Ionenfallen-Quantencomputer

Leibniz-RZ kauft 20-Qubit-System von AQT

7. Dezember 2023, 6:30 Uhr | Heinz Arnold
Blick in die Ionenfalle des Quantencomputers von AQT.
© AQT/D.Kühl

Zusammen mit dem Munich Quantum Valley beschafft das Leibniz-Rechenzentrum einen Quantencomputer von AQT, der auf einem Ionenfallen-Quantenprozessor basiert.

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Zusammen mit dem Munich Quantum Valley (MQV) kauft das Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (BAdW) einen Quantencomputer von Alpine Quantum Technologies (AQT) für sein Quantum Integration Centre (QIC). Der Quantenprozessor (QPU) des Computers arbeitet mit 20 Qubits, implementiert in einer Ionenfalle. Er steht den sieben Mitgliedsorganisationen des MQV vorrangig für Forschungszwecke im Bereich Systemsoftware zur Verfügung. Das neue Ionenfallen-System von AQT finanzieren die Bayerischen Staatsministerien für Wissenschaft und Kunst (StMWK) sowie für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (StMWi) im Rahmen der Hightech Agenda Bayern mit rund 9,8 Millionen Euro.

Der neue Quantencomputer bietet dem MQV und dem LRZ breite Einsatzmöglichkeiten und unterstützt die Software-Entwicklung. Ziel ist, Systemsoftware und Programmierumgebungen zu implementieren und sie mit Hilfe von praktischen Anwendungen und gemeinsam mit Partnerunternehmen aus dem MQV-Ökosystem zu evaluieren. Außerdem soll der Quantencomputer zur Beschleunigung in die Hoch- und Höchstleistungs-Computer des LRZ integriert und effiziente Workflows für das Supercomputing entwickelt werden. Durch die Kooperation von AQT und MQV werden weitere Entwicklungsaufgaben entstehen, etwa im Bereich Kontrollelektronik oder Lasertechnologien.

»Dass sich das Leibniz-Rechenzentrum für unser neues Ionenfallen-Quantensystem entschieden hat, werten wir als Bestätigung unserer Erfahrungen und Entwicklungsarbeiten. Jetzt sind wir gespannt darauf, die vielen unterschiedlichen Anforderungen aus dem Munich Quantum Valley an unser 20 Qubit-System kennenzulernen und es damit weiterentwickeln zu können«, sagt Dr. Thomas Monz, CEO und Mitgründer AQT, Innsbruck.

Von Laserstrahlen gesteuert

Auch wenn Forschungsteams weltweit schon Quantencomputer nutzen und dafür erste Applikationen programmieren, lässt die neue Technologie noch viel Raum für Entwicklungen. Offen ist beispielsweise, welche Hardware sich hinsichtlich Skalierbarkeit, Wirtschaftlichkeit und insbesondere Zuverlässigkeit beim Rechnen durchsetzen wird.

Ebenso unklar ist, welche Art von Quantencomputern sich am besten für welche Aufgaben eignet. Das LRZ experimentiert bereits heute mit Systemen, in denen Quantenbits mit supraleitenden Schaltkreisen realisiert werden. Sie lassen sich nur bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt (-273 Grad Celsius) betreiben und sind empfindlich gegenüber Störungen. Gesteuert von Mikrowellen können Systeme mit einer großen Anzahl von Qubits skaliert werden.

Bei Raumtemperatur funktionsfähig

Das AQT-System arbeitet indes mit Qubits aus Ionen, die in Fallen eingefangen und mit Laserstrahlen manipuliert werden. Zwar sind die Operationen an diesen Qubits langsamer, aufgrund der besseren Abschirmung und Unempfindlichkeit sind die Fehlerraten jedoch geringer, und das System kann bei Raumtemperatur betrieben werden. Nur die kleine Ionenfallen-QPU selber muss gekühlt werden.

Das Quantensystem von AQT braucht deshalb keine spezielle Kühl-, Wasser- oder Energieinfrastruktur und benötigt im Betrieb nur etwa 2 kW elektrische Leistung – weniger als ein Wasserkocher. Sein Quantenregister aus 20 Ionen steuern zwei Laserstrahlen mit 729 nm. Für Rechenoperationen können die Qubits damit gezielt paarweise zur Verschränkung gebracht werden.

Das gesamte AQT-Quantensystem aus Ionenfalle, Laser- und Kameraeinheit plus Steuerelektronik passt in zwei 19-Zoll-Racks wie sie in Rechenzentren üblich sind. Das Start-up liefert seinen Quantencomputer, der in Zusammenarbeit mit der Universität Innsbruck entwickelt und validiert wurde, mit Software-Bibliotheken aus, die mit gängigen Plattformen wie Qiskit, Cirq, Pennylane, Project Q oder Qoqo kompatibel sind und damit das Programmieren vereinfachen.

Seinen Platz bekommt das Ionenfallen-System im QIC des LRZ, dem Forschungslabor für die Integration von Quantensystemen in Supercomputer.

»Wir freuen uns darauf, diese neue Quantentechnologie erforschen und in unsere Software-Arbeiten am LRZ und im MQV einbinden zu können. Für das Projekt Q-DESSI ist das Ionenfallen-System von AQT ein Gewinn – seine technischen Eigenheiten sorgen für Vielfalt und führen dazu, dass die Programmierumgebung und Systemsoftware des Munich Quantum Softwarestacks breiter aufgestellt wird«, sagt Prof. Dr. Martin Schulz, Technische Universität München (TUM) und Mitglied des Direktoriums des LRZ sowie Leiter des Q-DESSI-Konsortiums des MQV.

Über eine Cloud-Anbindung können die Partner-Organisationen von MQV und LRZ auf den AQT-Quantencomputer zugreifen. Später wird das System in die High Performance Computing-Ressourcen des LRZ eingebunden, das klassische Supercomputing ergänzen sowie wissenschaftliche Simulationen beschleunigen. Zentrales Ziel: Schnittstellen zu klassischen Computern und zwischen den unterschiedlichen Quantentechnologien zu entwickeln. Diese Arbeiten werden im Rahmen von Q-DESSI, ein Forschungsprogramm des MQV, und weiteren Projekten am LRZ vorangetrieben und münden im plattformunabhängigen Munich Quantum Software Stack. Dabei können nun auch Bedingungen eines Ionenfallen-Systems berücksichtigt werden, wodurch die Programmier-Umgebung vielseitiger, flexibler und universeller wird.

»Mit dem neuen Ionenfallen-Quantensystem von AQT erweitern wir das Spektrum der im Munich Quantum Valley verfügbaren Quantencomputer wesentlich«, freut sich Prof. Dr. Rudolf Gross, wissenschaftlicher Leiter Munich Quantum Valley (MQV)

»Das LRZ stellt diese Technologie allen MQV-Mitgliedern zur Erprobung von Quantencomputing-Anwendungen zur Verfügung. Wir freuen uns, dass wir auf diese Weise vielen Anwendern und Anwenderinnen einfachen Zugang zu Quantencomputern ermöglichen und damit ihrer breiten Nutzung in Forschung und Industrie den Weg bereiten können.«


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