagonisten in Ingenieurberufen zu platzieren. Ziel: Das Interesse und die Motivation für MINT-Fächer zu verstärken und die Grundmenge der Kandidatinnen zu erweitern. Gleichzeitig sollten wir uns nicht nur auf die Gruppe der Mädchen und jungen Frauen („Fix the Women“) konzentrieren. Sondern alle junge Menschen, unabhängig vom Geschlecht, für MINT-Fächer zu begeistern.


  1. »Fiktionale Formate wagen«
  2. Innovative Ansätze zur Rekrutierung von Talenten

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