Zur Charakterisierung des maximalen Dynamikbereichs eines ADUs spezifiziert die Mehrzahl der ADU-Hersteller die effektive Auflösung und die rauschfreie Auflösung unter der Annahme eines maximalen Bereichsendwerts. Anders ausgedrückt: wenn ein System den maximalen – oder den vom Hersteller zum Charakterisieren des ADUs verwendeten – Bereichsendwert nicht ausschöpft, kann nicht davon ausgegangen werden, die im Datenblatt angegebene effektive oder rauschfreie Auflösung zu erreichen.
Dies soll nun verdeutlicht werden, indem eine Referenzspannung von 1 V für einen ADU verwendet wird, dessen Rauschen im Datenblatt mit einer Referenzspannung von 2,5 V charakterisiert wurde. Für dieses Beispiel wird ebenfalls der ADS127L01 verwendet.
Tabelle 3 zeigt, dass mit 2,5 V Referenzspannung und einer Datenrate von 2 kHz im VLP-Modus (Very Low Power) ein eingangsbezogenes Rauschen von 1,34 µVeff und eine effektive Auflösung von 21,83 bit zu verzeichnen sind.
Mode | Abtastrate [kHz] | Abtastrate [kHz] | effektive Anzahl von Bits (ENOB) |
| 512 | 7,4 | 19,37 |
128 | 5,12 | 19,9 | |
32 | 2,74 | 20,8 | |
8 | 1,41 | 21,76 | |
Low Power (LP) | 256 | 7,22 | 19,4 |
64 | 4,97 | 19,94 | |
16 | 2,65 | 20,85 | |
4 | 1,37 | 21,8 | |
Very Low Power (VLP) | 128 | 6,97 | 19,45 |
32 | 4,8 | 19,99 | |
8 | 2,57 | 20,89 | |
2 | 1,34 | 21,83 |
Tabelle 3. Rauscheigenschaften des ADS127L01: Latenzarmes Filter, analoge Betriebsspannung UBA = 3 V, digitale Betriebsspannung UBD = 1,8 V und URef = 2,5 V. (Quelle: Texas Instruments)
Durch die Verwendung einer Referenzspannung von 1 V verringert sich der Bereichsendwert allerdings auf 2 V. Mit diesem Wert kann nun mithilfe von Gleichung 5 die neue zu erwartende effektive Auflösung (Dynamikbereich) berechnet werden:
Das Verändern der Referenzspannung führt zu einer Reduzierung des Bereichsendwerts, wodurch sich wiederum die effektive Auflösung (der Dynamikbereich) des ADUs gegenüber der Angabe im Datenblatt um mehr als 1,3 bit verschlechtert. Gleichung 6 drückt diese Auflösungseinbuße in allgemeiner Form aus:
Mit »%-Nutzung« ist hier einfach das Verhältnis zwischen dem tatsächlichen Bereichsendwert und jenem gemeint, bei dem das Rauschen des ADUs charakterisiert wurde.
Dieser scheinbare Auflösungsverlust mag wie ein Nachteil beim Einsatz hochauflösender Delta-Sigma-ADUs erscheinen. Dabei sollte allerdings nicht vergessen werden, dass sich zwar der Bereichsendwert verschlechtert, das eingangsbezogene Rauschen aber nicht. Ich schlage deshalb vor, die Rauschanalyse für einen ADU mit einem absoluten oder direkt gemessenen Rauschparameter vorzunehmen. Mit der Verwendung eines absoluten Rauschparameters wird die für relative Rauschparameter charakteristische Abhängigkeit vom Eingangssignal und der Referenzspannung umgangen. Außerdem vereinfacht sich mit absoluten Rauschparametern die Beziehung zwischen dem ADU-Rauschen und dem Systemrauschen.
