Spezialklebstoffe für die Elektronik

Vielfältige Funktionalität – nachhaltige Prozesse

27. Juni 2023, 7:15 Uhr | Heinz Arnold
Diesen Artikel anhören

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

»Miniaturisierung ist unser Markenzeichen«

Eine wichtige Produktgruppe sind die Klebstoffe, die als »Underfill« eingesetzt werden, um große Chips verlässlich auf der Leiterplatte zu befestigen. Die Klebstoffe müssen so ausgelegt sein, dass sie aufgrund der Kapillarwirkung schnell unter die BGAs zwischen die Lötbällchen wandern und die Fläche darunter homogen ausfüllen, um die IC-Gehäuse zusätzlich zu den Lötverbindungen verlässlich mit der Leiterplatte zu verbinden – sobald sie ausgehärtet sind.

Voraussetzung dafür ist, dass der Klebstoff an die richtige Stelle in exakt der richtigen Menge dosiert wird.

Für die Verstärkung von Lotverbindungen auf Chips haben Anwender auch Alternativen zum kompletten Underfill. So können die Chips nur an den Ecken (Cornerfill) mit Klebstoff unterspritzt oder an den Rändern der Ecken (Edgebond) verstärkt werden. Dadurch kann etwa Material gespart und die Produktionsgeschwindigkeit erhöht werden.

Eine weitere Herausforderung: Bestimmte Bauelemente dürfen gerade nicht mit einer Schutzschicht versehen werden wie etwa Sensoren. »Selektive Beschichtung« ist hier das Stichwort. Dazu müssen beispielsweise Materialien verwendet werde, die sich einfach wieder entfernen lassen.

Durchgehend gilt dabei: »Das Dispense-Verfahren ist enorm wichtig, damit die Klebstoffe effektiv und schnell aufgebracht werden können, deshalb entwickeln wir nicht nur die Klebstoffe selbst, sondern darauf abgestimmt auch sogenannte Jetter, also Mikrodosierventile, die genau den benötigten Tropfen auf die Leiterplatte an den Chip setzen«, erklärt Bitzer. Um welche Mengen es hier geht, zeigt ein weiteres Beispiel: 1 Liter Klebstoff reicht aus, um 40 Millionen RFID-Chips zu verarbeiten.

Tomoko Nagakawa/Delo
Ohne Klebstoffe mit vielfältigen Funktionen könnte eine Smartwatch nicht funktionieren.
© Tomoko Nagakawa/Delo

Dazu sind also ausgefeilte Techniken erforderlich. So hat Delo kürzlich das pneumatische Mikrodosierventil Delo-DOT PN5 vorgestellt, mit einer Dauer-Dosierfrequenz von bis zu 300 Hz und sehr gut reproduzierbaren Dosierergebnissen, auch bei anspruchsvollen Medien. Die Stößelgeschwindigkeit erreicht die doppelte Maximalleistung des Vorgängers Delo-DOT PN3. Der Auftrag erfolgt dabei kontaktlos, wodurch eine Kollision von Dosierventil und Bauteil verhindert wird. Auch hochviskose Materialien lassen sich mit Delo-DOT PN5 präzise und zuverlässig dosieren.

Der einfache Ausbau der Fluidik per Bajonettverschluss macht Sonderwerkzeug überflüssig. Das kompakte Steuergerät ist für den Einsatz in SPS-betriebenen Anlagen platzsparend konzipiert. Als SPS-Alternative bietet Delo den Anwendern die Möglichkeit, mit einem leistungsstarken Taktgenerator – Delo-DOT pilot 1i oder T – unabhängig von der eigenen SPS-Leistungsfähigkeit und zuverlässig schnellste Dosierzyklen zu erzeugen.

Was für die Jetter gilt, trifft ganz ähnlich auch auf die Geräte zu, die den Klebstoff mithilfe von UV-Licht aushärten. Wiederum kommt es auf die gesamte Prozesskette an; die Materialien und die UV-Lampen müssen aufeinander abgestimmt sein, weshalb Delo auch diese Lampen in eigener Regie entwickelt. Ziel ist es, einen möglichst hohen Durchsatz zu erreichen, also den Klebstoff möglichst schnell aufzubringen und aushärten zu lassen. Gleichzeitig müssen die Komponenten, beispielsweise die Linsen einer Kamera, hochgenau positioniert werden. Dabei werden oft zwei verschiedene Wellenlängen, etwa 365 und 400 nm, verwendet, um den Klebstoff zunächst über die eine Wellenlängen-Frequenz vorzuaktivieren und dann mit einer zweiten Wellenlänge endgültig auszuhärten.

