Interview mit Andreas Lifvendahl

Software sorgt für Fortschritt bei Hardware

13. März 2024, 9:30 Uhr | Tobias Schlichtmeier
Andreas Lifvendahl ist neuer CEO bei Percepio.
© Percepio

Seit Januar ist Andreas Lifvendahl CEO bei Percepio. Das Unternehmen entwickelt Applikationen für Software-Debugging und Tracing. Warum das Thema Software auch im hart umkämpften Hardware-Markt an Bedeutung gewinnt und welchen Beitrag Percepio hier leistet, erfahren Sie im exklusiven Interview.

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Markt&Technik: Percepio verfolgt in letzter Zeit eine ehrgeizige Wachstumsstrategie – neuer CEO, strategische Partnerschaften, umfangreiche Produktaktualisierungen. Was dürfen wir für 2024 und die kommenden Jahre erwarten?

Andreas Lifvendahl: In der Tat durchläuft Percepio gegenwärtig eine Phase des Wandels. Nach Jahren eines kontinuierlichen, jedoch eher linearen Wachstumskurses sehen wir uns an einem Wendepunkt angekommen. Im Fokus steht dabei die Wertrealisierung. Percepio hat Tools für das Software-Monitoring und die Visualisierung komplexer Embedded-Systeme entwickelt. Diese geben Entwicklern wertvolle Einblicke und ermöglichen es ihnen, die Qualität ihrer Software weiter zu optimieren. Durch Ausweitung unserer Methodologie und Plattform können wir künftig den Produktlebenszyklus von Entwicklung und Testing bis zu Bereitstellung, Betrieb und Wartung ganzheitlich abdecken. Hiermit werden unsere Applikationen für eine größere Bandbreite an Anwendern relevant.

Branchenübergreifend registrieren wir ein wachsendes Interesse, da die Komplexität von Softwaresystemen explosionsartig zunimmt. Unsere unlängst angekündigte Partnerschaft mit Lynx Software Technologies ist hier ein Beispiel. Es hat sich herausgestellt, dass umfassende Beobachtbarkeit (Observability) entscheidend ist, um Innovationen bei komplexen Systemen weiter voranzutreiben.

Wie hat sich der Bedarf an Observability für Embedded-Software in den letzten Jahren verändert? Auf welche Marktentwicklungen oder Technologietrends reagiert Percepio?

Es ist geradezu ein »Perfect Storm« an Trends, der durchgängige Observability von Embedded-Systemen nötig macht. Die Komplexität der Systeme nimmt stetig zu: Verteilte Multithreading-Plattformen, Containerisierung, neue Sensoren sowie Kommunikationsprotokolle sind nur einige Beispiele hierfür. Zudem sind sie meist im IoT vernetzt, was Edge-Computing-Funktionen erfordert. Aufgrund der Vernetzung ist die Anfälligkeit für Cyber-Angriffe groß. Gerade bei IoT-Produkten ist die Embedded-Software oft ein wesentlicher Bestandteil des Geschäftsmodells des Anbieters. Echtzeiteinblicke und laufende Updates sind damit nicht nur für die Qualität, sondern auch die Vermarktung solcher Produkte entscheidend.

Auf der Entwicklerseite sehen wir eine Generation, die verstärkte Abstraktion bevorzugt. Die zugrunde liegende Komplexität der Systeme bleibt dabei oft verborgen. Der Ansatz funktioniert lediglich so lange, bis Probleme oder Angriffe auftreten. Hinzu kommt der Trend zu Continuous Integration/Testing (CI/CT), der die klaren Trennlinien zwischen den verschiedenen Phasen der Produktentwicklung verwischt. Sprich: Die Entwicklung hört nie auf. Zudem spielen Big Data oder Machine-Learning eine wichtige Rolle. Observability und Visualisierung sind letztlich zwei Seiten derselben Medaille: Observability schärft die Sicht, Visualisierung das Verständnis von Problemen. In Anlehnung an unseren Firmennamen könnte man sagen, dass Entwickler sowohl Wahrnehmung (Perception) als auch Erkennung (Cognition) benötigen.

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Tracealyzer
Mit Tracealyzer gewinnen Embedded-Software-Entwickler tiefe Einblicke in das Echtzeitverhalten ihres Codes. Dadurch können sie Softwarefehler schneller finden, die Qualität optimieren oder das Timing überprüfen.
© Percepio

Für wie wichtig würden Sie Observability angesichts der zunehmenden Komplexität von Geräten und Software einstufen?

Ich würde sagen, Observability ist von kritischer bis sehr kritischer Bedeutung. Um ein Beispiel zu nennen: Mit der Entwicklung von DevOps zu DevSecOps hat sich der Fokus erweitert; neben Bugs und Hardware-Problemen müssen wir jetzt auch böswillige Angriffe berücksichtigen. In all diesen Fällen ist Zeit der entscheidende Faktor – je schneller die Grundursache identifiziert wird, desto effizienter die Schadensbegrenzung. Wie bereits angedeutet, basieren Geschäftsmodelle heute oft auf Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit und laufenden Updates. Bei sicherheitsrelevanten Systemen diktieren zudem gesetzliche Vorgaben oft eine Kultur des ständigen Informiertseins.

Zusätzlich zum Flaggschiff-Produkt »Tracealyzer« bietet Percepio neuerdings »Dev­Alert« an. Welche Konsequenzen ergeben sich für Kunden, die der Entwicklungsumgebung von Percepio folgen möchten, und welche Synergien sehen Sie zwischen den beiden Produkten?

