Stellungnahmen zum EU Chips Act

Ein wichtiger Schritt – aber er reicht nicht

19. April 2023, 14:55 Uhr | Heinz Arnold
Iris Plöger, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung: »Der Ausbau der Halbleiterproduktion dürfte sich noch stärker in die USA verlagern. Die momentane Investitionswelle in Halbleiter wird die EU mit diesem Chips Act nicht für sich nutzen können.«
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»Mit dem EU Chips Act gelingt der EU nicht die angestrebte Aufholjagd«, so kommentiert der BDI. Auch andere Verbände weisen darauf hin, dass dies nur ein Schritt in die richtige Richtung sei.

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Statt den Abstand zu den USA zu verringern, werde Europa als Halbleiter-Region weiter an Boden verlieren, befürchtet der BDI. »Der Ausbau der Halbleiterproduktion dürfte sich noch stärker in die USA verlagern. Die momentane Investitionswelle in Halbleiter wird die EU mit diesem Chips Act nicht für sich nutzen können«, so lautet der Kommentar von Iris Plöger, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung. Grund sei, dass die Finanzmittel nicht ausreichen würden, um das ehrgeizige Ziel von mindestens 20 Prozent der weltweiten Chip-Produktion nur ansatzweise erreichen zu können. Dazu sei weniger Bürokratie im Falle einer Halbleiterkrise nötig. Damit dürfte die Klausel im EU Chips Act gemeint sein, nach der die geförderten Fabs bei einer Krise gezwungen werden können, EU-Unternehmen bevorzugt zu beliefern, was bei der Industrie nicht gut ankam. 

Der ZVEI sieht das ähnlich, auch wenn er es etwas freundlicher formuliert: »Der EU Chips Act ist ein wichtiger Schritt, er muss aber zugleich eine Maßnahme von vielen sein, um das 20-Prozent-Ziel erreichen zu können«, so ist in der offiziellen Stellungnahme des ZVEI zu lesen. »Der ZVEI befürwortet den EU Chips Act grundsätzlich, aber er muss jetzt zügig und möglichst unbürokratisch umgesetzt werden, damit Europa auch zukünftig zu den Top-Ten-Halbleiter-Standorten gehören kann, die Mikroelektronik beherrschen«, so Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung anlässlich der Einigungsgespräche, die kürzlich zwischen EU-Parlament und den Mitgliedsstaaten stattgefunden haben. »Ziel muss sein, ein international wettbewerbsfähiges Mikroelektronik-Ökosystem in Europa auszubauen. Wichtig ist dabei, den EU Chips Act stark an der Halbleiter- und Anwenderindustrie auszurichten und an deren Bedarfen an Chips aller Strukturgrößen.«

Silicon Saxony e. V. sieht den EU Chips Act als »einen wichtigen Baustein für eine gemeinsame europäische Industriepolitik und eine gute Grundlage für weitere Gesetzesinitiativen zur Stärkung von Investitionen in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Quantencomputing sowie Kommunikationstechnologien« an. »Der EU Chips Act schafft Investitions- und Planungssicherheit für Halbleiterunternehmen und deren Zulieferer. Vor allem die europäische Zulieferindustrie in den Bereichen Chip-Design, Chemikalien, Wafer- und Maskenherstellung sowie Automatisierung wird gestärkt. Damit spricht Frank Bösenberg, Geschäftsführer Silicon Saxony e. V., also auch nur von »einem wichtigen Baustein«, den der EU Chips Act bilde. Immerhin bewiese Europa damit Handlungsfähigkeit. 

Lieferketten vollständig verlagern?

Der BDI macht in seiner Stellungnahme auf einen weiteren Aspekt aufmerksam: Die EU ist in keinem Bereich der Halbleiterlieferkette unabhängig, sondern auf Partner weltweit angewiesen. »Wir müssen noch stärker mit internationalen Partnern zusammenarbeiten und dürfen keinen Isolationismus betreiben«, so Iris Plöger.

Das sieht auch Paul Triolo vom Centre for Strategic and International Studies in Washington so: »Entscheidend für die EU – ebenso wie für die USA – dürfte es sein, welcher Anteil der Lieferketten in die eigene Region verlagert werden kann und zu welchen Kosten.«

Fachkräfte, Fachkräfte, Fachkräfte!

Es geht allerdings nicht nur darum, den Bau neuer Fabs in Europa attraktiv zu machen, die Fabs müssen dann auch betrieben werden. Zu Zeiten von fehlenden Fachkräften dürfte das keine leicht zu lösende Aufgabe sein. Auch darauf weist Iris Plöger in der Stellungnahme des BDI hin: »Europas Stärke sind exzellent ausgebildete Fachkräfte. Die EU muss alles daran setzen, Fachkräfte zu halten und zusätzliche zu fördern.« Der EU Chips Act hätte effektivere Strategien für die Gewinnung von Fachkräften vorlegen müssen.
 
Der EU Chips Act ist ein Maßnahmenpaket der Europäischen Kommission, um die Versorgungsschwierigkeiten im Bereich der Halbleiterindustrie zu beseitigen und Europas technologische Führungsrolle in der Halbleitertechnik zu stärken. Das heute beschlossene Gesetz schafft die rechtliche Grundlage für Investitionen von rund 43 Milliarden Euro bis 2030. Damit sollen neue Produktionskapazitäten geschaffen werden, um Europas Weltmarktanteil auf bis zu 20 Prozent zu erhöhen.  

Europa spricht derzeit von 43 Milliarden Euro, die für den EU Chips Act eingesetzt werden sollen, wobei es sich bei dieser Summe nur zu einem kleinen Teil um vollständig neu allokierte Finanzmittel handelt. Die EU-Kommission setzt bislang nahezu ausschließlich auf die Unterstützung durch die Mitgliedsstaaten. Die Finanzmittel, die etwa im Bereich Forschung und Entwicklung bereitgestellt werden, sind keine neuen Mittel. Vielmehr handelt es sich um eine Verschiebung von bereits eingeplanten Fördersummen.

Die EU hat verlauten lassen, dass Halbleiterhersteller im Zusammenhang mit dem EU Chips Act schon Investitionspläne von rund 100 Mrd. Dollar vorgelegt haben. 

Einer davon ist Intel. Hendrik Burgeois, Vice President European Government Affairs von Intel, begrüßte den EU Chips Act: Damit zeige die EU, dass es ihr Ernst damit sei, den künftigen Wohlstand zu sichern.


   

 


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