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Smarte Aktoren im Automobil

21. Februar 2019, 12:23 Uhr | Von Rüdiger Laschewski-Grossbaier und Thomas Mack
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Funktional sichere Anwendungen

Funktional sichere Entwicklungen stellen für viele Hersteller eine besondere Hürde dar. Sie erfordern nicht nur entsprechendes Know-how, sondern auch viel Aufwand. Allerdings lassen sich selbst scheinbar einfache Automotive-Anwendungen wie die Verstellung von Spoilern, Außenspiegeln oder Scheinwerfern unter Umständen bereits als sicherheitsrelevant gemäß ISO 26262 einstufen. Deshalb kommen Zulieferer kaum um entsprechende Zertifizierungen herum, weil ihre Kunden diese einfordern und sich dadurch auch Haftungsrisiken reduzieren lassen.
Die ISO 26262 ist die Sektornorm für sicherheitsrelevante elektrische und elektronische Systeme in Kraftfahrzeugen. Sie definiert – analog zur Functional-Safety-Basisnorm IEC 61508 – vier Sicherheitsanforderungsstufen (Automotive Safety Integrity Levels, ASIL) als Maß für die risikomindernde Wirksamkeit von Sicherheitsfunktionen.

Aus einer bestimmten ASIL-Einstufung ergeben sich jeweils konkrete Anforderungen an die Entwicklung von Anwendungen. Die Norm beschreibt insbesondere Methoden und Maßnahmen, mit denen sich Risiken durch systematische oder zufällige Fehler reduzieren lassen. Die Anwendung dieser Methoden und Maßnahmen muss bereits während der Entwicklung umfangreich dokumentiert werden; anhand dieser Dokumentation bestätigt eine akkreditierte Prüfstelle die Einhaltung der Norm. Das ist aufwendig und zeitintensiv: Für die Entwicklung einer Motor¬ansteuerung in einer ASIL-A-Anwendung gehen einschließlich Prüfung und Integration nicht selten sechs und mehr Monate ins Land.

Deshalb hat TDK-Micronas das Komplettpaket von Controller-Chip HVC 4223F und Firmware NTMicroDrive gezielt mit Blick auf die einfache und schnelle Umsetzung funktional sicherer Antriebssteuerungen konzipiert. Das Software-Paket NTMicroDrive wurde nach den Vorgaben der ISO 26262 für ASIL A sowie von Automotive SPICE Level 1 entwickelt. Der Controller HVC 4223F ist ein Baustein mit umfangreichen Diagnose- und Schutzfunktionen. SPFM, LFM und Base Failure Rates sind in entsprechenden Produktdokumentationen/Application Notes des Chips verfügbar. Auf dieser Basis ist er als QM-Baustein positioniert, um auch Applikationen im Bereich der funktionalen Sicherheit realisieren zu können.

Bei Bedarf liefert der Firmware-Entwickler NewTec benötigte Dokumente wie etwa Safety-Plan, Safety-Konzept, Spezifikationen, Verifikationsplanung, Testreports und Bedienungsanleitung mit, um den Normenprüfungsprozess abzukürzen. Damit können auch Anwender ohne Safety-Erfahrung in wenigen Wochen sichere Motorsteuerungs-Anwendungen realisieren und dabei Aufwand, Kosten und Time-to-Market senken.

Kosten

Mit der nach marktrelevanten Standards programmierten Firmware des HVC 4223F, die bereits zahlreiche Standardaufgaben abdeckt, erhalten industrielle Kunden eine professionelle und zertifizierte Lösung für den weltweiten Einsatz. Ab dem ersten Einsatz werden Entwicklungskosten gespart – sowohl bei vollständig neu entwickelten Anwendungen als auch bei der Anpassung vorhandener Lösungen an geänderte Anforderungen. Auch die gesamten Materialkosten eines Aktors (Bill-of-Material, BoM) reduzieren sich – ein zentraler wirtschaftlicher Faktor, insbesondere bei hohen Stückzahlen und multipler Verwendung einer Applikation.
Im Vorfeld der Entwicklung und Umsetzung einer Anwendung erfolgt die Evaluation der Mechanik, Elektronik, Software und Produktionseigenschaften der verwendeten Elemente. Je nach gewähltem Antrieb und dessen Wiederverwendbarkeit sowie Skalierbarkeit sollte ein besonderer Schwerpunkt auf die Flexibilität und Performance der Elektronik gelegt werden. Eine vollständig integrierte Lösung wie der HVC-Controller von TDK-Micronas bietet den Vorteil, durch weniger Bauteile die Mehrkosten der Integration aufzuwiegen (Mikrocontroller, Kommunikationsschnittstelle, Spannungsversorgung, Brückentreiber und Power-MOSFET). Bei jeder Implementierung werden zusätzlich auch externe diskrete Bauteile benötigt – eine Optimierung schlägt sich in einer Einsparung von Materialkosten nieder.

Auch beim Energieverbrauch spielt die integrierte Lösung ihre Stärken aus. Bei einem diskreten Aufbau können die verwendeten Elemente nicht in gleicher Weise aufeinander optimiert werden. Die integrierte Spannungsversorgung arbeitet dagegen in den definierten Arbeitsbereichen stets optimal und verhilft so zusammen mit einem verkleinerten PCB-Design zu einer energiesparenden Applikation und somit zu einer kostenoptimierten Lösung. Das vereinfachte PCB-Design ist zudem weniger störanfällig. So kann auch die Lebensdauer der smarten Aktoren als Gesamtsystem verlängert werden.

