Die zweite Feuertaufe für Infineon kam mit dem Erdbeben vor Japan, dem dadurch ausgelösten Tsunami und der Katastrophe von Fukushima. Sofort hat das BCMS eine Reihe von Maßnahmen ausgelöst und sofort wurden in Japan Messpunkte identifiziert, an denen die Ausbreitung der Radioaktivität verfolgt werden konnte. Evakuierungspläne wurden erstellt und später aktiviert. Auch die Radioaktivität der aus Japan zur Weiterverarbeitung in den Werken von Infineon eingeführten Produkte wurde gemessen. Von Dekontaminierungsübungen vor Ort bis hin zur Lieferung von sauberem Wasser und sauberer Nahrung nach Japan war alles geplant. »An allen Standorten haben unsere Business-Continuity-Maßnahmen gegriffen«, so Moritz.
Zudem wurden ständig die über das Internet verfügbaren Daten über die Vorgänge im Kernkraftwerk beobachtet und täglich zusammen mit den Messpunkten und den Windrichtungen in einer Sicherheitslage zusammengestellt. Auch ein möglicher Meltdown und seine Auswirkungen wurden betrachtet, etwa auf die Wasserversorgung. »Weil alles aus einer Hand geplant und vorbereitet war, konnten alle an einem Strang ziehen, die Erkenntnisse sammeln und ohne Zeit- und Reibungsverluste in Maßnahmen umsetzen. Wir waren in Kontakt mit Experten – von Kernkraftwerkstechnikern bis zu Geologen –, holten ihre Meinung ein und hatten damit ein umfassendes Lagebild, das es uns ermöglichte, jederzeit situationsangemessen reagieren zu können.«
Ralf Welter erinnert sich an einen weiteren Fall aus dem Jahr 2015. Damals kam es in einem Hafen in China zu einer katastrophalen Explosion sowie einem Brand, eine Quarantänezone wurde eingerichtet und ein Hersteller von diskreten Bauelementen war davon betroffen. TSC konnte schnell darauf reagieren. Welter: »Immer wieder haben Hersteller mit unvorhersehbaren Einflussfaktoren zu kämpfen (Überschwemmungen, Feuer, etc.). Inzwischen verfügen wir über ein umfangreiches Programm im Rahmen unseres Risiko-Managements, um auf solche Vorfälle auch schnell reagieren zu können. Für unsere Kunden ist dies ein wichtiger Aspekt und wir möchten ihnen somit die größtmögliche Sicherheit geben.«
Wichtig für Infineon genauso wie für TSC: Schwerwiegende Unterbrechungen in der Lieferkette konnten und können so vermieden werden. »Die beschriebenen Vorfälle haben gezeigt, dass Infineon den richtigen Weg eingeschlagen hat. Noch wichtiger ist aber, den Weg konsequent weiterzugehen«, erklärt Moritz. Inzwischen brauche Infineon, was das Business-Continuity-Management angehe, den Vergleich mit keinem anderen Unternehmen aus Europa zu scheuen. Das schätzen offenbar auch die Kunden, die über die vergangenen Jahre erkannt haben, wie wichtig es ist, dass ihre Zulieferer über entsprechende Systeme verfügen. »Wir werden immer intensiver und detaillierter auditiert, die Fragen zeigen, dass sich die Kunden sehr tiefgehend mit der Thematik beschäftigen.«
Genauso sieht es auch Ralf Welter: »Viele Kunden mussten über die letzten Jahre durch Naturkatastrophen und Unfälle in Zulieferbetrieben lernen, wie wichtig diese Vorsorge ist; dementsprechend kennen sie sich mittlerweile sehr gut aus.« Dass es nicht großer Katastrophen bedarf, sondern häufig kleine Fehler, die eigentlich niemals auftauchen dürften, große Wirkungen nach sich ziehen, zeigt das jüngste WannaCry-Beispiel von TSMC. Umso wichtiger, dass dann ausgeklügelte Pläne in Kraft treten können, die die Auswirkungen in Grenzen halten.