»Über generative KI war in der letzten Zeit viel in der Presse zu lesen. Es sieht so aus, als ob Generative KI der Urknall der modernen Zeit ist«, so Van den hove weiter. Bei aller Euphorie verweist Van den hove aber auf das Problem, das mit dem stark steigenden Bedarf an Rechenleistung einher geht. »Die benötigte Rechenleistung für KI explodiert und wir sind heute erst am Anfang. Und um diese Anforderungen erfüllen zu können, sind deutlich performantere Halbleiter und Systeme notwendig, ich spreche hier von einem Faktor von 1000 in Hinblick auf Performance, Leistungseffizienz und Komplexität innerhalb der nächsten fünf Jahre.«
Aber wie lässt sich diese exponentielle Wachstum in Hinblick auf die Rechenleistung realisieren? Einen Beitrag wird aus der Sicht von Van den hove auch weiterhin Moore’s Law liefern. »Die Skalierung ist auch heute noch der einzige Ansatz, mit dem sich die Komplexität exponentiell steigern lässt.« Und weiter: »Zusammen mit ASML schreiben wir die Roadmap für die Skalierung fort, und ermöglichen den Übergang von EUV- zu High-NA-EUV-Lithographie. Hier arbeiten wir mit dem gesamten Ecosystem zusammen, um die Einführung in die Serienfertigung zu beschleunigen. Letztes Jahr haben wir eine Roadmap präsentiert, wie eine weitere Skalierung über die nächsten zwei Dekaden aussehen könnte, und wir sind auch jetzt noch überzeugt, dass sich diese Skalierungs-Roadmap mit neuen Materialien, neuen Lithographie-Systemen, neuen Interconnect-Ansätzen sowie neuen Transistorarchitekturen wie CFETs umsetzen lässt.«
»One Size fits all« – die Zeiten sind vorbei
Auch wenn die Skalierung weitergeht, und damit mehr Transistoren integriert werden können, bleiben Probleme wie Leistungsaufnahme (Power-Wall) und damit Wärmeerzeugung oder Zugriffsgeschwindigkeit auf die Daten (Memory-Wall) bestehen. »Es ist tatsächlich so, dass in manchen KI-HPC-Arbeitslasten die Prozessoren nur weniger als drei Prozent der Zeit aktiv sind, den Großteil der Zeit warten sie auf Daten. Das heißt, wir müssen unsere Speicherarchitektur und die Interconnects neu überdenken, wir benötigen radikale Innovationen auf Architekturebene.«
Van der hove ist überzeugt, dass auch in diesem Fall nur ein großes Portfolio an Technologiemöglichkeiten hilft, um diese Probleme in den Griff zu bekommen, sodass es möglich wird, die jeweils beste Technologieoptionen für eine spezielle Aufgaben mit anderen zu kombinieren. Also auch hier stellt der Chiplet-Ansatz seiner Überzeugung nach eine gute Möglichkeit dar. Darüber hinaus besteht aber auch die Möglichkeit, in die dritte Ebene zu gehen. Dabei könnte die unterste Schicht der Versorgung dienen, gefolgt von einer Schicht Logik, gefolgt von zwei weiteren Schichten für den L1- und den L2-Cache. Auch dabei ist es möglich, dass jede Schicht mit der für sie richtigen Technologie gefertigt werden kann und dass die Transistoren für ihre speziellen Aufgaben optimiert werden.
»Wir sind überzeugt, dass genau dieser Ansatz der Weg ist, um die Roadmap fortzuschreiben«, so Van den hove. Denn damit wäre möglich, dass die fortschrittlichsten Transistoren nur noch in Hinblick auf Dichte und schnelles Schalten optimiert werden müssen, was eine deutlich einfachere Skalierung ermöglicht, als wenn die Transistoren für alle möglichen Anforderungen optimiert werden müssten. Van den hove: »Das ist ein Weg, um Moore‘s Law zu erweitern. Wir nennen diese Roadmap CMOS 2.0, die nächste Phase von Moore‘s Law mithilfe des 3D-Stacking-Ansatzes.« Die dafür notwendigen Kühlsysteme hat das Imec bereits entwickelt. Van der hove mahnt: »Wenn man die explodierende Nachfrage nach höherer Rechenleistung adressieren will, ohne neue Technologien, dann wird der Strombedarf der Rechner irgendwann die Energieproduktion der Welt überschreiten. Also sind neue Rechenparadigmen und neue Technologien mit leistungsfähigeren Transistoren absolut notwendig.«
Chips-Acts sind wichtig, aber
Van der hove hält es natürlich für gut, dass mittlerweile jeder die strategische Wichtigkeit von Halbleitern erkannt hat und er versteht auch, dass die verschiedenen Regionen durchaus daran interessiert sind, dass sie über eine sichere und resiliente Supply-Chain verfügen.Deshalb die Chips-Acts rund um die Welt. Doch Van den hove betont auch: »Die Stärke unserer Halbleiterindustrie beruht auf Zusammenarbeit nicht auf Teilung. Um den schnellstmöglichen Fortschritt zu erreichen, müssen wir die Experten, die Besten der Besten, zusammenbringen. Das sollte unserer Überzeugung nach die Philosophie hinter den verschiedenen Chips-Acts sein. Sie sollten einerseits helfen, die Stärken der einzelnen Regionen zu betonen, andererseits sollten sie aber auch die internationale Verbindung vereinfachen, um das gesamte Ecosystem auf ein höhere Niveau zu bringen. Es geht nicht um Duplizierung oder um die Trennung der Welt. Es geht vielmehr um eine intelligente Wiederverbindung. Eine Entkopplung würde dazu führen, dass lokale Forschung dupliziert wird, es würde die Kosten erhöhen und die Innovationsgeschwindigkeit senken. Unsere Industrie ist global und steht außer Frage, dass die Halbleiterindustrie genau davon profitiert hat, dass sie auf ein eng verzahntes Ecosystem zurückgreifen kann.«
Wenn die verschiedenen Chips-Acts intelligent umgesetzt werden, können sie aus der Sicht von Van der hove tatsächlich dazu beitragen, Innovationen zu beschleunigen werden. Und genau das sei angesichts der vielfältigen Krisen notwendig. »Es sind eine stärkere Zusammenarbeit über Kontinente entlang der gesamten Wertschöpfungskette notwendig. Noch einmal: ›Bringing together the best of the best‹ – genau so wie es damals bei der Mondlandung in den 60er-Jahren war. Wir wollen dieses Mal nur nicht zum Mond, wir wollen das Leben auf der Erde verbessern.«