Die Tools fügen sich nahtlos in End-to-End-Software-Observability und -Visualisierung ein und können separat oder zusammen genutzt werden. Während Tracealyzer dank der tiefen Observability, die das Tool bietet, Software-Entwicklern dabei hilft, die Effizienz und Zuverlässigkeit ihres Codes zu verbessern, erweitert DevAlert die Observability-Perspektive auf Geräte im Feldeinsatz. Zusammen angewendet bieten die beiden Tools eine einzigartige CI/CT-Applikation. Unsere Tools und Methodologie verbinden nicht nur den Entwickler am Desktop mit den Geräten im Feld. Sie ermöglichen und erleichtern auch die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Teams und Unternehmensfunktionen. So bieten wir aus technischer Sicht tiefe Observability sowie eine organisatorisch breite Observability über alle Funktionen hinweg. Designer, Entwickler, Tester oder Produkt- und Vertriebsverantwortliche erhalten alle die gleichen Daten und Erkenntnisse.

DevAlert
Percepio DevAlert sorgt für umfassende Observability von Software-Anomalien in Edge-Geräten im großflächigen Einsatz, wobei das Dashboard (oben links) einen Überblick und den einfachen Zugriff auf Debugging-Informationen wie etwa Core-Dumps (unten links) und System-Traces (rechts) liefert.
© Percepio

Welche Bereiche bieten die besten Wachstumschancen für die nächsten Jahre?

Generell steigt der Wert unserer Tools mit den Fehlerkosten. Entsprechend liegt hier unser größtes Wachstumspotenzial. Hohe Ausfallkosten lassen sich nach zwei Dimensionen unterteilen: Volumen – wie etwa bei großen Flotten von IoT-Geräten –, außerdem Sicherheitsrelevanz, wie in Medizintechnik, Automotive, Luft- und Raumfahrt oder Verteidigung. Hier gehen die Ausfallkosten oft über den finanziellen Wert hinaus.

Welche Talente, Infrastrukturen oder andere Ressourcen sind für eine schnelle Skalierung wichtig? Wo liegen die größten Herausforderungen?

Starke Partnerschaften sind als Katalysatoren und für Hebelwirkungen entscheidend. Die Kooperation mit Lynx Software Technologies ist ein gutes Beispiel. Wertvoll sind zudem innovative Kunden, die Tracealyzer und DevAlert bereits durchgängig im gesamten Produktlebenszyklus nutzen. Die Erkenntnisse, die wir von ihnen gewinnen, zeigen uns, welche Talente, Fachkenntnisse und Ressourcen wir für weiteres Wachstum benötigen.

Sie unterhalten Partnerschaften mit großen Unternehmen wie Arm, AWS, Lynx oder Renesas. Wie zahlen sich diese für Percepio aus?

Die Partnerschaften sind essenziell und ihre Bedeutung wächst – im Vergleich zu diesen Partnern sind wir ein kleiner Player. Aber wir liefern einen Puzzlestein, um den vollen Wert ihrer Innovationen auszuschöpfen. Ich sehe Software als Hebel für Fortschritt in der Hardware-Entwicklung. Beispielsweise benötigen neue Hardwarefunktionen für mehr Sicherheit strukturierte Echtzeit-Observability, um ihren Wert voll zu entfalten.

Was begeistert Sie am meisten an der Zukunft von Percepio und dem Markt für Embedded-Observability? Wie sehen Sie die weitere Entwicklung?

Ganz transparent kann ich hierauf nicht antworten, aber lassen Sie es mich so ausdrücken: Unsere heutigen Produkte Tracealyzer und DevAlert sind Mittel zum Zweck, nicht unser Endziel. KI spielt eine zunehmend wichtige Rolle in der Embedded-Branche. Das macht die Entwicklung von Produkten und Software effizienter, verdunkelt aber gleichzeitig den Blick auf die tatsächlichen Vorgänge und die Ursache von Problemen. Bei IoT-Geräteflotten könnte ein KI-Wettrüsten zwischen Angriffen und Schutzmaßnahmen entstehen. Hier kann Percepio durch Echtzeit-Einblicke einen entscheidenden Beitrag leisten.

Welchen Einfluss hat KI heute auf die Software-Entwicklung und welche Rolle spielt KI in den kommenden Jahren?

KI-Produkte wie Microsoft Copilot beschleunigen bereits heute das Entwickeln von Software, indem sie geeignete Codeschnipsel vorschlagen. Aber das Schreiben von Code ist ein relativ kleiner Teil der Software-Entwicklung. Test und Debugging beanspruchen weitaus mehr Aufwand und sind oft ineffektiv. So werden Produkte mit Fehlern und Schwachstellen ausgeliefert. Eine universelle Debugging-KI ist sehr schwierig umsetzbar, jedoch erwarte ich hier in den nächsten Jahren Fortschritte.

Sehen wir uns auf der embedded world 2024? Und wie fühlt es sich an, wieder in der Branche zu sein?

Ich werde definitiv dabei sein und freue mich sehr, die Branche wieder persönlich zu treffen. Unsere Produkte sind im Zephyr-Pavillon ausgestellt. Ich möchte jeden einladen, sich unsere Innovationen für mehr Produktivität und Qualität bei der Software-Entwicklung dort anzusehen.


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