Gedruckte Elektronik in Europa

Abseits der Massen­produktion

10. März 2020, 13:22 Uhr | Engelbert Hopf
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Spezifische Marktsegmente

Markt&Technik
Dr. Martin Krebs, Varta Microbattery »Dass es zu Beginn keine Killerapplikation gab, hat uns sogar geholfen. Es hat gedauert, eine wirklich gute, gedruckte Batterie, wie wir sie jetzt mit der Zink-Braunstein-Batterie anbieten können, zu entwickeln.«
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»Man müsste auch so ehrlich sein einzugestehen, dass die in der Vergangenheit immer wieder genannten Milliarden-Umsätze ja nur von sehr wenigen, sehr spezifischen Marktsegmenten getrieben werden«, wendet Johannes Becker, Leiter des Competence Center PrinTronics bei Schreiner PrinTronics, ein. »Und das sind dann genau die Marktsegmente, die niemand aus Deutschland heraus bedient.« Es sind aber auch gerade diese Marktsegmente, wie etwa großformatige OLED-Bildschirme oder flexible Displays, die vor allem in der Konsumelektronik wahrgenommen werden. Rechne man diese Milliarden aber aus den Marktprognosen heraus, stelle sich das Bild der organischen und der gedruckten Elektronik vor allem in Europa gleich ganz anders dar. »Das Problem liegt darin, dass sich die internationalen Marktstudien immer auf diese 90 Prozent konzentrieren, der Rest läuft unter Sonstiges, und in Europa konzentrieren wir uns eben vor allem auf Marktsegmente, die dort unter Sonstiges subsumiert werden.«

Von der nach der Jahrtausendwende gehegten Grundidee, man könne mit gedruckter Elektronik am Standort Europa in Zukunft sehr günstig Elektronik herstellen, habe man sich, versichern die Diskussionsteilnehmer, in der Branche relativ schnell verabschiedet. »Die Euphorie war damals groß, aber wirtschaftlich war eben beispielsweise gegen Barcodes mit gedruckter Elektronik kein Stich zu machen«, so die versammelten Experten. Der Tatsache, dass sich die zu euphorischen Markterwartungen der Anfangsjahre nicht bewahrheitet haben, können einige der Diskussionsteilnehmer aber auch etwas Gutes abgewinnen.

»Wir zählten 2004 zu den Gründungsmitgliedern der OE-A«, berichtet Dr. Martin Krebs, Manager Innovative Projects/Patents bei Varta Microelectronics. »Wir haben dann aber relativ schnell festgestellt, dass eine richtig gute Batterie gar nicht so einfach zu drucken ist.« Man zog die Konsequenzen daraus und richtete die Bemühungen sehr schnell auf wiederaufladbare Batterien. »Die zeitliche Verzögerung ist uns wirklich entgegengekommen«, versichert er. »Jetzt, da es langsam losgeht, können wir eine wirklich gute gedruckte Zink-Braunstein-Batterie anbieten.«

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Andrea Glawa, Kroenert »Anlagenbauer können in Asien nicht einfach nur eine Anlage verkaufen. Man muss dort eine komplette Lösung verkaufen, im Fall gedruckter Solarzellen auch ein ganzes Business-Konzept verkaufen.«
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Andrea Glawe, Gebietsverkaufsleiterin bei Kroenert, sieht das etwas anders: »Als wir begonnen haben, uns mit dem Drucken von Elektronik zu beschäftigen, waren unsere Erwartungen schon größer.« So war die Branche etwa vor fünf, sechs Jahren davon ausgegangen, dass sich organische Solarzellen am Markt etablieren würden. Dass es nicht so gekommen ist, hat nach ihrer Einschätzung auch damit zu tun, dass man für diese phantastische Technologie in Asien, einem der prädestinierten Märkte für OPV (Organic Photovoltaics), viel mehr Überzeugungsarbeit für sein Produkt leisten müsse, als das etwa in Europa der Fall sei. »In Asien verkaufen wir keine Anlagen, wir verkaufen Lösungen«, berichtet sie. »Wir geben aber nach wie vor keine Produktgarantien für Produkte, die auf unseren Anlagen gefertigt werden.«

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Wolfgang Mildner, MSW »3D Structural Electronics wird auch ganz massiv von Design-Aspekten getrieben. Designer, nicht nur im Automotive-Bereich, wollen glatte, software­definierte Oberflächen. Im Vergleich zu klassischen elektromechanischen Schaltern bietet das auch Kostenvorteile.«
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»Wie schnell sich der Markt für organische und gedruckte Elektronik entwickelt«, so Becker, »hängt ja neben dem technischen Fortschritt immer auch von der Bereitschaft der Anwenderbranchen ab, Produkte der gedruckten Elektronik aufzunehmen und anzunehmen«. Eine Branche, die damit bislang offenbar Probleme hat, ist die Textilbranche. Zwar gibt es da immer wieder Leuchtturmprojekte etwa von Helly Hansen, aber die seien, so die einhellige Meinung der Diskussionsteilnehmer, für die Presse und die Reputation, »kommerziell hat das für diese Branche bisher überhaupt keine Bedeutung«. So sei es schön, dass das amerikanische Olympia-Team beim letzten Mal mit beheizten Jacken ausgestattet gewesen sei. Die entsprechende Folie dazu sei von DuPont gekommen. Auf der anderen Seite stelle für diese Branche aber schon der Austausch eines Reißverschlusses von Hersteller A zu Hersteller B ein großes Projekt dar, wie Becker anmerkt.

Für Mildner nicht verwunderlich: »Ähnlich wie der Bereich des Verpackungswesens ist die Textilindustrie traditionell nicht Elektronik-affin.« Das Know-how sei dort nicht vorhanden, die Herausforderungen, mit denen sich diese Branchen beschäftigten, lägen in ganz anderen Bereichen als der Elektronik oder gar der gedruckten Elektronik. Mildner weist auch darauf hin, dass es in der ersten Euphorie in diesen Anwenderbranchen Projekte gegeben habe, die dann aber in harten Bauchlandungen endeten. »Man hat gemerkt, dass das gar nicht so einfach ist, und dann mit den Bemühungen aufgehört. Da wurde verbrannte Erde hinterlassen.«


  1. Abseits der Massen­produktion
  2. Spezifische Marktsegmente
  3. Das Faszinierende an der gedruckten Elektronik
  4. Gedruckte Folientastaturen
  5. Die Teilnehmer des Forums
  6. OPV als Schlüssel zu grüner Energie
  7. Sensoren als Datenschürfer für Big Data
  8. Die Sache mit der Medizinelektronik

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