Gemeinsam unterstützen acht Steckverbinder-Hersteller einen neuen Standard für die Push-Pull-Verriegelung von M12-Steckern. Die finale Norm IEC 61076-2-010 wird für Ende des Jahres erwartet. Im Interview erläutern Dirk Peter Post*, Harting, und Jürgen Sahm**, Phoenix Contact, die Details.
Markt&Technik: Das Thema Schnellverriegelungssysteme am Steckverbinder-Markt scheint wieder aktueller denn je. Welche Neuigkeiten gibt es beim M12-Rundsteckverbinder?
Jürgen Sahm, Phoenix Contact: Dieses Thema wird seit Jahren am Markt diskutiert. Verschiedene proprietäre Lösungen haben dabei punktuell zu Erfolgen geführt; der Wunsch nach einem einheitlichen, standardisieren System ist dabei aber nie verstummt und heute tatsächlich aktueller denn je.
Das Ziel von dem Konsortium von acht wichtigen Herstellern von Rundsteckverbindern – genauer Harting, Molex, Murrelektronik, Binder, Conec, Escha, Weidmüller und Phoenix Contact – ist es jetzt, M12-Steckverbinder mit Push-Pull-Schnellverriegelung herstellerübergreifend anzubieten. Das ist aus unserer Sicht von großer Bedeutung für viele Zweige der Industrie.
Im Vergleich zum herkömmlichen M12-Steckverbinder mit Schraubverriegelung lässt sich ein M12-Push-Pull-Stecker natürlich schneller anschließen. Ist die Zeitersparnis wirklich so entscheidend?
Dirk Peter Post: Wir sprechen immerhin von einer Zeitersparnis von circa 80 Prozent beim Anschließen der Automatisierungskomponenten, weil ein Verschrauben nicht mehr erforderlich ist. Auf das Jahr hochgerechnet lassen sich so enorme Einsparpotenziale in der Montage realisieren. Durch das verbesserte Handling können Geräte-Ports zudem kompakter angeordnet werden, was dem Wunsch nach Miniaturisierung und wirtschaftlicher Verkabelung entspricht.
Neben der Zeitersparnis entfällt die Überprüfung des korrekten Anzugsdrehmoments der Verriegelung mittels Drehmomentschlüssel. Der Anwender erhält stattdessen ein akustisches Feedback, das die korrekte Verriegelung anzeigt.
Sie unterstützen das Push-Pull-Steckverbinder-Design gemäß des Normierungsvorschlags IEC 61076-2-010.
Jürgen Sahm: Ja, die IEC 61076-2-010 beschreibt sowohl eine Innen- als auch eine Außenverriegelung mittels Push-Pull. Sie enthält damit alle Varianten, die für eine durchgängige Systemlösung im Umfeld der Automatisierungstechnik zum Einsatz kommen. Somit kann die IEC 61076-2-010 also als Erweiterung des bewährten M12-Standards mit Schraubverriegelung gesehen werden, wie er in der Basisnorm IEC 61076-2-101 beschrieben wird. Von Vorteil ist, dass die einzige Änderung zum etablierten M12 darin besteht, dass das M12-Gewinde um einen Einstich ergänzt wird und gleichzeitig die bewährten Eigenschaften des M12-Vollgewindes beibehalten werden. Dadurch können die Geräte mittels eines sogenannten M12-Duo-Ports universal ausgerüstet werden und sind zukünftig wahlweise mit Push-Pull oder mit den am Markt weit verbreiteten M12-Schraubsteckverbindern anschließbar, also beide Anschlüsse sind möglich. Sogar Leitungsverlängerungen durch fliegende Push-Pull-Kupplungen können mit marktüblichen Standardkomponenten umgesetzt werden.
Es gibt noch ein weiteres Konzept zum Thema M12-Push-Pull: Vor kurzem hat die IEC 61076-2-012 den von Yamaichi Electronics eingereichten M12-Push-Pull-Steckverbinder mit Inner-Push-Pull als weltweiten Standard bestätigt. Gibt es hier einen Unterschied bzw. eine Konkurrenz-Situation?
Jürgen Sahm: Obwohl beide Normen dem gleichen Zweck der Schnellverriegelung dienen, sind sie doch sehr verschieden. Während die von uns unterstützte IEC 61076-2-010 auf dem Vollgewinde aus der Ursprungsnorm IEC 61076-2-101 basiert, wurde bei der IEC 61076-2-012 das Gewinde durch drei Segmente unterbrochen. Die Gewindeunterbrechungen sind notwendig, damit die drei Rasthaken des Kabelsteckers durch das Gewinde in die Rastposition eintauchen können.
Wodurch zeichnet sich das von ihnen favorisierte Push-Pull-Steckverbinder-Design aus?
Jürgen Sahm: Bei unserer Lösung auf Basis der IEC 61076-2-010 ist diese Gewindeunterbrechung nicht erforderlich, da die Rastkontur an den Anfang des M12-Gewindes gelegt wurde und als Einstich auf einfache Art bei der Gewindeherstellung im Standardprozess realisiert werden kann. Das macht das Design-In für den Gerätehersteller besonders einfach.
Dirk Peter Post: Weil die Hersteller nicht nur normativ, sondern auch in der Praxis einer abgesicherten herstellerübergreifenden Austauschbarkeit des Push-Pull-Systems verschrieben haben, kann sich der Anwender eines wie vom M12-Standard gewohnten breiten, technisch ausgereiften Produktportfolios mit allen Vorzügen des Multi-Sourcing bedienen.
Können Sie beschreiben, wie der Push-Pull-Stecker nach IEC 61076-2-010 im Detail konzipiert ist?
Jürgen Sahm: Die Gerätesteckverbinder sind genauso wie beim bewährten M12-Standard rotationssymmetrisch ausgelegt, wodurch die Push-Pull-Mechanik des Geräte-Ports nicht zur Kodierung des M12-Kontaktträgers ausgerichtet werden muss. Dies gibt dem Gerätehersteller einen hohen Freiheitsgrad, die Kabelabgänge der Ports einfach und vor allem wirtschaftlich zu gestalten. Die M12-Basisnorm -101 und die Push-Pull-Norm -010 sind auch bezüglich der Design-in-Anforderungen konsistent, sie arbeiten sozusagen im Gleichschritt. Das geht soweit, dass ein herkömmlicher M12-Port mit Standardgewinde – ohne konstruktiven Eingriff in die Gerätekonstruktion – durch einen kompatiblen Duo-Port mit Push-Pull ausgetauscht werden kann und das sogar nachträglich bei bestehenden Gerätekonzepten. Hinzu kommen noch weitere Vorteile, beispielsweise dass die Push-Pull-Verriegelungselemente in Kunststoff oder Metall ausgeführt werden können. Dadurch sind kostengünstige Push-Pull-Steckverbinder aus Kunststoff herstellbar, die in erweiterten Applikationsbereichen wie Agrar- oder Chemieindustrie einsetzbar sind.
*Dirk Peter Post ist Head of Global Product Management Circular Interface Connectors von Harting Electronics
**Jürgen Sahm ist Senior Specialist Product Marketing Circular Connectors, Phoenix Contact