»Dieser Erholungsprozess wird sich nach unserer Einschätzung bis Oktober dieses Jahres hinziehen, um sich dann zu stabilisieren.« Mit der Entwicklung einer neuen Marktdynamik rechnet Horrig dann möglicherweise ab dem 2. Quartal 2021. Bei Camtec geht Walter davon aus, »dass 2021 jetzt zurückgestellte Investitionen nachgeholt werden«. Fischer verweist darauf, dass verschiedene Staaten bereits immense Konjunkturprogramme angeschoben haben. Er hofft deshalb, dass es 2021 gelingen wird, einen Großteil des diesjährigen Rückgangs zu kompensieren.
»So die geplanten Geldströme aus den Konjunkturprogrammen in der Wirtschaft und Wissenschaft landen, könnte die Branche sogar davon profitieren«, findet Kerl. »Unsere Kunden bewegen sich überwiegend in der Entwicklung, und neue Produkte brauchen die Firmen, um auch nach der Corona-Krise im Wettbewerb bestehen zu können.« Ausschlaggebend für die Entwicklung der nächsten Monate ist für Karl aber in erster Linie die Cash-Situation der Firmen: »Die Projekte sind ja alle nicht gestorben, sondern aus nachvollziehbaren Gründen geschoben worden.«
Bannert zeigt sich überzeugt davon, dass die eingeleiteten wirtschaftlichen Anreize der verschiedenen Regierungen weltweit sicher zu einer Belebung des Marktes führen werden. »Wir hatten diesen Effekt ja auch während der Weltwirtschaftskrise 2008/09, damals gab der Staat deutlich mehr Mittel für Forschungsprojekte frei, als das noch vor der damaligen Krise geplant war.«
Angesichts des offenbar für alle befragten Unternehmen sehr erfolgreich verlaufenen Geschäftsjahrs 2019 dürfte es vor allem von der Entwicklung der nächsten Monate abhängen, wann die Unternehmen zumindest wieder das Umsatzniveau des Jahres 2019 erreichen. »Im Prinzip sitzen auch auf der Kundenseite alle in den Startlöchern und sind bereit, Vollgas zu geben«, beschreibt Walter die aktuelle Situation am Markt. »Ich bin mir sicher, dass das auch funktionieren wird, weil Deutschland ein Land voller Ideen ist!«
Wie das im Fall Camtec aussieht, schildert Walter so: »Wir bringen jetzt gerade Produkte an den Markt, die sich per Plug & Play einfach miteinander vernetzen lassen.« Für Walter ein sinnvoller Schritt, um den Kunden einerseits das Leben zu erleichtern, indem dadurch die Systemintegrationszeit massiv reduziert wird, und gleichzeitig bietet sich dem Kunden so die Möglichkeit, die maximale Kontrolle über sein System auszuüben. »Heute muss ein Labornetzteil vernetzbar und smart sein«, so Walter, »nur Spannung und Strom einstellen können reicht schon lange nicht mehr aus«.
Im Land der Ideen hatten sich in den letzten Jahren vor allem zwei Anwendungsbereiche als Wachstumstreiber für das Labornetzteilgeschäft erwiesen: Elektrisch fahrende Fahrzeuge und der Bereich der erneuerbaren Energien. Es sind vor allem diese Anwendungsbereiche, die in den letzten Jahren die Nachfrage nach Geräten, die auch mit höheren Spannungen arbeiten können, vorangetrieben haben. Wobei Fischer darauf hinweist, dass zuletzt auch immer häufiger in Railway-Anwendungen Spannungen bis 1500 V für Testanwendungen gefordert wurden.
Im Wesentlichen sind es aber die Anforderungen im Umfeld der Elektromobilität, die den Trend zu höheren Spannungen vorantreiben. Im Zentrum stehen dabei die Tests von Hochvolt-Batterien, HV-Baugruppen sowie Solar-Invertern. Stärkere Antriebe mit mehr kW in Elektro-Fahrzeugen, -Booten, -Fluggeräten oder -Zügen erfordern eben höhere Batteriekapazitäten in Form hoher Ah oder kW beziehungsweise Brennstoffzellenleistungen.
Für die Entwickler schließlich bieten die höheren Spannungen klare Vorteile bei der Stromverteilung innerhalb ihrer jeweiligen Anwendung.
Genauso ungebrochen wie der Trend zu höheren Spannungen ist nach Auskunft der befragten Branchenkenner nach wie vor auch der Trend zu bidirektionalen Stromversorgungen. Weiter an Bedeutung gewinnt auch das Thema Rückspeisung. Die Beweggründe dafür scheinen durchaus unterschiedlicher Natur zu sein. Eine Senkung der Energieaufnahme der Geräte steht dabei nach Einschätzung von Fischer nur vordergründig im Fokus, »es geht vielmehr um deutliche Systemvereinfachungen, etwa dadurch, dass so aufwändige Kühlungen entfallen können«. Dass die Geräte regenerativ sein sollten, weil sie sich sonst in Deutschland immer schlechter verkaufen lassen, hat nach Einschätzung von Karl aber auch mit den extrem hohen Stromkosten in Deutschland zu tun, »in anderen Ländern ist diese Forderung nicht so ausgeprägt«.