Im zweiten Teil wird die Betrachtung grundlegender Aspekte des Rauschens in AD-Umsetzern (ADU) fortgesetzt. Es geht um die Fragen, wie das Rauschen von ADUs gemessen wird, welche Rauschspezifikationen in ADU-Datenblättern angegeben werden und was absolute und relative Rauschparameter sind.
Im ersten Teil [5] dieser Serie ging es um das Rauschen in elektrischen Systemen, die Ursachen von Rauschen in typischen Signalverarbeitungsstufen, das systemimmanente Rauschen von AD-Umsetzern und die Unterschiede zwischen dem Rauschen in hochauflösenden bzw. niedrigauflösenden ADUs. Nun wird das Rauschen gemessen.
Es ist wichtig zu verstehen, dass es beim Blick in das Datenblatt eines ADUs darum geht, den ADU zu charakterisieren, und nicht etwa das System. Die Art und Weise, wie zum Beispiel Texas Instruments das ADU-Rauschen misst, und auch das Prüfsystem selbst, sollten ausschließlich die Fähigkeiten des ADU demonstrieren, und nicht die Beschränkungen des Prüfsystems. Beim Einsatz eines AD-Umsetzers in unterschiedlichen Systemen oder unter verschiedenen Bedingungen können sich deshalb Rauscheigenschaften ergeben, die von den Angaben im Datenblatt abweichen.
Zum Messen des Rauschens von ADUs wendet Texas Instruments zwei Methoden an. Bei der ersten werden die Eingänge der ADUs miteinander verbunden, um die geringfügigen Änderungen des Ausgangswertes infolge des thermischen Rauschens zu messen. Bei der zweiten Methode wird eine Sinuswelle mit einer bestimmten Amplitude und Frequenz – z.B. 1 VSS bei 1 kHz – am Eingang angelegt und ermittelt, wie der ADU diese Sinuswelle quantisiert. In Bild 8 a und b sind diese Arten von Rauschmessungen schematisch dargestellt.
In der Regel entscheiden Entwickler anhand der vorgesehenen Anwendung, welche Rauschmessmethode bei einem bestimmten ADU anzuwenden ist. Wenn es beispielsweise um Delta-Sigma-ADUs geht, die langsam veränderliche Signale wie Temperaturen oder Masse messen sollen, kommt der Test mit kurzgeschlossenen Eingängen zur Anwendung, da dieser die Leistungsfähigkeit bei Gleichspannung präzise misst.
Bei Delta-Sigma-ADUs für den Einsatz in schnellen Messsystemen wird dagegen üblicherweise auf die Sinus-Methode gesetzt, weil es hier auf die Leistungsfähigkeit bei Wechselspannung ankommt. Bei vielen ADUs sind im Datenblatt beide Messverfahren angegeben.
Zum Beispiel zeichnet sich der 24-bit-ADU ADS127L01 [6] von Texas Instruments durch eine hohe maximale Abtastrate von 512 kHz und ein breitbandiges Filter mit geringer Welligkeit im Durchlassbereich aus, was die Voraussetzungen für eine hochauflösende Abtastung von AC-Signalen in Prüf- und Messanwendungen bietet. Allerdings erfordern diese Anwendungen häufig auch eine präzise Messung des DC-Anteils des Signals. Aus diesem Grund charakterisiert Texas Instruments die Leistung des ADS127L01 nicht nur mit einer Reihe von AC-Eingangssignalen und mehreren Abtastraten, sondern stellt mithilfe des Tests bei kurzgeschlossenen Eingängen auch die DC-Leistung fest.
Studiert ein Entwickler das Datenblatt des ADS127L01 – oder das Datenblatt eines beliebigen anderen ADUs – so stellt er fest, dass das Rauschen auf zweierlei Art angegeben ist, nämlich in grafischer und numerischer Form. Bild 9 zeigt beispielsweise ein FFT-Messdiagramm der Rauscheigenschaften des ADS127L01 mit einer Sinuswelle am Eingang (Amplitude: –0,5 dBFS, Frequenz: 4 kHz). Aus diesem Diagramm lassen sich wichtige AC-Parameter entnehmen bzw. berechnen, wie zum Beispiel den Signal-Rauschabstand (SNR), den Gesamtklirrfaktor (THD), den Signal-Rauschabstand und die Verzerrungen (SINAD) und die effektive Anzahl von Bits (ENOB).
