Die Ladeinfrastruktur ist entscheidend für den Erfolg der Elektromobilität. Durch eine Vernetzung von Ladestationen mit dem Mobilfunk-IoT können Unternehmen die Ladestationen besser orchestrieren, verwalten bzw. warten und damit ein reibungsloses Kundenerlebnis ermöglichen.
Wir bewegen uns in Richtung einer umfassenden Elektrifizierung – nicht nur von Autos, sondern aller Transportmittel zu Lande, zu Wasser und sogar in der Luft. Dabei wächst der Markt für Elektrofahrzeuge (EV) für Privatanwender am schnellsten. Ihre breite Einführung erfolgt durch eine Kombination aus Anreizen und Gesetzen. Verbraucher kaufen sie in immer größerer Zahl, und Länder auf der ganzen Welt setzen auf eine Zukunft mit E-Fahrzeugen.
Großbritannien wird ab 2035 Autos mit fossilen Brennstoffen verbieten. Die US-Regierung will bis 2030 die Hälfte aller verkauften Neufahrzeuge mit E-Fahrzeugen besetzen. Die EU-Richtlinie zum umweltfreundlichen Lkw-Verkehr (Green Trucking) sieht 50 % Mautermäßigung für E-Fahrzeuge ab 2023 und Luftverschmutzungsgebühren für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren ab 2026 vor und in keinem Land der Welt werden mehr E-Fahrzeuge gekauft als in China.
Bei der Realisierung der Emobility-Pläne der verschiedenen Länder gibt es jedoch ein Problem: Die Ladenetze müssen der Nachfrage von Millionen von E-Fahrzeugen gerecht werden. Außer in einigen wenigen Ländern wie Norwegen und Island sind die heutigen Netze dazu noch nicht annähernd in der Lage.
In jedem Land, in dem E-Fahrzeuge erfolgreich eingeführt wurden, hat sich auch das EV-Ladenetz mit entwickelt. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben. Paradebeispiele sind Norwegen (86 % aller verkauften Neuwagen sind E-Fahrzeuge) und Island (72 %), die beide im Jahr 2021 weltweit führend bei der EV-Marktdurchdringung waren. Im Vergleich dazu schafften es die USA mit einem Anteil von nur 5 % an den gesamten Autoverkäufen gerade einmal unter die Top 20 der weltweit führenden Länder bei der Einführung von E-Fahrzeugen.
Auf der Nachfrageseite gibt es im Vergleich zu den herkömmlichen Tankstellen nicht ausreichend öffentliche oder private EV-Ladestationen. Zweifellos hat dies viele Menschen bislang davon abgehalten, auf ein E-Auto umzusteigen. Hinzu kommt, dass die vorhandenen öffentlichen Ladestationen zuverlässig betrieben werden müssen. Ihre überwiegende Mehrheit arbeitet ohne Personal (man denke nur an die Parkplätze in Einkaufszentren) und muss ständig überwacht werden, um einen ordnungsgemäßen Betrieb zu gewährleisten. Und wahrscheinlich wird der Tag kommen, an dem man die meisten öffentlichen Parkplätze zugleich als Ladestationen für Elektrofahrzeuge nutzt.
Die Angebotsseite ist nicht weniger herausfordernd. In dem Maße, in dem die Welt auf umweltfreundlichere, erneuerbare Energiequellen umsteigt, verlässt sie sich auch auf weit weniger zuverlässige Energiequellen. Ein Windpark oder ein Gezeitenkraftwerk kann einfach nicht die gleiche kontinuierliche Energie liefern wie ein Kohlekraftwerk.
Angebot und Nachfrage müssen daher viel sorgfältiger aufeinander abgestimmt werden, um Brownouts (vorübergehende Stromausfälle, die alle elektronischen Geräte beeinträchtigen) und Blackouts (längere Stromausfälle) zu vermeiden. Dabei wird man die Preisgestaltung zielgenau nutzen müssen, um die Menschen davon abzuhalten, das Versorgungsnetz zu Spitzenzeiten zu überlasten. In Norwegen laden zum Beispiel nur wenige Menschen ihr Elektroauto tagsüber, wenn sie nicht müssen. Denn das ist viel teurer als das Aufladen außerhalb der Spitzenzeiten, in der Regel über Nacht, und ist ein Faktor, der die Einführung intelligenter Ladestationen für Elektrofahrzeuge zuhause fördert.
