Spezialklebstoffe für die Elektronik

Vielfältige Funktionalität – nachhaltige Prozesse

27. Juni 2023, 7:15 Uhr | Heinz Arnold
Der Hauptsitz von Delo in Windach
© Tomoko Nagakawa/Delo

Elektronik braucht Klebstoffe – und zwar ganz besondere. Je ausgeklügelter die Geräte werden, umso mehr wächst der Bedarf an diesen Spezialmaterialien. Mit interdisziplinärer Forschung und eigener Firmenkultur ist Delo damit zum Weltmarktführer aufgestiegen – ganz ohne Zukäufe.

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»Wir forschen und entwickeln mit Leidenschaft. Dabei schauen wir über den Tellerrand einzelner Disziplinen weit hinaus und geben unser Wissen im Rahmen von langfristigen Partnerschaften an unsere Kunden weiter. Das erfordert eine offene Struktur und eine eigene Firmenkultur!« So erklärt Dr. Karl Bitzer, Geschäftsführer von Delo, sein Unternehmen. Dass das Unternehmen damit rasant gewachsen ist, allein von 2015 bis 2022 von 74 auf über 182 Mio. Euro. Das steht für Bitzer gar nicht im Vordergrund, »das ist einfach eine Folge unserer Strategie«, meint er lapidar. Doch was zur Wachstumsgeschichte dazu gehört: Delo forscht genau auf den richtigen Gebieten. Denn ohne Klebstoffe könnte kaum ein elektronisches Gerät funktionieren; je fortschrittlicher die Technik, je ausgeklügelter und miniaturisierter die Geräte, umso vielfältigere und umso speziellere Klebstofftypen werden benötigt.

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Dr. Karl Bitzer, Geschäftsführer von Delo: »Es kommt nicht nur auf die Klebstoffe selbst an; das Dosierverfahren ist enorm wichtig, damit sie effektiv und schnell aufgebracht werden können.«
© Tomoko Nagakawa/Delo

Doch selbst für den, der sich gut in der Elektronik auskennt, dürfte überraschend sein, dass es sich dabei nicht um Allerweltsprodukte handelt, mit denen bei Bedarf eine Baugruppe vergossen oder ein Chip auf die Leiterplatte gepappt wird. Vielmehr geht es um ausgefeilte Spezialchemikalien, die vielerlei Funktionen erfüllen müssen, sowohl um den vielfältigen Anforderungen der jeweiligen Endprodukte gewachsen zu sein als auch zu ermöglichen, dass sie sich schnell, kosteneffektiv und nachhaltig fertigen lassen.

Dazu nur ein kurzes Beispiel: Rund 8 Milliarden Chipkarten werden derzeit pro Jahr auf der Welt hergestellt. »Jede einzelne enthält einen IC, und dieser IC sowie jede Karte müssen verklebt werden. Wir liefern die Klebstoffe, die genau die Anforderungen erfüllen, die die Anwender erwarten«, sagt Karl Bitzer.

Dass er nicht übertreibt, zeigt der Weltmarktanteil, den Delo sich im Bereich der Chipkarten erobert hat: »Wir kommen auf nicht weniger als 70 bis 75 Prozent, Sie werden also mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Chipkarte bei sich haben, in der einer unserer Klebstoffe zu finden ist.«

Als weltweit führend sieht er Delo darüber hinaus auf den Gebieten der Klebstoffe für RFIDs und für einige Klebestellen bei Radar- und Lidar-Sensoren im Auto. Das Gleiche gilt für kleine Lautsprecher, die unter anderem in Smartphones Einsatz finden, und für Kameras; hier stellt Delo auch die optischen Materialien für Linsen mit ganz bestimmten Brechungsindizes her.

Damit ist der Chemie-Spezialist mit Sitz in Windach bei Landsberg/Lech und seinen weltweit rund 1000 Mitarbeitern das, was hierzulande gerne als ein »Hidden Champion« bezeichnet wird: Ein Mittelständler in Privatbesitz, der für ganz bestimmte Marktsektoren hochinnovative Produkte entwickelt und fertigt, die aber die Weltmärkte in diesen Sektoren dominieren. Diese Produkte sind meist so speziell, dass nur Experten verstehen, um was es tatsächlich geht. Doch sind selbst dem Laien die Geräte, in denen die Klebstoffe von Delo verbaut sind, sehr gut bekannt: von Autos, Industriemaschinen, Küchengeräten über Unterhaltungselektronik und Smartphones bis hin zu den erwähnten Chipkarten. Ohne die speziellen Klebstoffe, die Delo entwickelt und am Standort in Windach produziert, könnten diese Geräte, die wir täglich im beruflichen und privaten Umfeld nutzen, nicht so funktionieren: Auffallen würde es also auch dem Laien sofort, wenn die ihm bisher unbekannten Klebstoffe plötzlich fehlen würden.

