Visuelle Kommunikation auf der Straße

Mit Exterior Displays sind autonome Autos sicherer unterwegs

8. Juni 2022, 8:00 Uhr | Autoren: Nadine Nowak und Prof. Dr. Karlheinz Blankenbach, Hochschule Pforzheim; Redaktion: Kathrin Veigel
© Hyundai Mobis | WFM

Visuelle Kommunikation im Straßenverkehr gibt es schon lange, zum Beispiel Blinker, Bremslichter und Ampeln. Sie sorgen für Sicherheit auf unseren Straßen. Die Hochschule Pforzheim hat nun untersucht, wie grafikfähige, farbige Außendisplays an Fahrzeugen den Verkehr noch sicherer machen können.

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Im Rahmen eines Forschungsprojektes zu Exterior Displays, die an der Fahrzeugfront und am Heck angebracht sind, hat ein Team der Hochschule Pforzheim drei Use Cases eingehend untersucht (Bild 1). Dabei wurden in die Untersuchung ausdrücklich autonome Fahrzeuge mit einbezogen.

Hochschule Pforzheim Exterior Displays
Bild 1: Typische Use Cases für Exterior Displays: Fußgänger-Überweg, nachfolgendes und entgegenkommendes Fahrzeug.
© Hochschule Pforzheim
  • Fußgänger-Überweg: Ein (autonomes) Fahrzeug nähert sich einem Fußgängerüberweg, den ein Fußgänger überqueren möchte. Dieser hat Vorrang. Wie kann nun ein Fußgänger in dieser Situation erkennen, dass er die Straße sicher überqueren kann, wenn die Person auf dem Fahrersitz erkennbar andere Dinge tut? Die typischen Ableseentfernungen des Frontdisplays liegen zwischen 3 m und 50 m bei typischerweise abnehmender Fahrzeuggeschwindigkeit.
  • Nachfolgendes Fahrzeug: Modernere Fahrzeuge sind mit einer Vielzahl von Sensoren ausgestattet, die beispielsweise auch eine glatte Fahrbahn detektieren können. Mit einem Display am Heck lässt sich nun der nachfolgende Verkehr rechtzeitig warnen. Ein weiteres Beispiel ist, dass das vordere Fahrzeug erkennt, dass besser nicht überholt werden sollte. Je nach Geschwindigkeit beträgt die Ableseentfernung circa 5 m bis über 50 m. Wegen der typischerweise meist konstanten Distanz fällt die Ablesedauer lang aus.
  • Entgegenkommendes Fahrzeug: Warnungen wie »glatte Fahrbahn« bieten auch hier deutliche Vorteile. Bezüglich der Ablesbarkeit ist dies der herausforderndste Fall, da sich beide Fahrzeuggeschwindigkeiten addieren. Auf einer Landstraße werden 40 m in etwa 1 Sekunde gefahren. Das Frontdisplay muss also relativ groß sein und schnell deutlich erkennbare Inhalte darstellen.

Die initialen Fragestellungen im Projekt betrafen die Größe, Farbwiedergabe und Auflösung des Displays. Auf dieser Basis wurde ein Mock-Up aufgebaut, bei dem Probanden die maximale Ableseentfernung in Abhängigkeit von der Text- und Symbol-Größe bewerten sowie die Interpretation von grafischen Symbolen beurteilen sollten.

Auf Basis von Anforderungen wie maximale Leuchtdichte, Kontrastverhältnis bei hellstem Umgebungslicht und die zukünftige Integration in ein Fahrzeug beschränkten sich die Forscher auf RGB-LED-Displays und reflektive E-Paper-Displays. Ferner orientierten sie sich an der Norm EN 12966 für Schilder im Straßenverkehr.