In den USA wird immer deutlicher, dass eines der entscheidenden Unterscheidungsmerkmale zwischen Tesla und anderen Elektroautoherstellern die Qualität des Ladesäulennetzes (Supercharger) ist. Berichten zufolge bietet dieses Netz ein Maß an Zuverlässigkeit und Einfachheit, das Mitbewerber nicht immer erreichen. Aus diesem Grund erwägen verschiedene Elektroautohersteller, ihre E-Fahrzeuge mit Tesla-Ladesteckern auszustatten.
Zuverlässigkeit muss nun zur Norm für das öffentliche Laden von E-Fahrzeugen werden. Länder auf der ganzen Welt haben das verstanden. Ein kürzlich in Großbritannien eingeführtes Gesetz mit der Bezeichnung »Public Charge Point Regulation 2023« besagt, dass die öffentlichen Schnellladenetze in Großbritannien zu 99 % der Zeit im Jahr verfügbar sein müssen. Eine solche Verfügbarkeit lässt sich nur durch kontinuierliche Überwachung erreichen, um potenzielle und tatsächliche Probleme schnell beheben zu können.
Dies erfordert eine flächendeckende und robuste Funkanbindung, um Daten über die Verfügbarkeit und den Zustand der Ladestationen zu sammeln. Mobilfunk-IoT ist die einzige standardbasierte Technik, die dies leisten kann (siehe unten).
Durch Mobilfunk-IoT-Anbindung werden die Daten der EV-Ladestationen an eine zentrale Plattform weitergeleitet, damit das Personal aus der Ferne auf Störungen oder Probleme reagieren kann. Eine Verfügbarkeit von 99% erfordert eine vorausschauende Wartung, die auf charakteristische technische Leistungsmerkmale aktiver Ladestationen reagiert, wenn diese kurz vor einem Ausfall stehen.
Fahrer von E-Autos müssen ihre Fahrten zu den Standorten öffentlicher Ladestationen planen. Diese Ladestationen müssen immer funktionieren, sonst besteht die Gefahr, dass das Fahrzeug am Straßenrand liegen bleibt.
Das Netz privater Ladestationen wird bei der Umstellung auf E-Fahrzeuge eine noch wichtigere Rolle spielen, da es weitaus stärker verbreitet sein wird als die öffentlichen Ladestationen.
Der private Markt wird von vielen einzelnen Ad-hoc-Anbietern bedient. Aktuell gibt es zwei Arten von EV-Ladestationen für zuhause. Die eine ist kostengünstig und besitzt keine Internetverbindung. Diese Alternative eignet sich kaum für die Zukunft des Ladens von E-Fahrzeugen. Nur wenige Nutzer wollen Spitzenlasttarife in Kauf nehmen oder ihr Auto nur durch manuelles Ein- und Ausstecken aufladen können.
Die andere, zukunftsfähigere Art von EV-Ladestationen für zuhause ist mit dem Internet verbunden. Viele dieser Ladestationen nutzen aber aktuell nur Wi-Fi/WLAN für ihre Verbindung. Auch wenn WLAN eine gute funkbasierte Technik ist, die in den meisten Haushalten gängig ist, eignet sie sich aus mehreren Gründen nicht ideal für den Masseneinsatz von EV-Ladegeräten.
Ist man auf einen privaten WLAN-Hub oder -Zugangspunkt angewiesen, muss dieser über genug Reichweite verfügen, um die Garage oder den Parkplatz des Nutzers zu erreichen. Andere Hubs können zwar die Internetverbindung eines Autos nutzen, doch dies ist noch nicht standardisiert und kann daher zu Problemen bei der Wiederherstellung der Verbindung führen, die von Automarke zu Automarke unterschiedlich ist. Außerdem war standardmäßiges WLAN nie dafür ausgelegt, Installationen mit mehreren Millionen Knoten im Nahbereich zu unterstützen.
