Es gibt in der Branche immer wieder Kritik von Kundenseite, dass global unterschiedliche Produktpreise aufgerufen werden. Woran liegt das?
Die Rahmenbedingungen, wie etwa Garantievorgaben und die Währungen, sind unterschiedlich; insofern sind globale Preisunterschiede nicht ungewöhnlich. Aber das wird von uns abgepuffert, indem wir Preisschwankungen zentral über unser EDV-System anpassen.
Welches Potenzial bietet Ihnen die globale Präsenz?
Wir haben nun die Möglichkeit, Demand-Creation in Europa zu machen und unsere Kunden in fernöstlichen Ländern zu bedienen und ihren Projekten zu folgen. Das gibt uns ganz neue Perspektiven, unsere Geschäftsfelder auszubauen.
Wir sind in einem Markt tätig, der eine Billion US-Dollar groß ist; insofern gibt es für alle schöne Wachstumschancen – wenn man eine vernünftige und seriöse Geschäftspolitik hat!
Wie schätzen Sie den Hype-Markt „Elektromobilität“ ein?
Automotive ist für uns traditionell ein sehr wichtiger Markt. Wir sind mit Rutronik daher auch bei der Elektromobilität Vorreiter in den Technologien und mit unserer Automotive Business Unit sehr gut aufgestellt. Wir haben zum Beispiel auch ein spezielles Lager für Batterien, um den strikten Lagervorschriften für Batterien gerecht zu werden.
Elektromobilität birgt großes Potenzial, aber man muss global betrachtet über vernünftige Lösungen nachdenken. Wenn weltweit keine einheitliche Politik dazu vorhanden ist, dann ist das schwierig. Es hakt noch an vielen Punkten, wie unterschiedliche Ladesysteme, unterschiedliche Prepaid-Karten-Systeme – wir haben an dieser Stelle keine Harmonisierung.
Und schlussendlich benötigen Sie eine adäquate Infrastruktur. In Deutschland haben wir relativ stabile Stromnetze, aber in Südeuropa wird es schon schwierig. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Elektromobilität in komprimierten Ballungsräumen umsetzbar sein wird, aber in ländlichen Gebieten wird es eine große Herausforderung werden.
Aber solange die USA 95 Mio. Barrel Kraftstoff pro Tag verbrauchen und ein Containerschiff denselben CO2-Ausstoß hat wie 33 Millionen Autos – es gibt weltweit über 3000 Containerschiffe –, muss man sich Gedanken über die Verhältnismäßigkeit machen. Von außen wird ein Ballon ins Spielfeld geworfen und Deutschland fängt ihn sofort auf, ohne erst Sinn und Nutzen abzuwägen – das sieht man bei uns auch täglich auf der politischen Bühne.
Und inwieweit ist Rutronik in Projekte für das autonome Fahren involviert?
Wir haben eine starke Kooperation mit einem führenden Unternehmen für den autonomen Fahrzeugbetrieb für Menschen mit Handicap. Diese Firma beliefern wir mit fertigen Systemen, die schon seit vielen Jahren eine TÜV-Zulassung haben.
Darüber hinaus arbeiten wir mit Formel-E-Weltmeister Lucas di Grassi zusammen. Er ist seit Kurzem auch amtierender CEO von Roborace, der ersten vollständig autonomen Rennserie der Welt. Di Grassi spielt eine wichtige Rolle in der Entstehung und Entwicklung der Formel E und will mit Roborace auch den Weiterentwicklungen in der KI-Technologie folgen.
Auf welche Herausforderungen muss sich die Distribution 2018 einstellen?
2018 ist keine Liefer- und Preissicherheit vorhanden. Das kommende Jahr wird stark geprägt sein von einer Allokation im C-Teile-Bereich bei den passive Bauteilen sowie im Power-Segment. Das wird ein sehr großes Thema werden, das zum Teil noch sehr stark unterschätzt wird.
Die chinesische Regierung hat die Vorgabe beschlossen, dass jedes Bauteil in allen Fahrzeugen bis hin zum Widerstand Automotive-zertifziert sein muss. Das wird die Verfügbarkeit stark beeinflussen. Nehmen wir das Beispiel Keramikbauteile: Es gibt nur noch eine begrenzte Anzahl an Lieferanten für Keramikbauteile. Insofern liegt es nahe, dass diese Kapazitäten alleine von neuen Applikationen verschlungen werden und der Bedarf nicht ohne Neuinvesitionen befriedigt werden kann. Aber da sich neue Fabriken nicht von heute auf morgen aus dem Boden stampfen lassen, wird sich die Situation nicht so schnell entspannen. Hinzu kommen außerdem noch neue Märkte und die Tatsache, dass in Südostasien deutlich höhere Preise für viel gefragte und knappe Produkte bezahlt werden, getrieben durch Chinas Strategie, bis 2025 in vielen Marktnischen Marktführer sein zu wollen. Das wird maßgeblich die gesamte Allokation mit beeinflussen.
Auch wir sehen das heute schon an einer immens hohen Nachfrage von neuen asiatischen Kunden, die bei uns Bauteile einkaufen möchten, aber auch wir sind natürlich limitiert und müssen allokieren, um unsere angestammte Klientel bedienen zu können.
Haben OEMs die Nase vorne, weil sie aufgrund ihrer Marktstellung bevorzugt bedient werden?
Sicher stehen auch die großen Hersteller unter Druck, die großen OEMs zu bedienen. Wie das Marktwachstum mit den limitierten Verfügbarkeiten zu bewerkstelligen ist, wird sich in Zukunft herausstellen. Sicher ist: Die Lieferkette wird sich durch die Allokation enorm verändern.
Das Wachstum war aber doch abzusehen – warum wurden die Kapazitäten seitens der Hersteller nicht schon längst erweitert?
Der Markt in den letzten Jahren war ein Käufermarkt. Die Preise gingen nach unten und von der Technologie konnte man auch nicht mehr viel verändern, wie etwa früher durch „Shrinken“, um die Preissituation zu ändern.
Es war seit 2009 sehr turbulent, daher hat kein Hersteller großartig investiert, denn für börsennotierte Firmen sind andere Gesichtspunkte wichtig. Viele waren in der Vergangenheit gezwungen, Fertigungen zu schließen und abzubauen. Die Kunden sind in der Tat gewachsen, aber die Umsatzzahlen der Top-Halbleiterhersteller haben eher stagniert bzw. sind geringer geworden. Gleichzeitig sind die Kosten gestiegen und die Preise im Gegenzug überproportional gefallen.