Bis vor Kurzem schien es klar: microLEDs bilden die vielversprechendste Technik, um Displays für Augmented-Reality-Brillen zu realisieren. Jetzt schiebt sich eine alternative Technologie in den Vordergrund.
Das Technologie-Rennen um die beste Display- Technologie für AR-Brillen, die in einigen Jahren die Smartphones mit ihrem Multimilliarden-Dollarumsatz ablösen sollen, wird wieder offener.
Unternehmen wie Apple, Google, Meta und viele weitere Smartphone-Hersteller sind überzeugt, dass im Zeitalter des Metaversums Augmented-Reality-Brillen die Smartphones ablösen werden. Während VR-Brillen den Nutzern erlauben, vollständig in die virtuelle Welt abzutauchen, ermöglichen AR-Brillen die Überlagerung virtueller Information mit der realen Umgebung. Deshalb schotten VR-Brillen den Betrachter komplett von der realen Welt ab, während AR-Brillen maximal transparent sein sollen. Das hat weitreichende Folgen für die technischen Ansprüche an AR-Brillen im Unterschied zu VR-Brillen, insbesondere was die erforderliche Helligkeitsdynamik und den Kontrast der Displays angeht.
Auf den ersten Blick sicherlich überraschend: Die AR-Brillen für den Privatbereich verlangen nach den bei Weitem ausgeklügeltsten Display-Techniken – noch ausgefeilter, als sich das die erwähnten Hersteller noch vor wenigen Jahren gedacht hätten. Denn sie haben für diese Brillen auf eine Technik gesetzt, die heute noch als die vielversprechendste gilt: microLEDs.
Sicherlich haben microLEDs für viele Einsatzgebiete ihre Berechtigung und werden sich Marktsektoren erobern. Doch im Moment scheint sich die Einsicht durchzusetzen, dass sie, was ihren Einsatz in AR-Brillen angeht, doch mit zu viel Vorschusslorbeeren versehen wurden. Produkteinführungen von AR-Brillen verschieben sich zumindest nach hinten, offenbar, weil geeignete microLEDs auf sich warten lassen. Könnten Milliarden von Dollar in die falsche Technik geflossen sein?
Zwei Startup-Firmen im deutschsprachigen Raum gehen davon aus. Sie setzen auf Laser-Beam-Scanning, kurz: LBS. Doch bevor die Technik näher erklärt wird, zunächst ein Blick darauf, warum gerade die AR-Brillen die höchsten Anforderungen an die Technik stellen: Augmented-Reality-Brillen zeigen dem Betrachter – wie von herkömmlichen Brillen gewohnt – die reale Umgebung, blenden ihm aber bei Bedarf zusätzliche Informationen ins Sichtfeld ein. Das können Informationen zur Reparatur einer Anlage sein oder die Wegbeschreibung beim Fahrradfahren.
Anders, als er es von einer Virtual-Reality-Brille (VR) erwartet, will der Nutzer also nicht in virtuelle Welten abtauchen, sondern »nur« Zusatzinformationen sehen – und zwar nur bei Bedarf, das aber sowohl im beruflichen wie im privaten Umfeld. Diese Consumer-AR-Brillen sollen also in Alltagssituationen getragen werden.
Die Hersteller müssen deshalb die erforderliche Hardware für die bildgebenden Verfahren auf kleinsten Raum zusammenpressen, damit sie Platz im Brillenbügel findet. Sie darf zudem nur wenig Leistung aufnehmen, denn die Brille muss »always on« sein – für einen Tag und nicht nur für eine Stunde. Das virtuelle Bild muss hell genug sein, um nicht nur in geschlossenen Räumen, sondern auch im Freien unter direkter Sonneneinstrahlung bequem gelesen werden zu können. Zudem muss die virtuelle Information immer im Sichtfeld des Betrachters liegen, es darf nicht passieren, dass er daran vorbeischaut. Wenn aber keine Zusatzinformation gefragt ist, muss die Brille vollkommen transparent sein.
Um die Hardware zu realisieren, gibt es verschiedene Ansätze. Erste Brillen, die mit Liquid-Crystal-on-Silicon-Technik (LCoS) arbeiten, gibt es bereits. Allerdings sind die Bilder nicht hell genug, um die Anforderungen der Consumer-AR-Brillen erfüllen zu können. Entweder sind sie zu groß, zu schwer und nehmen zu viel Energie auf oder sie liefern eine nicht ausreichende Helligkeit, um am Tag die Inhalte zu sehen.