Neuere Standards wie die stromsparende IoT-Version von Wi-Fi, die in Wi-Fi 6 spezifiziert ist, würden die enorme Skalierbarkeit bieten, die für Smart-City-Installationen erforderlich ist, insbesondere wenn sie durch die Zuverlässigkeit des Mobilfunk-IoT unterstützt werden.
Die ideale Lösung für private EV-Ladestationen wäre die Standardisierung von IoT-Mobilfunk (sowohl schnellere LTE-M- als auch in Gebäude/Tiefgaragen eindringende NB-IoT-Technik) mit regulärem und stromsparendem WLAN als Option und möglicherweise sogar Bluetooth LE (BLE) für lokale Anbindung. Dies würde dem Endnutzer völlige Flexibilität und Zukunftssicherheit bieten, einschließlich einer künftigen Erweiterung des Matter-Smart-Home-Standards um private EV-Ladegeräte.
Das Mobilfunk-IoT bietet die ideale Kombination aus Überall-Verfügbarkeit, Energie sparender Bandbreite und nahtloser Installation – die sich bei Bedarf über Bluetooth konfigurieren lässt. Die Technik unterstützt dabei Millionen von Knotenpunkten.
Die Energieversorger werden jedoch nicht in der Lage sein, die Stromversorgung von Haushalten zu planen und zu verwalten, wenn die erwarteten Millionen von EV-Ladestationen nicht angeschlossen sind. Die Versorger müssten daher mit den großen Anbietern von Ladestationen für Privathaushalte zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Ladestationen angeschlossen sind und kontinuierlich überwacht werden – unabhängig davon, ob der Nutzer über ein zuverlässiges WLAN-Heimnetzwerk verfügt oder nicht.
Das 2,4-GHz-Band, das von Wi-Fi/WLAN, Bluetooth, Apple HomeKit, Amazon Sidewalk und Matter genutzt wird, ist in der Smart-Home-Umgebung bereits genug ausgelastet. EV-Ladestationen wären mit Mobilfunkfrequenzen in Kombination mit Wi-Fi 6 wesentlich besser bedient.
Öffentliche wie private EV-Ladestationen erfordern eine kontinuierliche Überwachung in großem Umfang. Das bedeutet Massive-IoT. Derzeit gibt es nur eine LPWAN-Technik, die die nötige geografische Abdeckung und kontinuierliche Zuverlässigkeit bieten kann: Mobilfunk-IoT.
Der Bedarf an Massive-IoT-Systemen wird das Mobilfunk-IoT im Bereich EV-Laden vorantreiben. Ein von Ericsson erstellter Bericht stützt das: Eine LTE-M-/NB-IoT-Anbindung des Mobilfunk-IoT hilft den Beteiligten beim EV-Laden dabei, das komplexe Ökosystem der Interessengruppen zu verwalten, das Fahrer, Anbieter von Hardware und Datenanbindung, Energieversorger, Fahrzeughersteller und Anlagenbesitzer wie Parkplatzbetreiber, Städte und Hauseigentümer umfasst.
Im Ericsson-Bericht »Connected EV Charging« heißt es: »Ladestationen für Elektrofahrzeuge sind entscheidend für einen stetig wachsenden EV-Einsatz. Sie bieten erhebliche Geschäftsmöglichkeiten für Unternehmen, die E-Autos aufladen, und das dazugehörige Ökosystem. Durch eine Vernetzung von Ladestationen mit dem Mobilfunk-IoT können die beim EV-Laden beteiligten Unternehmen ihre Orchestrierung, Verwaltung und Wartung besser verwalten und ein reibungsloseres Fahr- und Kundenerlebnis bieten.«
Martin Lesund
ist Technical Marketing Manager für Cellular IoT bei Nordic Semiconductor. Er besitzt einen Master of Science in Elektrotechnik von der Norwegian University of Science & Technology. Vor seiner jetzigen Tätigkeit war er mehr als drei Jahre als Applikationsingenieur in der Technical Support Group von Nordic Semiconductor tätig, wo er sich auf die nRF91-Serie, das nRF Connect SDK und Cellular IoT spezialisierte. Lesund widmet sich nun der Unterstützung von Kunden bei der Optimierung ihrer Mobilfunk-IoT-Lösungen für neue Anwendungen.