2017 war ein Wachstumsjahr für die Distribution, flankiert von diversen Herausforderungen. Markt&Technik sprach mit Thomas Rudel, CEO von Rutronik, über die Situation der Branche, neue Märkte und ehrgeizige Ziele.
Markt&Technik: Die Branchenverbände DMASS und FBDi sprechen von einem Rekordjahr für die Distribution. Wie ordnen Sie das vergangene Jahr ein?
Thomas Rudel: Solche Marktanalysen sind immer relativ zu sehen. Denn nicht jedes Unternehmen aus der Branche meldet wirklich aussagekräftige Zahlen für solche Analysen und nicht jedes Unternehmen beteiligt sich an allen in Frage kommenden Marktanalysen. Insofern spiegeln sie immer nur einen Teil-Eindruck wider.
Für mich zählen andere Indikatoren, etwa wie der Anteil eines Distributors bei seinen Herstellern gewachsen ist. Es kommt auch darauf an, welche Hersteller man auf der Linecard hat – und auf deren Lieferfähigkeit. Ist ein Hersteller seit Jahren auf Allokation bzw. hat Verfügbarkeitsprobleme, beeinflusst bzw. relativiert das natürlich auch die Wachstumsmöglichkeiten seiner Distributoren.
Aber um auf Ihre Ursprungsfrage zurückzukommen: Ja, das Jahr 2017 war sicher ein Wachstumsjahr für die Distribution in Bezug auf den Umsatz, aber nicht in Bezug auf die Margen. Die Distribution hat zwar mehr Umsatz generiert, aber die Deckungsbeiträge konnten im Verhältnis zum Umsatz nicht zulegen.
Wir sind mit unserer Geschäftssituation zufrieden und konnten vernünftig wachsen und wollen das auch weiter tun. Wir arbeiten an unserer Agenda 2030 und unser klares Ziel ist es, unseren Umsatz in den nächsten sieben Jahren zu verdoppeln.
Was sind die Gründe für die Margen-Erosion?
Die Gründe sind vielschichtig. Es hängt sicher auch mit den einzelnen Strategien zusammen. Jeder Distributor hat seine eigene Sales-Strategie, seine Spezialisierung nach Produktgruppen und seine Stärken und Schwächen. Eine Rolle spielt auch, welche Hersteller ein Distributor auf der Linecard hat und welcher Hersteller welche Margen zulässt. Die Sales-Konzepte der Hersteller sind nicht immer nachvollziehbar. Bei börsennotierten Firmen kommt natürlich noch der Druck dazu, jedes Quartal die Erfolge darstellen zu müssen.
Ein entscheidender Grund ist auch die Tatsache, dass die Distributoren kostenlos immer mehr Value-Added Services für den Kunden übernehmen. Leider wird das von den Kunden so nicht oder nicht immer honoriert.
Die sinkenden Margen betreffen ja nicht nur die Distributoren, sondern auch ihre Kunden.
Das würde ich so nicht unbedingt bestätigen. Unseren Kunden geht es von der Profit-Seite besser als den Distributoren.
Sie sprachen den Produktmix an – hat es ein Broadliner wie Rutronik schwerer, auf gesunde Margen zu kommen, als ein Halbleiterspezialist?
Wir sind ein sehr anerkannter C-Teile-Lieferant. Das C-Bauteilegeschäft macht keinen unwichtigen Teil des Umsatzes aus, der 80 Prozent der Warenlieferungen beeinflusst. Dabei entstehen natürlich gewaltige Kosten. Hinzu kommt, dass wir auch Währungsschwankungen in der Lieferkette abpuffern müssen. Das sind alles Faktoren, die sich letztlich auf die Marge auswirken.
Gab es Überlegungen, sich von der Strategie des Broadliners zu verabschieden und nur auf wertige A-Bauteile zu setzen?