Sonnenlicht erfordert typischerweise eine Leuchtdichte von 5.000 cd/m2 und mehr. Dies erfüllen LED- und reflektive Displays. LCDs könnten per High Power Backlight getunt werden, was jedoch wenig praktikabel ist; OLEDs haben eine geringere Lebensdauer bei hohen Leuchtdichten und Temperaturen. E-Paper-Displays mit farbigen Partikeln wiederum weisen zu lange Bildupdate-Zeiten auf, sodass sich das Projekt auf die in farbigen E-Book-Readern verwendete Farbfilter-Technik beschränkte.

Kontrastverhältnis spielt bei Exterior Displays eine wichtige Rolle

Die ausgewählten Displays wurden mit verschiedenen Messverfahren hinsichtlich der Umgebungslicht-Eigenschaften wie Kontrastverhältnis bewertet. Dies ist bei reflektiven Displays leicht erfüllbar, auch die handelsüblichen RGB-LED-Tiles wiesen Kontrastverhältnisse größer als 2:1 gemäß ISO 15008 bei starkem Umgebungslicht auf.

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Bild 2: Messung des Farbumfanges von RGB-LEDs und farbigem E-Paper (auf Color-Filter-Array-Basis)
© Hochschule Pforzheim

Die größten Unterschiede zeigten sich bei den Farbmessungen. Es ist wichtig, dass beispielsweise ein Signalrot mit guter Sättigung dargestellt wird. Bild 2 zeigt die Ergebnisse der Farbmessungen: Der Farbgamut des E-Papers ist im Vergleich zu den LEDs sehr klein. Somit entschied sich das Team der Hochschule Pforzheim für RGB-LED-Displays. Es wurde jedoch auch eine kleine Studie mit Versuchspersonen mit farbigem E-Paper durchgeführt. Die Ergebnisse bestätigten die Messungen: Die Farbwiedergabe wird als zu blass bewertet und besonders bei farbigen Symbolen auf schwarzem Hintergrund als zu dunkel erachtet.

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Bild 3: Evaluierung der wahrgenommenen Pixelierung von RGB-LEDs in Anhängigkeit vom Abstand mit dem Pixelpitch als Parameter.
© Hochschule Pforzheim

Im nächsten Schritt wurde nun von Versuchspersonen der Einfluss des Pixelpitches der RGB-LEDs von der Ableseentfernung bewertet. Natürlich ist eine höhere Auflösung besser geeignet als eine niedrigere, aber auch LED-Verkehrszeichen haben einen großen Pixelpitch. Das Ergebnis ist in Bild 3 dargestellt für Pixelabstände von 3 mm, 4 mm und 6 mm sowie Entfernungen zwischen 3 m und 12 m. Größere Entfernungen machen nach der »Comfortable Viewing Distance Rule« wenig Sinn, zumal dies auch bei Ablesbarkeits-Untersuchungen mit einfloss.

Erwartungsgemäß wird ein Pixelpitch von 6 mm bei kleinen Entfernungen als störend empfunden, was aber die Ablesbarkeit nicht beeinträchtig. LED-Verkehrszeichen liegen hier im Bereich 10 mm bis 50 mm. Aus diesen Gründen fiel die Wahl in der Untersuchung auf einen Pixelabstand von 6 mm als vernünftigen Kompromiss zwischen Ablesbarkeit, Aufwand und mögliche Integration in einen Fahrzeug-Grill.

Fahrbarer Versuchsaufbau und Ablauf des Versuchs

Bild 4 zeigt den von uns entwickelten fahrbaren Versuchsaufbau mit einer Displaygröße von 80 cm x 40 cm und einer Auflösung von 128 x 64 Pixel. Auf der linken Seite ist der Use Case »Fußgänger-Überweg« dargestellt. Hier konzentriert sich die Person auf dem Fahrersitz eines autonomen Fahrzeuges definitiv nicht auf das Verkehrsgeschehen. Das rechte Bild zeigt den Use Case »Nachfolgendes Fahrzeug«, der Umbau erfolgt durch Austauschen des Plakates in der Windschutzscheibe und rote Farbfolien vor den Scheinwerfern. Die angezeigten Displayinhalte werden durch Tasten ausgewählt, was auch dynamisch passieren kann.

