Ende März schließt Dietrich Graf von Reischach nach 44 Jahren seine Personalberatung Interconsult. Damit enden auch 42 Jahre Gehaltsvergleich für die Elektronikindustrie. Zeit für einen Blick zurück – und nach vorn.
Markt&Technik: Graf Reischach, Sie haben Ihre Personalberatung Interconsult 1978 gegründet. Vor Jahren ist unser Server mal zusammengebrochen, weil wir so viele Zugriffe auf Ihren Gehaltsvergleich hatten, den so detailliert niemand sonst angeboten hat. Wie geht es Ihnen mit der Entscheidung?
Dietrich Graf von Reischach: Am 1. April ist Schluss, aber ich werde noch bis Ende des Jahres für diverse Projekte unter der gewohnten Nummer zu erreichen sein. Warum ich aufhöre? Nun, ich bin gerade 88 geworden. Dann ist es wohl auch mal Zeit, dass man aufhört. Ich kann ja nicht bis 120 arbeiten, alles ist irgendwann mal zu Ende. Aber es hat mich gefreut, dass ich in den letzten Monaten viel Zuspruch erhalten habe, als Institution bezeichnet wurde. Dass ich ein anständiger, verlässlicher Partner war. Da bin ich sehr stolz darauf.
Als Sie 1978 Interconsult gründeten, waren viele unserer Leser noch gar nicht geboren, und Headhunter waren in der Elektronik auch noch selten. Warum haben Sie damals die Selbstständigkeit gewählt?
Das hatte auch ganz handfeste, private Gründe. Vor meiner Selbstständigkeit war ich Personalleiter bei Texas Instruments und Motorola in München und sammelte dort Erfahrung im Funkgeräte- und Halbleiterbereich. Aber da gab es ja noch das Schloss hier in Riet, um das sich meine Frau kümmerte. Und glauben Sie mir, so ein altes Gebäude ist sehr aufwendig im Unterhalt. Meine Frau war also hier, ich in München – das war auf die Dauer nichts. So, und dank vieler hilfsbereiter Kontakte, wuchs die Idee mit der Personalberatung - und der Start gelang auch problemlos. Mit meiner Spezialisierung auf die Halbleiter war ich damals noch ziemlich exklusiv, die meisten anderen waren breiter aufgestellt.
Von Anfang an gab es bei Interconsult auch das M&A-Geschäft.
Sowohl M&A als auch Personalberatung setzen Vertrauen voraus. Viele der Anfragen entstanden, weil Kunden, für die wir Personal gesucht hatten, später noch weiter expandieren wollten. In all den Jahren habe ich insgesamt 15 Firmenverkäufe begleitet.
Wie hat sich der Elektronik-Arbeitsmarkt verändert im Vergleich zu früher?
Es war früher deutlich schwerer, Leute zu bekommen. Weil die Wechselbereitschaft noch nicht so ausgeprägt war – man blieb gerne bis zur Rente. Das hat sich geändert. Aktuell ist es etwas leichter, gute Leute zu finden. Bedingt durch die Entlassungen großer Firmen wie Bosch und durch Insolvenzen.
Für wie groß halten Sie die Gefahr, dass der momentane Personalabbau zu einem Abwandern ins Ausland führen könnte?
Die Frage ist absolut berechtigt. Die Tendenz, ins Ausland – etwa in die USA - zu gehen, ist da, weil die Kosten und die Bürokratie-Probleme in diesem Land einfach zu groß sind. Mal sehen, was ein Regierungswechsel daran ändert. Das Jahr 2025 wird spannend in dieser Hinsicht. Man kann nur hoffen, dass die Unternehmen, die gerade unter Druck stehen, diesen langfristig überstehen.
Wenn Sie einem jungen Menschen heute einen Rat geben sollten. Welcher wäre das?
Eine Ingenieur-Ausbildung ist schon mal gut, wenngleich das nicht unbedingt die einzige Qualifikation ist, die man haben muss. Entscheidend für ein gelingendes Arbeitsverhältnis ist, dass ein Bewerber im Vorstellungsgespräch ganz klar und offen seine Meinung sagt, was er vor hat und was er gerne möchte, was er nicht möchte und was die Position beinhalten soll. Damit er nachher auch zufrieden ist und im Unternehmen bleibt. Und die Firma muss ihm genauso klar sagen, was man sie von ihm erwartet. Dann klappt es.
Kommen wir zum Interconsult-Gehaltsvergleich. Durch seine vertikale Tiefe hatte er in der Branche ein Alleinstellungsmerkmal.
Vielleicht, weil die Erstellung eine sehr aufwendige Angelegenheit ist, die das Vertrauen der Unternehmen in uns voraussetzte. Die uns ja ihre Gehaltsdaten zur Verfügung stellten. Im Gegenzug konnten diese sich vergleichen und einschätzen, ob sie marktgerechte Gehälter zahlen.
Insgesamt 42 Ausgaben gab es vom jährlichen Gehaltsvergleich, der letzte ist aus dem Jahr 2023. Erinnern Sie sich an außergewöhnliche Jahre?
Das nicht, aber die Konjunktur spielte natürlich immer eine große Rolle.
Liefern Sie uns noch eine Einschätzung für heuer?
Ich rechne mit 5 bis 6 Prozent plus. Das ist aber optimistisch und hängt nicht zuletzt davon ab, was die kommende Regierung zustande bringt und ob die Unternehmen ihre Verunsicherung ablegen können. Denn im Moment überlegen viele, vor allem die kleineren und mittleren Unternehmen, wie es hier wohl weitergeht. Sie tragen schwer an der überbordenden Bürokratie. Ich bin zwar grundsätzlich optimistisch, dass wir das schaffen können, aber anstrengend wird es auch.
Was werden Sie vermissen?
Meine Kontakte, die ich über Jahrzehnte aufgebaut habe, die ich heute immer noch habe. Weil ich sie ja zwangsläufig nicht mehr so häufig sprechen werde.
Eine Botschaft an ihre Kunden und Partner?
Machen Sie weiter so, ehrlich und anständig.
(Interview: Corinne Schindlbeck)