Bis vor kurzem war Blindbedienung ausschließlich ein Thema für elektromechanische Bedienelemente wie etwa Drehknöpfe - bei Touchdisplays war sie undenkbar. Dies hat sich inzwischen geändert: »Auch das Thema Blindbedienung von Touchscreens in der Industrie wird immer wichtiger«, betont Bulach. »Hier möchte der User den Prozess beobachten und einstellen, ohne dass er auf den Touchscreen schauen muss. Um dies zu ermöglichen, gibt es haptische Elemente, die auf den Touchscreen aufgebracht werden können und so als ‚Flexscape‘ genannte Kombination die Blindbedienung erlauben.« Eine weitere Möglichkeit, Blindbedienung zu gestatten, ist Bulach zufolge das Haptik-Feedback von Touchscreens: »Über eine sinnvolle Kombination mit der Visualisierung/Applikation und Anwendungslogik sind auch hier erstaunliche Möglichkeiten gegeben.« Auch taktile Rückmeldung ist also nicht mehr nur ein Thema für elektromechanische Bedienelemente, wie Ralf Nebel bestätigt, zuständig für Technical Support HMI bei U-Experten, einer Marke der UX Group, zu der auch Ultratronik gehört: »Verbesserte Techniken erzeugen ein direkt in der Hand fühlbares Feedback der spezifischen Betätigung«, teilt er mit. »Durch die implementierte Kraftmessung lassen sich auch eine mehrstufige Auslösung oder verschiedene Funktionen wie Mouse-over (etwa Hilfetexte bei leichten und Aktion bei stärkeren Berührungen) realisieren.« Darüber hinaus betrachtet Nebel »den uneingeschränkten Blickwinkel ohne Farbverschiebungen als heutzutage anerkanntes und je nach Applikation sogar notwendiges Qualitätsmerkmal eines HMIs«.
»In Sachen Design sehen wir einen Trend hin zu Metalloberflächen und kapazitiver Sensorik«, stellt Bulach klar. »Diese Kombination hat sich bisher technisch widersprochen. Durch die ‚Metalscape‘-Technik von Rafi ist sie aber möglich und lässt ganz neue Designaspekte zu.« Immer größere Bedeutung gewinnt seines Erachtens auch »das Thema ‚bring your own device‘, also die Anbindung von Tablet und Smartphone zur Prozessüberwachung, wobei die mobilen Geräte eine Ergänzung der Visualisierung darstellen und die stationären Systeme in der Industrie nicht verdrängen.«
Ein weiteres Trend-Thema bei Touchdisplay-HMIs ist Optical Bonding: »Wir sehen eine immer größere Nachfrage nach Optical Bonding, der vollflächigen optischen Verklebung von Display und Touchscreen mit der Glasfront«, führt Nebel aus. »Die leichtere Ablesbarkeit auch bei extremen Lichtverhältnissen und die höhere Robustheit gegen Schock (Sturz) und Vibration (Fahrzeuge) wegen der besseren Verbundenheit der kritischen Massen sind evident und für Branchen wie Automatisierung, Sonderfahrzeuge und Medizin unerlässlich.« Optical Bonding ist auch für Schurter ein Thema: »Das Optical-Bonding-Verfahren erfüllt die Forderung nach Sonnenlichttauglichkeit«, legt Maurer dar. »Schurter druckt die Gläser in-house auf einer vollautomatisierten Glasbedruckungsanlage. Touch-Sensoren auf Folienbasis werden im Reinraum hinter die Frontgläser maschinell laminiert, Touch-Sensoren auf Glasbasis werden mit der Flüssigverklebungsanlage automatisiert gebondet.«
Die Medizintechnik stellt an Touchdisplay-HMIs außer den üblichen industriellen noch weitere Ansprüche: »In der Medizintechnik werden zusätzlich redundante Eingabemöglichkeiten verlangt und implementiert, ein Touchscreen allein genügt dort nicht den Anforderungen«, führt Maurer aus. »Kapazitive Eingabetechniken mit getrennter Elektronik stehen dafür zur Verfügung. Wichtig ist auch Beständigkeit gegenüber Wasser und Salzwasserlösungen.«
Für volle Industrietauglichkeit müssen Touchdisplay-HMIs laut Maurer »in allen Applikationen, ob stationär oder mobil, die EMV-Anforderungen mit 10 V/m bis 40 V/m erfüllen«. Möglich sei dies »durch eine erhöhte Sensorspannung, eine RC-Filterung der Sensorleitungen und ein patentiertes Frequency-Hopping-Verfahren des Controllers«. Des Weiteren gehe der Trend »von der einfachen Systemintegration hin zu komplexen Komplettlösungen«. Die Schurter-Gruppe biete Komplettlösungen aus bedrucktem Frontglas mit integriertem kapazitivem Touch-Sensor, montiertem Display, Elektronik und Gehäuse. Ein wichtiges Kriterium vor allem für stationäre Display-Applikationen in der Industrie ist Meinhardt zufolge die Bedienung mit Handschuhen. »Außerdem wird in stationären Applikationen das Thema UHD-Auflösung immer wichtiger, während für mobile Anwendungen hauptsächlich stromsparende und sonnenlichttaugliche Systeme gesucht sind«, sagt er.