Kampf gegen Parkinson

Ultradünnes Endomikroskop liefert Bilder aus dem Gehirn

28. Juni 2023, 10:30 Uhr | Ute Häußler
© Pixabay

Fortschritt für Neurowissenschaft: Ein neues haarfeines Endomikroskop verspricht äußerst schonende Tiefenbeobachtungen, um die Kommunikation von Neuronen im Gehirn zu verstehen. - Auch um bisher unheilbare Krankheiten wie Epilepsie, Parkinson oder Alzheimer zu erforschen.

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Um die Aktivität neuronaler Strukturen sowie das Zusammenspiel von Nervenzellen zu untersuchen, sind minimalinvasive Technologien gefragt, die Bilder aus dem empfindlichen Gehirngewebe liefern. Ein neues haarfeines Endomikroskop, das von einem internationalen Team unter Beteiligung des Leibniz-IPHT entwickelt wurde, verspricht äußerst schonende Tiefenbeobachtungen. Es bietet das Potential, Gehirnareale detailliert zu untersuchen sowie die Entstehung und den Verlauf schwerer neuronaler Erkrankungen zu studieren. Auf diese Weise ließen sich neue Strategien zur Bekämpfung dieser unheilbaren Erkrankungen entwickeln.

Haarfeines und miniaturisiertes Endoskop

Mit nur 110 Mikrometern Durchmesser ist das entwickelte Endoskop in etwa so dünn wie ein menschliches Haar und ermöglicht die Aufnahme von Bildern in einer noch nie dagewesenen Gewebetiefe sowie auf subzellulärer Ebene. Damit ließen sich nicht nur tiefliegende und bisher schwer zugängliche Gehirnstrukturen erforschen, sondern auch die neuronale Konnektivität und Signalaktivität einzelner Neuronen im Gehirn präzise studieren.
 
»Herzstück des endoskopischen Systems ist eine ultradünne optische Glasfaser, die als Sonde dient. Mithilfe der digitalen Holographie können wir mit dieser einzelne Zellen und Blutgefäße hochauflösend, verzerrungsfrei und kontrastreich abbilden und sichtbar machen. Das haarfeine Endoskopie-Design ermöglicht eine äußerst atraumatische In-vivo-Untersuchung, ohne dabei umliegendes Gewebe zu schädigen«, erklärt Prof. Dr. Tomáš Čižmár, Leiter der Forschungsabteilung Faserforschung und -technologie am Leibniz-IPHT, der die Entwicklung des Instruments leitete.



Ultraschlanke und minimalinvasive Sonde

Neurowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler forschen meist an kleinen Tiermodellen und nutzen dabei minimal-invasive Endoskopie-Techniken, um Strukturen in der Tiefe des Gehirns zu untersuchen. Herkömmliche endoskopische Lösungen, die in der neurowissenschaftlichen In-vivo-Forschung eingesetzt werden, verwenden in der Regel spezielle Stablinsen (GRIN), die Bilder von einem Ende zum anderen übertragen. Aufgrund ihrer Größe können diese ein hohes Risiko für Gewebeschäden bergen und die Aussagekraft neurowissenschaftlicher Studien erheblich beeinträchtigen. Das neu entwickelte holografische Endoskop überwindet diesen Nachteil, indem es eine einzelne optische Multimode-Faser als Bildgebungssonde verwendet, was es zur am wenigsten invasiven Methode zur Visualisierung sensibler Gehirnbereiche macht.

Tiefe Einblicke in die Steuerzentrale

Darüber hinaus nutzten die Forschenden eine neuartige Fasersonde, eine sogenannte Side-View-Sonde, mit der das Gewebe senkrecht zur Faserachse beobachtet werden kann. Auf diese Weise wird das zu untersuchende Gewebe durch das Einführen des Endoskops in das Gewebe weniger belastet und geschädigt als bei der Verwendung herkömmlicher Sonden mit bloßem und gerade geschliffenem Ende. Da die Sonde das Potenzial bietet, tiefer in das Gewebe eindringen zu können, bietet die Side-View-Sonde die Möglichkeit, einzelne Bilder, die auf dem Weg aufgenommen werden, zu einem Panorama-Bild zusammenzufügen, was einen kontinuierlichen Blick in die gesamte Tiefe des Gehirns ermöglicht.

Eckpfeiler der In-vivo-Neurowissenschaft

Neben der direkten Beobachtung der strukturellen Konnektivität zwischen Nervenzellen, insbesondere der dendritischen Dornen (mikroskopische Strukturen, die aus Dendriten hervorgehen), können mit den entwickelten endoskopischen Lösungen auch intrazelluläre Prozesse beobachtet werden. Die Dynamiken subzellulärer Strukturen, Veränderungen der intrazellulären Kalziumkonzentration (die eng mit der Signalaktivität der Nervenzellen verbunden ist) und die Geschwindigkeit des Blutflusses in einzelnen Gefäßen können untersucht werden. All diese Parameter könnten Neurowissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern Indizien auf pathologische Veränderungen des Gehirns liefern.

»Bei neuronalen Erkrankungen kann die kognitive und motorische Leistungsfähigkeit des betroffenen Organismus durch Veränderungen oder den Verlust von Nervenzellen irreversibel eingeschränkt sein. Wir entwickeln Technologien, um Anzeichen einer Erkrankung, zum Beispiel durch eine veränderte Neuronen-Kommunikation, frühzeitig erkennen zu können. Mit neuen und leistungsstarken lichtbasierten Instrumenten können wir dazu beitragen, bisher nicht dagewesene Einblicke in die Steuerzentrale lebenswichtiger Funktionen mit hoher Bildqualität zu eröffnen und damit das Verständnis neuronaler Erkrankungen zu erweitern«, so Prof. Dr. Tomáš Čižmár.

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