»Damit erreichen wir sehr hohe Zuverlässigkeit, hohe Qualität, schnelle Prozesse, also einen hohen Durchsatz und damit eine niedrige Cost of Ownership«, so Bitzer. »Die Kunden kaufen Prozesswissen, das wir über die eigene Maschinenentwicklung gewinnen.« Dann können sie die Prozesse auf ihre eigenen Linien transferieren oder aber auch Maschinen von Drittanbietern kaufen, mit denen Delo in Partnerschaften zusammenarbeitet.

Tomoko Nagakawa/Delo
Blick in eines der F&E-Labore von Delo in Windach
© Tomoko Nagakawa/Delo

Was zudem immer wichtiger werde: »Mit unseren neuen Prozessen können wir die Nachhaltigkeit in den Fertigungen unserer Kunden deutlich steigern. Über die Voraktivierung und Aushärtung mit UV-Licht können die Hersteller die bisher erforderlichen Öfen einsparen und damit ihren CO2-Ausstoß sowie den Energieverbrauch verringern. Unsere Technologien helfen ihnen, ihre Umweltziele zu erreichen.«

Dass die Forschung und Entwicklung daran in angenehmer Atmosphäre in großzügig angelegten, modernen Gebäuden auf dem Firmengelände bei Windach geschieht, zeigt ein Rundgang durch das Unternehmen. Die Architektur ist auf Transparenz ausgelegt und soll die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Mitarbeitern fördern. Die Ingenieure und Entwickler kommen aus unterschiedlichen Fachgebieten, Physiker und Chemiker tummeln sich dort genauso wie Optiker und Elektrotechniker.

Denn für die Entwicklung der Klebstoffe, die Entwicklung der Geräte wie Dosierventile und UV-Lampen und die Kombination der beiden sind sehr unterschiedliche Fähigkeiten erforderlich, die bei Delo zusammenkommen müssen, um die Prozesse anbieten zu können, die sie für ihre Geräte jeweils brauchen.

Ein interessantes Beispiel dafür sind die Smart Glasses, insbesondere die Augmented-Reality-Brillen (AR). Noch ist das ein überschaubarer Markt mit geringen Stückzahlen, doch die AR-Brillen sollen demnächst schon die Smartphones in vielen Bereichen ersetzen und in riesigen Stückzahlen verkauft werden. Um diese Brillen realisieren zu können, sind die unterschiedlichsten Techniken erforderlich. Es kommt darauf an, die einzelnen Funktionseinheiten noch einmal stark zu miniaturisieren, sodass sie in die Bügel der Brillen passen, die nicht so klobig wie Virtual-Reality-Brillen aussehen dürfen, sondern so leicht und elegant sein müssen wie heutige Sonnenbrillen. 

Viele der neusten Technologien sind dafür erforderlich. Dazu zählen das Advanced Packaging für die Chips, die allein schon wie oben beschrieben ausgeklügelte Klebstoffe benötigen. Die optischen Module enthalten ebenfalls diese Chips, darüber hinaus optische Elemente, die exakt zueinander ausgerichtet sein müssen. Für das Alignment von Laser-Beam-Scannern beispielsweise sind wiederum die neusten Klebstoffe und Verarbeitungsprozesse erforderlich. Um das Licht in die Brillengläser einzukoppeln, sind oft weitere optische Komponenten erforderlich, für deren Fertigung das Gleiche gilt. Auf den Gläsern selber müssen Bereiche mit winzigen Strukturen im Nanobereich realisiert werden, die das Licht erst ein- und dann aus dem Glas auskoppeln, sodass der Betrachter es wahrnehmen kann.

Diese sogenannten Waveguides beugen das Licht oder reflektieren es, teilweise befinden sich die Verfahren noch in der Entwicklung. Das Schöne für Delo: Unabhängig davon, um welchen Typ von Waveguide es sich handelt, immer neue spezielle Materialien des Unternehmens werden dafür benötigt. Weil das für sämtliche unterschiedliche Funktionseinheiten der AR-Brillen gilt, tut sich ein ganz neuer, vielversprechender Markt auf. An den dafür benötigten Materialien arbeiten die Ingenieure bereits eifrig. Damit sind die AR-Brillen ein gutes Beispiel dafür, wie die unterschiedlichsten Disziplinen bis hin zur Optik und Akustik (für die Lautsprecher) zusammenwachsen werden, welche Schlüsselrolle den Klebstoffen dabei zukommt und welchen Beitrag sie zur weiteren Miniaturisierung Geräte leisten.

»Miniaturisierung ist unser Markenzeichen«, erklärt Bitzer. »Wir tun alles, um kleine Strukturen zu verstehen und auf dieser Basis neue Materialien und Prozesse umsetzen zu können.« 


  1. Vielfältige Funktionalität – nachhaltige Prozesse
  2. »Miniaturisierung ist unser Markenzeichen«

Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu DELO Industrie Klebstoffe

Weitere Artikel zu Elektronikfertigung