Zwar entwickelt und produziert Delo die Klebstoffe für ganz unterschiedliche Märkte, doch tragen die Automobil- und die Halbleiterindustrie sowie die Unterhaltungselektronik einen erheblichen Teil zum Umsatz bei.

»Und einen schnell wachsenden«, freut sich Karl Bitzer. Dabei ist oft gar nicht klar, ob eine bestimmte Chemikalie in den Marktsektor Elektronik wandert oder nicht. »Deshalb kategorisieren wir unsere Klebstoffe und Materialien eher nach ihren Funktionen; den Absatzmarkt Elektronik können wir so gar nicht so genau definieren«, erklärt Bitzer.

Jedenfalls ist Delo überall dort auf der Welt vertreten, wo sich die Elektronikindustrie konzentriert, um möglichst nahe bei den Kunden zu sein: Niederlassungen arbeiten in den USA, in Japan, in Taiwan, in China und in Südkorea. Zu den Kunden zählen Chiphersteller genauso wie die Hersteller von Subsystemen, beispielsweise Automotive-Zulieferer, EMS-Unternehmen, die im Auftrag fertigen, bis zu den OEMs sowie Startups und Mittelständlern, die die Endprodukte entwickeln und vertreiben. Der Anteil des Umsatzes, den Delo außerhalb Deutschlands erwirtschaftet, liegt derzeit bei 80 Prozent; 50 Prozent entfallen allein auf Asien, wo auch viele deutsche Unternehmen fertigen lassen. Die Materialien produziert Delo ausschließlich in Windach.

Tomoko Nagakawa/Delo
Das Dosierventil »Delo-DOT PN5« zeichnet sich durch eine Dauer-Dosierfrequenz von bis zu 300 Hz und einen werkzeuglosen Düsenwechsel per Bajonettverschluss aus.
© Tomoko Nagakawa/Delo

Es hat sich also weltweit herumgesprochen, dass Delo ein innovatives Unternehmen ist. So hatte Apple anlässlich seiner Milliardeninvestition in München 2021 Delo ausdrücklich erwähnt und erklärt, dass es zu den wichtigen Partnern von Apple gehört, mit denen es in der Region zusammenarbeitet.

Dabei kommt dem Unternehmen entgegen, dass viele schnell wachsende Sektoren der Elektronikindustrie dringend auf diese Klebstoffe angewiesen sind. Neue Packaging-Techniken, bei denen mehrere ICs in ein einziges Gehäuse integriert werden, tragen genauso dazu bei wie die Chips, die über ihre Lötverbindungen hinaus fest mit der Leiterplatte verbunden werden müssen oder wie ganze Baugruppen, die die Klebstoffe zuverlässig vor Umwelteinflüssen schützen. Ganz neu entstehende Marktsektoren wie Smart Glasses sorgen zudem für interessante Wachstumsperspektiven.

Doch was macht Delo im Umfeld der Elektronik genau? Ein Bereich umfasst die Vergussmassen. Damit können ganze Baugruppen über den großvolumigen Vollverguss geschützt werden oder nur bestimmte Bauelemente auf der Leiterplatte. Die Klebstoffe unterscheiden sich in vielen Aspekten, je nachdem, wo und zu welchem Zweck sie eingesetzt werden. Sie können aus einer oder zwei Komponenten bestehen; die Aushärtung geschieht unter anderem über Wärme oder über UV-Licht. Häufig werden auch zwei Aushärtungsmöglichkeiten kombiniert. Es kommt darauf an, wie schnell sie aushärten, wie lang also der Fertigungsprozess dauern darf, welchen Temperaturen sie im Feld ausgesetzt sind, welchen Medien sie widerstehen, ob sie transparent sein sollen oder nicht, ob sie halogenfrei und ausgasungsarm sein sollen – und vieles mehr.

Es ist also offensichtlich, dass all diese Materialien und die zugehörigen Verarbeitungsprozesse sehr genau auf die jeweiligen Anforderungen zugeschnitten werden müssen. »Deshalb sind unsere Produkte praktisch zu 100 Prozent anwendungsspezifisch«, erklärt Bitzer. Den Entwicklern von Delo, die in großzügig angelegten Labors in fast neuen Gebäuden interdisziplinär arbeiten, wird so schnell die Arbeit also nicht ausgehen. Welchen Stellenwert Delo der Forschung und Entwicklung beimisst, zeigt der hohe Investitions-Anteil: Mit 15 Prozent des Umsatzes liegt er weit über dem Durchschnitt der Industrie, ungefähr auf dem Niveau, das die forschungsintensive Halbleiterindustrie für F&E aufwendet.


  1. Vielfältige Funktionalität – nachhaltige Prozesse
  2. »Miniaturisierung ist unser Markenzeichen«

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