Bezüglich der DC-Eigenschaften gibt das Rausch-Histogramm die Verteilung der Ausgangswerte für eine bestimmte Kombination aus Verstärkungseinstellung, Filtertyp und Abtastrate an. Aus diesem Diagramm lassen sich wichtige Parameter zum DC-Rauschverhalten berechnen und ablesen, wie etwa das eingangsbezogene Rauschen, die effektive Auflösung und die rauschfreie Auflösung.
Hinweis: Viele Ingenieure verwenden die Begriffe »ENOB« und »effektive Auflösung« synonym, um die DC-Eigenschaften eines ADU zu beschreiben. Allerdings ist die ENOB-Angabe eine rein dynamische, vom SINAD-Wert abgeleitete Leistungs-Spezifikation und nicht dafür gedacht, eine Aussage über die DC-Eigenschaften zu machen. Im weiteren Verlauf dieses Artikels werden die Begriffe ihrer eigentlichen Bedeutung entsprechend verwendet. Umfassende Parameterdefinitionen und Gleichungen sind in der Tabelle 1 zusammengestellt.
Rauschparameter | Definition | Gleichung |
---|---|---|
Eingangsbezogenes Rauschen | Auflösung oder internes Rauschen des ADU – bei integrierten Schaltkreisen zuzüglich des Rauschens des Verstärkers (PGA – Programmable Gain Amplifier), spezifiziert als eine Rauschspannungsquelle an den Eingangs-Pins des ADUs vor der Verstärkung. | |
Effektive Auflösung [bit] | Dynamikbereichs-Kennzahl mit dem Verhältnis zwischen Bereichsendwert (FSR) und RMS-Rauschspannung zur Definition der Rauscheigenschaften eines ADUs. | |
Rauschfreie Auflösung [bit] | Dynamikbereichs-Kennzahl mit dem Verhältnis zwischen FSR und Spitze-Spitze-Rauschspannung zur Definition der maximalen Anzahl der vom Spitze-Spitze-Rauschen unbeeinflussten Bits. | |
Rauschfreie Stellen | Kennzahl zur Angabe der rauschfreien Stellen (Counts), die sich mit Rauschen realisieren lassen. | |
ENOB [bit] | Kennzahl, die die SINAD-Leistung zu der eines idealen ADUs mit einer bestimmten Anzahl von Bits – angegeben durch den ENOB-Wert – in Beziehung setzt. | |
SNR [dBc] | Verhältnis zwischen der Amplitude des Ausgangssignals und dem Pegel des Ausgangsrauschens – ohne Harmonische oder DC-Anteile. | |
THD [dBc] | Angabe der Linearität einer Schaltung im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf den Oberwellengehalt eines Signals, spezifiziert als das Verhältnis zwischen den aufsummierten Harmonischen und der RMS-Signalamplitude. | |
SINAD [dBc] | Verhältnis zwischen dem RMS-Wert des Ausgangssignals und dem RMS-Wert aller anderen spektralen Komponenten – ohne DC-Anteil. |
Ebenso wie das FFT-Messdiagramm stellt auch das Rausch-Histogramm (Bild 10) in grafischer Form wichtige Informationen über die DC-Rauscheigenschaften zur Verfügung. Da das Rausch-Histogramm eine gaußsche Normalverteilung aufweist, ist das mittlere Rauschen (RMS – Root Mean Square) typisch als eine Standardabweichung definiert – der rot markierte Bereich in Bild 11a.
In Bild 11b gibt der blau markierte Bereich die Spitze-Spitze-Rauscheigenschaften (UR,SS) des ADUs an. Das Spitze-Spitze-Rauschen beträgt infolge des Crestfaktors des gaußschen Rauschen 6 oder 6,6 Standardabweichungen. Der Crestfaktor ist das Verhältnis zwischen Spitzen- und Mittelwert.
