Am 09. April öffnet die embedded world in Nürnberg ihre Tore. Gleichzeitig findet wie gewohnt die embedded world Conference im Messezentrum Ost statt – mit einem vollgepackten Programm an Themen. Mit dabei sind auch wieder Hardware-Themen, die auf großes Interesse stoßen dürften.
Herr Hense, im Bereich der Hardware steht oftmals Standardisierung gegenüber anbieterspezifischen Hardware-Applikationen. Wie sehen Sie das und worin liegen die Vorteile auf beiden Seiten?
Dr.-Ing. Bernd Hense: Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass eine immer weiter gehende Standardisierung bis in das Innere von Systemen für Firmen mit solitär geschützten Eigenlösungen eine potenzielle Geschäftsminderung darstellt. Denn hiermit sind Komponenten immer austauschbarer und damit ist dem Preiskampf Tür und Tor geöffnet. Dieser Preiskampf kann im ersten Moment gut für die Kunden sein, die gerade ein Projekt ins Kostenziel bringen sollen. Andererseits können Preiskämpfe auch dazu führen, dass bei den Anbietern langfristig weniger Luft für die Weiterentwicklung und wirkliche Neuentwicklung von Technologien bleibt. Aus diesem Grund beteiligen sich einige Embedded-Unternehmen erst gar nicht an der Standardisierung und entwickeln eigene, proprietäre Formfaktoren. Hiermit schaffen sie sich eine Nische und binden ihre Kunden langfristig an sich.
Warum beteiligen sich dennoch so viele Anbieter an den Standardisierungsaktivitäten wie PICMG, MIPI oder SGET, die bei dieser embedded world Conference gut ein Drittel des Programms im Bereich Hardware bestreiten?
Der Rückgriff auf standardisierte Schnittstellen und Architekturen bringt den Vorteil mit sich, dass sich Entwickler von Systemkomponenten auf das konzentrieren können, was ihre Stärken sind. Das Wissen und die Erfahrung von Generationen von Entwicklern vor ihnen ist in die Standards geflossen, so dass man hier auf Bewährtes bauen kann und keine Entwicklungs- und Wartungskapazitäten investieren muss. Gerade für kleinere Firmen und Start-ups mit einem scharfen technologischen Fokus bietet das Vorhandensein eines stabilen standardisierten Frameworks eine optimale Basis, ein großes Kundenfeld zu erreichen. Beispiele – auch im Bereich der Automobilelektronik – werden wir in unseren Vorträgen dazu sehen.
Bei welchen Themen gibt es sonst noch Bewegung in der Hardware?
Die Schwerpunkte der Weiterentwicklung folgen aus den Produkten, die wir alle erleben: Zunehmend mehr mobile Geräte, die mit der Umwelt drahtlos kommunizieren, zunehmend mehr äußere Signale wahrnehmen und bei kleiner Bauform möglichst lange laufen sollen. Übersetzt in die technische Lösung heißt das Low Power Design, Sensorik und drahtlose Übertragung von Daten und Energie. Und immer mehr dieser Geräte heißt auch immer mehr möglicherweise störender fremder Signale, die im Rahmen von EMV-verträglichem Design auszublenden sind. Zu allen Themen gibt es auch in diesem Jahr spannende Sessions und Classes.
Vor allem die PICMG mit ihrem neuen Hochleistungsstandard COM-HPC trägt viel zur Standardisierung von Hardware bei. Was können Besucher der Conference über die PICMG und ihre Standards erfahren?
Die PCI Computer Manufacturers Group – kurz PICMG – leistet seit über 20 Jahren einen wertvollen Beitrag zur Standardisierung von Computer-on-Modules (CoMs). In die Hände spielen der PICMG hier die Trends der Miniaturisierung, Energieeffizienz und Langlebigkeit. PICMG-Standards wie CompactPCI Serial werden heute noch von Herstellern produziert und es gibt Kundenprojekte, die diesen Standard seit über 20 Jahren im Einsatz haben und noch kein Modul tauschen mussten.
Auf der Conference hören wir Beiträge zu COM-HPC und COM-HPC Mini, dem neuesten Hochleistungsstandard im Scheckkartenformat und wie man den besten Standard für sein Embedded-Projekt auswählt. Hinzu kommen Anwendungsfälle aus Forschung und Industrie, zum Beispiel wie man Edge-KI auf offenen Standards wie COM-HPC umsetzt.
Aber das ist noch nicht alles, nehme ich an?
Sprechen wir über Standardisierung, darf natürlich MIPI nicht fehlen. Die MIPI Alliance leistet hier seit Jahren eine sehr wertvolle Arbeit. Auf der embedded world Conference werden wir viele Themen rund um MIPI besprechen, so haben wir zum Beispiel eine Session alleine für MIPI I3C reserviert. Aber auch MIPI CSI-2 wird ein Thema sein, denn auch hier gibt es noch einiges zu diskutieren, denken Sie nur an Anwendungsfälle rund um Machine Vision in industriellen Umgebungen.
Wie sieht es mit den Grundlagen zur Hardware-Entwicklung aus? Auf welche Themen können sich Entwickler hier freuen?
Möchten Embedded-Hardware-Entwickler ein neues Projekt starten, so stehen sie natürlich am Anfang vor einer großen To-do-Liste an Fragen, die sie beantworten müssen. Hier helfen zum Beispiel Standard-Hardware-Module, denn dann ist schon mal das Grundgerüst vorgegeben. Unterschiede gibt es dann herstellerspezifisch lediglich beim Prozessor oder dem Speicher.
Jedoch gibt es weitere Herausforderungen wie das Power Design, die Auslegung gemäß EMV-Kriterien sowie die Anforderungen an Wireless-Optionen. Gerade mit der zunehmenden Konnektivität und den immer höheren Anforderungen an Zertifizierungen und einzuhaltenden Richtlinien stellen sich hier neue Herausforderungen. Einige Anhaltspunkte geben wir in Session 5.6 Power, EMC an die Hand.
Auf welche Themen der Konferenz freuen Sie sich am meisten, Herr Dr.-Ing. Hense?
Ich denke, es sind alle Themen interessant. Aber gerade im Software-Bereich passiert im Moment sehr viel. Mit künstlicher Intelligenz ist sehr viel möglich, hier entstehen Applikationen, von denen wir vor 10 Jahren noch nicht zu träumen gewagt hätten. Und leistungsfähige Hardware ist die Voraussetzung für diese KI-Systeme. Außerdem freue ich mich sehr auf die beiden Keynotes von Dr. Salil Raje von AMD und Fiona Treacy von Analog Devices. Diese werden uns sehr inspirierenden Input über die Technologie der Zukunft geben.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr.-Ing. Hense.