Der Einsatz eines Standard-Mikrocontrollers ermöglicht neben technischen Vorteilen ebenfalls eine Reduktion der Kosten. Wiederkehrende Aufgaben können von bereits verwirklichten Applikationen übernommen werden. Beispiele sind die Initialisierungsroutinen des Bausteins, grundsätzliche Motorsteuerungsalgorithmen (6-Schritt-Kommutierung) oder die Kommunikation über SPI oder LIN.
Auch die eingebauten Diagnosefähigkeiten tragen signifikant zur Kostenreduktion der gesamten Applikation bei. Die genaue Abbildung des Systemzustands ermöglicht eine straffere Auslegung der notwendigen diskreten Bausteine. Zudem wird dadurch die Zuverlässigkeit des Gesamtsystems vergrößert, weil Veränderungen relevanter Parameter im analogen wie auch im Motor-Control-Bereich genau bestimmt und bei Bedarf durch die Firmware nachgeregelt werden können.

Schlussfolgerungen

Der Trend geht zu smarten Aktoren im Fahrzeug mit erhöhten Anforderungen an Hard- und Software der Motorsteuerung einher. Inzwischen sind dafür geeignete hochintegrierte Embedded-Controller auf Basis von Standard-Mikrocontrollern verfügbar. Das volle Potenzial dieser Technologie mit Blick auf Flexibilität, Kosten und Entwicklungsaufwand für individuelle Kundenanforderungen erschließt sich allerdings erst durch eine enge Verzahnung von Hardware und Software. Deshalb bieten TDK-Micronas und NewTec ihr Komplettpaket von Motorcontroller-Chip HVC 4223F und flexibler Firmware NTMicroDrive als Ready-to-Copy-Plattform für sichere Motorsteuerungsanwendungen an.

Der HVC 4223F wird durch NTMicroDrive und Erweiterungen zur einfach und flexibel einsetzbaren Plattform zum Prototyping und zur Produktvalidierung
Bild 3. Der HVC 4223F wird durch NTMicroDrive und Erweiterungen zur einfach und flexibel einsetzbaren Plattform zum Prototyping und zur Produktvalidierung.
© TDK-Micronas

NewTecs Firmware NTMicroDrive bildet das passende Bindeglied zwischen Motor-Controller und Applikation (Bild 3). Sie macht das gesamte Controller-Feature-Set schnell und transparent als Prototyp für Applikationen verfügbar, der mit wenigen Anpassungen produktionsreif ausentwickelt werden kann – funktional, flexibel, wieder¬verwendbar, kostenoptimiert und entsprechend der Safety-Vorgaben der ISO 26262. Das reduziert signifikant den Qualifizierungsaufwand – pro Applikation ebenso wie im Rahmen eines zertifizierbaren Gesamtsystems im Automobil.

Als vollständig integrierte Lösung für smarte Aktoren ist der HVC 4223F flexibel einsetzbar und kann ohne großen Aufwand in neuen Applikationen wiederverwendet werden, sogar mit geändertem Motorkonzept. Sein Einsatz hilft Herstellen, ihre Kosten zu senken – durch weniger externe Bauelemente ebenso wie durch seine hohe Performance und Flexibilität. Offene Schnittstellen zur Applikationsschicht stellen die Flexibilität des Motor-Controllers direkt der Systemlösung des Anwenders zur Verfügung. Die Wiederverwendbarkeit grundlegender Routinen in Kombination mit der Hardware ermöglicht eine einfache Quantelung der Hardware in Bezug auf verschiedene Motorleistungsklassen bzw. -varianten.

Die hohe Integration bei optimiertem PCB-Design senkt Kosten, reduziert den Verbrauch von Energie und Ressourcen und verlängert die Lebensdauer des Systems. Somit sind NewTecs Firmware NTMicroDrive und TDK-Micronas ¬embedded Motor-Control-Baustein ¬HVC 4223F das abgestimmte Gespann, um bereits im Prototypenstadium Applikationen zu evaluieren, diese im finalen Produktionszyklus schnell und kostengünstig auszugestalten und durch
wenige Änderungen flexibel und auch Safety-konform auf geänderte Kundenwünsche reagieren zu können.

 

Die Autoren

 

Ruediger Laschewski vonTDK-Micronas
Ruediger Laschewski von TDK-Micronas.
© TDK-Micronas

Rüdiger Laschewski-Grossbaier

ist seit 1996 im Bereich Automotive tätig. Im Februar 2015 wechselte er zu TDK-Micronas, um dort den Produktbereich der embedded Motor-Controller zu übernehmen. Dort kann er die Erfahrung gewinnbringend einsetzen, die er in seinen bisherigen Positionen in den Bereichen Engineering für Mikrocontroller sowie Engineering und Projektleitung für Mikrocontroller-Software-Development und Automotive Networking sowie im Bereich der Leitung des technischen Marketings für automobile analoge ASIC gesammelt hat.

 

Thomas-Mack von NewTec
Thomas-Mack von NewTec
© NewTec

Thomas Mack

ist Leiter der Produktentwicklung und Senior Safety Engineer bei NewTec, wo er für die Entwicklung hochzuverlässiger Produkte für Sicherheitselektronik verantwortlich ist. Mack bringt seine Erfahrung in den Bereichen Digital Design und funktionale Sicherheit in verschie-denen Bereichen mit ein. Thomas Mack hat sein Diplom in Kommunikationstechnik an der Fachhochschule Ulm und seinen Master of Business Administration an der Fachhochschule Neu-Ulm erworben.

 


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