Das Spitze-Spitze-Rauschen definiert die statistische Wahrscheinlichkeit, dass das gemessene Rauschen in diesen Bereich fällt. Wenn ein Eingangssignal in diesen Bereich fällt, kann es passieren, dass es im Grundrauschen untergeht, was zum so genannten Code Flicker führt. Zusätzliche Überabtastung trägt zur Reduzierung des Spitze-Spitze-Rauschens bei – wenn auch auf Kosten einer längeren Abtastzeit.
Die eben erwähnten AC- und DC-Spezifikationen finden sich auch in numerischer Form im Datenblatt eines jeden ADUs, im Abschnitt über die elektrischen Kenndaten. Eine Ausnahme von dieser Regel bilden ADUs mit integrierten Verstärkern, bei denen die Rauscheigenschaften je nach der Verstärkung und der Datenrate variieren. In solchen Fällen gibt es im Allgemeinen eine separate Rauschtabelle für Parameter wie das eingangsbezogene Rauschen (RMS oder Spitze-Spitze), die effektive Auflösung, die rauschfreie Auflösung, ENOB und SNR.
Eine Übersicht über die AC- und DC-Rauschparameter mit ihren Definitionen und Gleichungen finden Sie in Tabelle 1.
Ein wichtiges Merkmal aller in Tabelle 1 angegebenen Gleichungen ist, dass alle ein bestimmtes Werteverhältnis enthalten. Man bezeichnet diese deshalb als »relative« Parameter. Wie der Name schon sagt, geben diese Parameter eine Rauschangabe relativ zu einem Absolutwert an. Meist ist dies das Eingangssignal – Dezibel relativ zum Träger [dBc] oder der Bereichsendwert (Full Scale Range, FSR) also Dezibel relativ zu FS (dBFS).
Bild 12 zeigt ein Ausgangsspektrum des ADS127L01 mit einem Eingangssignal von –0,5 dBFS, wobei der Bereichsendwert 2,5 V ist. Wenn in der Schaltung ein Eingangssignal gewählt wird, das nicht auf dieselbe Vollausschlagsspannung bezogen ist, oder wenn die Amplitude des Eingangssignals von dem im Datenblatt definierten Wert abweicht, sollte nicht unbedingt die im Datenblatt angegebene Leistungsfähigkeit erwartet werden, auch wenn alle übrigen Eingangsbedingungen identisch sind.
Ebenso lässt sich bezüglich der DC-Rauschparameter aus Tabelle 1 entnehmen, dass die effektive Auflösung relativ zum eingangsbezogenen Rauschen des ADUs bei bestimmten Betriebsbedingungen sowie zum Bereichsendwert (FSR) des ADUs zu verstehen ist.
Da der Bereichsendwert von der Referenzspannung des ADU abhängt, wirkt es sich auf die Leistungswerte des ADUs aus, wenn die Referenzspannung in der Schaltung von dem im Datenblatt zugrunde gelegten Wert abweicht.
Bei hochauflösenden ADUs bewirkt ein Anheben der Referenzspannung eine Zunahme des maximalen eingangsseitigen Dynamikbereichs, wogegen sich das auf den Eingang bezogene Rauschen nicht verändert. Der Grund hierfür ist, dass die Rauscheigenschaften hochauflösender ADUs weitgehend unabhängig von der Referenzspannung sind.
Anders ist es bei niedrigauflösenden ADUs, bei denen das Rauschen von der Größe des LSB (Least Significant Bit) dominiert wird. Hier hat eine höhere Referenzspannung einen Anstieg des eingangsbezogenen Rauschens zur Folge, wobei der maximale Dynamikbereich am Eingang ungefähr gleich bleibt. Diese Effekte sind in Tabelle 2 zusammengefasst.
Referenzspannung | Parameter | niedrigauflösender ADU | hochauflösender ADU |
nimmt zu | Dynamikbereich | bleibt gleich | nimmt zu |
eingangsbezogenes Rauschen | nimmt zu | bleibt gleich | |
nimmt ab | Dynamikbereich | bleibt gleich | nimmt ab |
eingangsbezogenes Rauschen | nimmt ab | bleibt gleich |
Tabelle 2. Auswirkungen einer geänderten Referenzspannung auf die Rauschparameter eines ADUs. (Quelle: Texas Instruments)