LCOS gehört zu den subtraktiven Display-Techniken, bei denen die LED-Lichtquellen unabhängig vom darzustellenden Inhalt stets maximale Leistung abgeben und alles nicht benötigte Licht absorbiert wird. Davon verschieden sind die additiven, Panel-basierten Techniken OLED und microLED. Licht wird nur dort erzeugt, wo benötigt, gemäß der darzustellenden Information. Doch bei näherer Betrachtung weisen auch die OLEDs, was die Helligkeit betrifft, entscheidende Nachteile auf; für Consumer-AR-Brillen sind sie deshalb nach heutigem Stand eher nicht geeignet und eignen sich eher für VR-Brillen.
Auch die bereits angesprochenen microLEDs haben, wie sich mehr und mehr herausstellt, ebenfalls ein Helligkeitsproblem: Sie liefern nicht genügend Helligkeit pro Pixel. Noch dazu, wenn die Pixel immer kleiner werden sollen: auf 1 bis 2 µm sollten sie mindestens kommen, besser auf unter 1 µm. Das erfordert dann aber Fertigungstechniken, die noch lange nicht erhältlich sind – und ob überhaupt jemals das Kostenniveau für Consumer-Produkte erreicht werden kann, ist derzeit offen.
Dem würde der britische Hersteller Porotec widersprechen, denn das Unternehmen hat ein eigenes Verfahren entwickelt, das verspricht, deutlich leistungsfähigere microLEDs zu Konsumgüter-kompatiblen Kosten produzieren zu können (siehe Kasten).
Währenddessen schiebt sich eine bisher eher weniger beachtete alternative Technik in den Vordergrund: Laser-Beam-Scanning. Dazu erzeugen rote, blaue und grüne Laserdioden Lichtstrahlen, die über eine Optik vereint und auf einen oder zwei MEMS-Spiegel geworfen werden, die für die x- und y-Auslenkung zuständig sind und den Lichtstrahl in den »Waveguide«, welcher sich im Brillenglas befindet, schicken. Von dort gelangt das eingeblendete virtuelle Bild ins Auge des Betrachters.
In Europa gibt es zwei Startup-Unternehmen, die sich als weltweit führend auf dem Gebiet der LBS-Technik betrachten: OQmented und TriLite. Sowohl Ulrich Hofmann, CEO und Mitgründer von OQmented, als auch Dr. Peter Weigand, CEO von TriLite, sind überzeugt, dass der LBS-Technik in virtuellen Brillen die Zukunft gehört.
»Die Panel-basierte Bildwiedergabetechnik, die auf realen LEDs, Laserdioden oder DLPs aufbaut, führt im Falle der AR-Brillen zu eklatanten Nachteilen – egal ob es sich um die Liquid-Crystal-on Silicon(LCoS-) oder die bis vor Kurzem so gehypte microLED-Technik handelt«, sagt Peter Weigand.
Ulrich Hofmann ist sogar überzeugt: »Für echte Consumer-AR-Brillen wird es microLEDs, egal auf welchem Technologieansatz sie basieren, nicht als Display-Lösung geben. Sie skalieren einfach nicht und bleiben zu teuer.« Auch wenn sie grundsätzlich darin übereinstimmen, dass LBS die Zukunft für AR-Brillen gehört, so sind sie doch naturgemäß etwas unterschiedlicher Meinung darüber, wie die Technik genau umzusetzen ist.
TriLite hat mit dem »Trixel 3« ein auf die kostengünstige Fertigung optimiertes LBS-Modul vorgestellt, das ein Volumen von unter 1 cm3 einnimmt. Das Startup hat sich auf die Entwicklung der Optik spezialisiert, vor allem auf den Combiner, der die RGB-Strahlen der drei Laser-LEDs innerhalb des LBS übernimmt, der den Strahl auf den Spiegel lenkt. Diesen MEMS-Spiegel könnten mehrere Hersteller fertigen, wenn sie die von TriLite entwickelten Spezifikationen einhalten, so Weigand: »Unsere Strategie beruht auf dem klaren Wunsch unserer Kunden, so viele Standardkomponenten wie möglich einzusetzen, um für die Volumenproduktion gerüstet zu sein.«