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Bild 4: Fahrbarer Versuchsaufbau mit 80 cm x 40 cm großen RGB-LED-Displays mit 128 x 64 Pixel. Zwischen Front- und Heck-Display wird durch Austauschen des Posters in der Scheibe und roten Farbfiltern vor den Scheinwerfern gewechselt.
© Hochschule Pforzheim

Die Evaluierungen mit 27 Versuchspersonen fanden zu unterschiedlichen Tageszeiten und Lichtverhältnissen statt. Dabei wurden zunächst die maximale Ableseentfernung von Symbolen in unterschiedlicher Höhe ermittelt (Bild 5 links). In Summe ergaben sich eine Ablesbarkeit von über 40 m für eine Texthöhe von 10 cm und eine Symbolhöhe von 30 cm.

Diese Werte wurden bei ungünstigen Witterungsverhältnissen (Dämmerung, Regen) und für ältere Versuchspersonen ermittelt. Junge Probanden konnten selbst 6 cm hohe Buchstaben aus 50 m bei Bewölkung erkennen. Diese Entfernung ist relativ groß, lässt sich aber durch die leuchtenden LEDs im Vergleich zu reflektiven Schildern erklären. Eine Displayhöhe von 40 cm deckt somit alle relevanten Use Cases ab.

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Bild 5: Beispielinhalte der Evaluierung mit Versuchspersonen zur Schrift- und Symbol-Höhe in Abhängigkeit von der Entfernung (links) sowie die Erkennbarkeit und Interpretation der visuellen Information.
© Hochschule Pforzheim

Besonders spannend war die Evaluierung im Falle des Fußgänger-Überweges. Da die Versuche auf einem großen Parkplatz stattfanden und der Versuchsaufbau nicht realistisch schnell bewegt werden konnte, wurden die Empfindungen und Verbesserungsvorschläge für die Darstellung auf dem Display evaluiert.

Die Wirkung der Geschwindigkeitsprofils bei Annährung des Fahrzeugs an den Fußgänger wurden beispielsweise in der Studie »Effect of External Human Machine Interface (eHMI) of Automated Vehicle on Pedestrian‘s Recognition« von Naoto Matsunaga et al. untersucht. Alle Probanden schätzten den Nutzen der visuellen Kommunikation und das Sicherheitsgefühl als sehr hoch ein. Die Aufforderung zum sicheren Überqueren, wie in Bild 4 links dargestellt, wurde am besten bewertet. Falls das Fahrzeug gestoppt hat und der Fußgänger sich zögerlich verhält, wird ein animiertes Blinken empfohlen.

Zusammenfassung

Insgesamt ist festzustellen, dass Exterior Displays die Verkehrssicherheit durch eine einfache visuelle Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern erhöhen. Solche Anzeigen können auch von Fahrzeugkameras automatisch erfasst und dem Fahrer auf seinem Innendisplay dargestellt werden – beziehungsweise im autonomen Fall automatisch in entsprechende Reaktionen wie Verringerung der Geschwindigkeit (Slippery) umgesetzt werden. Besonders für Fußgänger ist das Frontdisplay sehr hilfreich und erhöht die gefühlte Sicherheit besonders bei autonomen Fahrzeugen.

Zudem kann eine solches Display auch den Verkehrsfluss beschleunigen. Darüber hinaus gibt es viele weitere Anwendungen für Exterior Displays wie ein QR-Code, der eine bezahlte Parkgebührt an der Schranke für die Kamera visualisiert, sowie die Anzeige des Ladezustand eines Elektrofahrzeuges oder der Verfügbarkeit bei Shared Vehicles.

 

Die Autoren

Prof. Dr. Karlheinz Blankenbach
lehrt als Professor an der Hochschule Pforzheim auf den Gebieten Displays, Software, Physik und Elektrotechnik.

Nadine Nowak
ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät für Technik der Hochschule Pforzheim.


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