Nein. Das war nie eine Option für uns. Unsere Kunden bekommen von uns alles aus einer Hand und wir bieten unseren Kunden die Dienstleistung über das gesamte Spektrum an. Überdies sind die Preise insgesamt stark gesunken in den letzten 15 Jahren. Davon sind auch die Halbleiter betroffen. Bei den Mikrocontrollern beispielsweise ist die Marge zum Teil um ein Hundertstel niedriger als noch vor 15 Jahren. Wir betreiben aber denselben Aufwand im Design-in und bieten dieselben oder mehr Support-Leistungen als vor 15 Jahren, ohne dass dies extra verrechnet wird.
Es gibt keine Branche außer der Elektronikbranche, in der für Beratungsleistung nichts bezahlt wird. Nehmen wir das Beispiel SAP: Wenn Sie ein SAP-System installieren, müssen Sie selbstverständlich für den SAP-Berater das Tageshonorar extra bezahlen.
Wie kann man dieses Dilemma lösen?
Wir müssen an den Punkt kommen, an dem Support auch bezahlt wird.
Das würde sich aber wohl nur durchsetzen lassen, wenn sich die Branche geschlosssen formiert. Sobald einer ausschert, wird es schwierig.
Ja, aber das ist nun einmal freie Marktwirtschaft. Im Endeffekt ist es auch immer eine Frage des Geschäftskonzeptes. Wenn unsere halbleiterlastigen Wettbewerber fünf Bauteilnummern verkaufen, um einen Umsatz X zu erzielen, dann müssen wir 2000 Bauteile verkaufen, um denselben Umsatz zu generieren. Wettbewerber machen teilweise nur Cherry-Picking und wir sind für 80 Prozent der Bauteile zuständig, eben weil wir – wie schon gesagt – das Komplettpaket aus einer Hand liefern.
Man muss sich überlegen, wieso Wettbewerber mit 900 Mitarbeitern zwei Milliarden Umsatz machen und wir mit 1600 Mitarbeitern eine Milliarde Umsatz generieren. Eben weil wir unseren Kunden die Dienstleistung übers ganze Spektrum anbieten, auch über solche Produkte, die für uns nicht profitabel sind. Wir hoffen, dass das die Kunden auch zu schätzen wissen.
Werfen wir einen Blick ins globale Geschäft: Rutronik hat in den USA und Asien kräftig expandiert in den letzten drei Jahren. Wie entwickelt sich das Geschäft in diesen Regionen?
Unser Asien-Geschäft läuft gut an. Dort haben wir derzeit über 70 Mitarbeiter und arbeiten mit einer eigenen Einheit, die losgelöst von der Mutter selbstständig lokal einkauft und selbstständig ihre Herstellerkontakte pflegt. Gerade haben wir dort auch unsere chinesische Website gelauncht. Zu 90 bzw. 95 Prozent sind wir dort von den Hersteller-Linien so aufgestellt wie in Europa. Nun liegt es an uns, was wir aus diesen Möglichkeiten machen.
Auch in den USA haben wir uns gut etabliert. Die USA sind übrigens nicht, wie in Europa oft angenommen, „ein“ Markt, sondern dort gibt es in jedem Staat unterschiedliche Gesetzgebungen und eigene Fiskal-Regelungen. Das ist natürlich schon eine Herausforderung, wenn man als europäisches Unternehmen dort agiert.
Wie organisieren Sie die Lagerhaltung der Produkte weltweit?
Lager gibt es in Deutschland, Asien und den USA, weil wir dort jeweils auch lokal einkaufen und die lokalen Organisationen der Hersteller es gerne sehen, dass ihnen der Umsatz jeweils lokal zugerechnet wird.
Wo stehen Sie mit Rutronik24?
Mit Rutronik24 sind wir sehr zufrieden. Wir bauen die Marke sukzessive aus – Rutronik24 hat seine eigene Kundenstruktur und wird gut angenommen. Die Lagerstruktur wird ebenso sukzessive, Hersteller für Hersteller, ausgebaut.