Ein starker Hang in Richtung Outsourcing ist nach Ansicht von Doude Douma, VP Business Development EMEA von Sanmina, im Automotive-Geschäft spürbar. Trotz oder auch gerade wegen der flauen Autokonjunktur setzen die Automobilzulieferer verstärkt auf externe Fertigung. Neben den auf diese Weise sehr flexiblen Kapazitäten nennt Douma auch die Beschaffung von Bauteilen als Grund für die Auslagerung von Dienstleistungen: »Als großes globales Unternehmen können wir uns gut eindecken und konnten auch im letzten Jahr die allgemeine Verknappung sehr gut abfedern.«
In der Skalierbarkeit der Kapazitäten sieht auch Felix Timmermann, VP EMEA von Asteelflash, ein schlagendes Argument fürs Outsourcing: »Es ist sehr schwer, von einer auf zwei Schichten zu gehen, wenn ich nur eine Linie habe. Das kann ein EMS viel besser.«
Auch technische Neuerungen wie die Miniaturisierung von Komponenten, die in eigene Produkte einfließen sollen, stellen Firmen spätestens bei Neudesigns vor die Herausforderung, das Fertigungs-Equipment modernisieren zu müssen: »Dann stehen die Firmen am Scheideweg, ob sie diese Investition inhouse machen wollen oder nicht. Und diese Entwicklung wird in den nächsten Jahren viele Firmen treffen«, meint Timmermann.
Gleiches gilt im Umkehrschluss jedoch auch für die Elektronikdienstleister: Wer als EMS vorne mitspielen und Kunden als „Leading Edge“ überzeugen will, muss laut Johann Weber proaktiv agieren: »Der Taktgeber ist der Markt – und wir müssen sehr flexibel sein.« Flexibilität heißt für einen EMS, frühzeitig umzusetzen, was der Markt, sprich: die Kunden, fordern, und auch vorausschauend zu planen, wie Weber am Beispiel Sauber-/Reinraumfertigung schildert: »Heute ist SMT im Sauberraum Stand der Technik, aber in Zukunft werden wir in der Lage sein müssen, eine SMD-Linie auch im Reinraum zu betreiben.«
Und ganz offensichtlich hat der EMS-Markt auch immer noch Platz für neue Player bzw. Firmen, die ihr Dienstleistungsspektrum erweitert haben, wie das Beispiel „habemus“ zeigt: Ursprünglich Entwicklungsdienstleister, hat der kleine Mittelständler sein Portfolio kürzlich um eine Fertigungslinie ergänzt, »weil wir One-Stop-Shopping anbieten wollen«, begründet Geschäftsführer Bruno Geiger den Entschluss. »Der Kunde kann bei uns mit einem Ideenzettel ankommen, den wir vervollständigen und in ein Entwicklungsprojekt überführen, bis hin zum fertigen Produkt und der Produktionslogistik bis zum Endkunden.« Und bei der Fertigung größerer Stückzahlen setzt habemus auf Kollegen aus dem EMS-Geschäft.
Kompetenz auf Augenhöhe
Einen neuen Trend oder gar einen Paradigmenwechsel sieht Geiger nicht: »Wir merken aber, dass IoT/I40 beim Mittelstand ankommt und dieser sich stärker Gedanken macht, wie er sein Produkt intelligenter machen kann. Im Zuge dessen bauen solche Firmen Entwicklungskapazitäten auf, aber eher koordinativ, denn jedwede Kompetenz in Sachen „Safety und Konnektiviät“ selber aufzusetzen, das schafft kaum ein Mittelständler.« Aber, so Geiger, diese Firmen wollen unbedingt auf Augenhöhe mit dem Partner diskutieren können, den Entwicklungsvorgang begleiten und das Setup justieren. Dafür braucht es eine gewisses Maß an Know-how im eigenen Haus. Schließlich will ein Unternehmer auch kontrollieren können, was mit seinem Geld passiert. »Das ist der Anspruch im Mittelstand«, so Geiger.
Outsourcing im Zuge der Konzentration auf bestimmte Kerngeschäfte ist übrigens nicht nur alleine dem Kunden vorbehalten: »Wir haben vor zwei bis drei Jahren offensiv unser Portfolio dahingehend überarbeitet, welche Kunden nicht zu uns passen«, schildert Albrecht Faber, Geschäftsführer von bebro. Von diesen Kunden habe sich bebro dann aktiv getrennt, aber proaktiv bei der Suche nach einem passenden Dienstleister geholfen. »Ich bin der Meinung, je offener man das macht, umso besser für beide Seiten«, so Faber.
Ob Firmen Wertschöpfung auslagern oder insourcen, wird in Zukunft wohl noch individueller als bisher entschieden werden. »Das ist ein normaler Vorgang, und wo die Kompetenzen einer Firma liegen, ist eine Unternehmensentscheidung. Wenn der Kunde glaubt, dass er eigene Fertigungskapazitäten braucht, dann baut er diese eben auf. Umgekehrt bekommen wir immer mehr Anfragen nach Dienstleistungen, weil Personal und Entwicklungsressourcen fehlen«, fasst Dieter Müller, Gesellschafter von BMK, zusammen.