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Nicht der Bessere, sondern der Stärkere gewinnt

21. September 2016, 13:09 Uhr | Iris Stroh
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Das Bessere muss sich nicht durchsetzen

WEKA FACHMEDIEN
Dr. Stefan Finkbeiner »Ein Halbleiterunternehmen muss die Werkzeuge und Tools für jeden Prozessknoten im eigenen Haus haben, und das kostet viel Geld. Das wird dazu führen, dass die Unternehmen irgendwelche Vorzugsknoten oder Vorzugstechnologien auswählen müssen.«
© Componeers GmbH

Intel erklärte vor einigen Jahren über „Partial Depleted“, dass FD-SOI – sprich Fully Deplete – eine attraktive Technologie sei. Mittlerweile setzt das Unternehmen komplett auf FinFETs. In Anbetracht des oben erwähnten Nachteils bei hoch-performanten Systemen ist dieser Schritt für Intel als Prozessorhersteller durchaus nachvollziehbar. Schaut man aber auf Intel als Foundry, stellt sich dennoch die Frage: Warum setzt das Unternehmen ausschließlich auf FinFETs? Das beantwortet Olaf Höhne, Regional Business Manager von Intel, so: »Wir werden nicht für alle das Richtige fertigen können. Wir haben einen bestimmten Bereich, den wir bedienen und den wir, denke ich, sehr gut machen. Und dieser Bereich wird auch erweitert, beispielsweise durch den Zukauf von Altera. Aber es gibt ganz klar Anwendungen, die wir nicht bedienen, auch wenn wir sehr viele unterschiedliche Technologien nutzen. Es ist ja nicht so, dass wir nur noch 14 nm und 300 mm fertigen. Es gibt im Markt eine große Vielfalt, und diese Vielfalt wird sich noch deutlich vergrößern. Es ist kein Konkurrenzmarkt. Es geht vielmehr um die Frage: Was braucht der Kunde? Der Markt wird entscheiden, wo es hingeht.«

Genau der Markt könnte zum Problem für FD-SOI werden, auch wenn die Technik unübersehbare Vorteile hat. Weyer: »Das ist keine Technologie-, sondern eine Anwendungsfrage. Ich glaube, dass beide Technologien nebeneinander existieren werden. Aber heute ist das Verhältnis zwischen beiden Technologien im Markt 10 : 1 zugunsten von FinFETs. Für uns als Anwender ist die große Frage: Wie schnell bekomme ich meine Design-Bibliotheken, meine IP-Blöcke und alles andere. Und da denke ich, dass FinFET aufgrund des deutlich höheren Volumens enorme Vorteile für den Anwender hat, weil alles verfügbar ist.«

Weyer zweifelt nicht an den technologischen Vorteilen von FD-SOI, aber für ihn stellt sich die Frage, ob diese Technologie mit dem Volumen bei FinFET Schritt halten kann? Weyer: »Brauche ich Schnelligkeit zum Markt, dann muss alles verfügbar sein, und dann ist FinFET im Vorteil. Dieser Punkt ist viel entscheidender als die Vorteile einer Technologie.« Dr. Stefan Finkbeiner, CEO von Bosch Sensortec, argumentiert ähnlich: Den Anwender, also den Halbleiterhersteller, koste es viel Geld, die Werkzeuge und Tools inhouse zu haben. Deshalb müsse sich jeder zwangsläufig für Vorzugsknoten und Vorzugstechnologien entscheiden. Und da stelle sich natürlich die Frage, welches Unternehmen wählt in diesem Fall die technisch vielleicht bessere, aber für ihn ökonomisch schlechtere Technologie aus? Dieses Problem hat Globalfoundries durchaus erkannt, weshalb Buchholtz in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass das Unternehmen seine Kunden in Zukunft beim Realisierung von IP-Blöcken mithilfe von Dienstleistungen unterstützen will.

Der Markt entscheidet sich nicht immer für das Bessere, siehe das Beispiel VHS, Betamax und Video2000. Finkbeiner: »Es setzt sich nicht immer das technologisch Beste durch, sondern das, wo ein Mainstream entsteht«.

Die Vielfalt der Prozesse
wird sich wohl noch erhöhen

Für die Halbleiterhersteller ist es natürlich von Vorteil, dass möglichst viele Prozesse seitens der Foundries verfügbar sind. Aber auch in der eigenen Inhouse-Fertigung hat sich einiges geändert: »Früher haben wir eine Produktgeneration durch eine neue Generation ersetzt, die mit kleineren Prozessstrukturen gefertigt wurde. Ein Shrink hatte einfach enorme Vorteile. Das gibt es heute nicht mehr, denn seit 28 nm wird mit jedem Shrink der Chip teurer. Also lassen wir die Produkte in ihren älteren Technologien weiterlaufen. Wir nutzen neue Technologien nur dann für Neuentwicklungen, wenn wir sie unbedingt brauchen«, erklärt Weyer. Daraus folgt, dass ein Unternehmen wie NXP auch heute noch Entwicklungen auf Basis von 180-nm-Prozessen tätigt, einfach weil dieser Prozess am besten zur Applikation passt. Aus Weyers Sicht ist das ja prinzipiell das Schöne für einen Halbleiterhersteller mit Fab-Lite-Ansatz heute: Er kann sich genau den Prozess aussuchen, der sich am besten für eine Applikation eignet.

Der von Weyer angesprochene Ansatz klingt pragmatisch und gut, problematisch wird es aber, wenn die Anforderungen widersprüchlich sind. Ein Beispiel: Die Automobilbauer wollen zwar auch heute noch 5-V-IOs, drängen aber gleichzeitig auf höchste Rechenleistung. Da wird wohl ein Umdenken stattfinden müssen, denn 5-V-I/Os sind mit 16/14-nm-FinFETs einfach nicht realisierbar.

Entscheidungen werden in den Unternehmen von kommerziellen Gesichtspunkten getrieben. Weyer: »Wir machen keine Technologie um der Technologie willen, sondern um ein relevantes Problem zu lösen, und zwar in einer Art und Weise, die es uns ermöglicht, damit auch finanziell erfolgreich zu sein, damit wir wieder in die nächste Generation investieren können.« Dr. Finkbeiner sieht es ähnlich: Die Komplexität steige und die »werde ich mit einem Technologieknoten alleine nicht stemmen können«. Der Hersteller sei gezwungen, sich Gedanken über die Systemarchitekturen und die Partitionierungen zu machen. »Das gilt besonders für Automotive- und IoT-Anwendungen. Wenn wir das nicht machen, sterben wir den Kostentod«, mahnt Finkbeiner.


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