Für die Rauschanalyse eines ADUs empfehle ich das eingangsbezogene Rauschen zu verwenden. Ich hebe dies ausdrücklich hervor, weil es keineswegs üblich ist, zur Definition der ADU-Leistungsfähigkeit auf das eingangsbezogene Rauschen zurückzugreifen. Die meisten Ingenieure drücken sich stattdessen ausschließlich mit relativen Parametern wie der effektiven und rauschfreien Auflösung aus und sind zutiefst beunruhigt, wenn sie diese Werte nicht maximieren können.
Wenn ein 24-bit-ADU verwendet werden muss, um eine effektive Auflösung von 16 bit zu bekommen, fühlt sich dies in der Tat so an, als würde man bei dem ADU für etwas bezahlen, was er in Wirklichkeit nicht hergibt.
Eine effektive Auflösung von 16 bit sagt allerdings noch nichts darüber aus, wieviel vom Bereichsendwert tatsächlich genutzt wird. Vielleicht wird nur eine effektive Auflösung von 16 bit benötigt, aber wenn das minimale Eingangssignal 50 nV beträgt, kann es niemals mit einem 16-bit-ADU aufgelöst werden.
Der wirkliche Vorteil eines hochauflösenden Delta-Sigma-ADUs besteht also in dem von ihm gebotenen, geringen eingangsbezogenen Rauschen. Dies soll andererseits auch nicht heißen, die effektive Auflösung sei unwichtig. Sie ist lediglich nicht die beste Wahl zur Parametrisierung eines Systems.
Letztendlich gilt: wenn der ADU nicht in der Lage ist, sowohl die minimalen als auch die maximalen Eingangssignale aufzulösen, ist ein Maximieren des Signal-Rauschverhältnisses (SNR) oder der effektiven Auflösung irrelevant.
Im Unterschied zur effektiven Auflösung lässt sich das erforderliche eingangsbezogene Rauschen des ADUs direkt und einfach aus den Systemspezifikationen ableiten. Aufgrund dieser Eigenschaft ist die Analyse des eingangsbezogenen Rauschens flexibler bei etwaigen Änderungen am System. Außerdem erlaubt es ein einfaches Vergleichen verschiedener ADUs, um den richtigen ADU für eine bestimmte Anwendung auszuwählen.
Im dritten Teil [4] dieser Artikelserie wird eine Widerstandsbrücke entwickelt und dazu sowohl relative als auch absolute Rauschparameter zum Definieren der Systemauflösung verwendet, um damit die Effektivität beider Varianten zu demonstrieren. Dabei wird auch gezeigt, wie sich anhand der einzelnen Parametertypen ADUs vergleichen lassen, um geeignete ADUs auswählen zu können.
Literatur
[4] Lizon, B.: Analogsignale digitalisieren – Teil 3: Einführung in die Rauscheigenschaften von Delta-Sigma-ADUs. www.elektronik.de, 10.6.2018, www.elektroniknet.de/elektronik/halbleiter/einfuehrung-in-die-rauscheigenschaften-von-delta-sigma-adus-165847.html.
[5] Lizon, B.: Analogsignale digitalisieren – Teil 1: Einführung in die Rauscheigenschaften von Delta-Sigma-ADUs. www.elektronik.de, 23.5.2019, www.elektroniknet.de/elektronik/halbleiter/einfuehrung-in-die-rauscheigenschaften-von-delta-sigma-adus-165688.html.
[6] ADS127L01 24-Bit, High-Speed, Wide-Bandwidth Analog-to-Digital Converter. Texas Instruments, Datenblatt, September 2016, www.ti.com/lit/ds/symlink/ads127l01.pdf.
Der Autor
Bryan Lizon, B. Sc.
ist Produktmarketing-Ingenieur für Präzisions-ADUs bei Texas Instruments, wo er die Marketingfunktionen für Fabrikautomatisierung und -steuerung, Sensormessungen und Automobilprodukte unterstützt. Lizon studierte Elektrotechnik an der Universität von Arizona, USA.
asktexas@ti.com