Auch wenn viele über die zunehmende Verunsicherung aufgrund des Handelskriegs zwischen USA und China klagen, die jetzt immer heftiger werdende Auseinandersetzung zwischen China und Taiwan könnte weit schlimmere Folgen haben.
Chinas Exporte brechen derzeit im Rahmen der Handelsstreitigkeiten mit den USA ein. Das ist nicht schön, aber wie Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman vor Kurzem in einem Interview sagte, aus wirtschaftlicher Sicht für die Weltkonjunktur als vorübergehendes Ereignis verkraftbar.
Anders dürfte es wohl aussehen, wenn Xi Jinping seinen Worten vom Jahresbeginn 2019 Taten folgen lässt, was Taiwan angeht. In einer Rede drohte Chinas Präsident der Insel am 2. Januar mit Zwangsvereinigung. „Ein Land, zwei Systeme“ – die Losung klingt vertraut. Was das mittel- und langfristig bedeutet, lässt sich seit 1997 am Beispiel Hongkong beobachten.
Welche Konsequenzen eine Umsetzung von Xis Drohung für die globale Halbleiterbranche haben würde, macht ein Blick auf offizielles Zahlenmaterial deutlich. Taiwan ist laut dem Industrial Technology Research Institut (ITRI) der viertgrößte Memory-Chip-Hersteller mit 10 Prozent Marktanteil. Den Foundry-Markt bestimmen taiwanische Firmen zu 70 Prozent, 50 Prozent des IC-Packagings und des IC-Testings finden in Taiwan statt und Taiwan steht für etwa 20 Prozent der globalen IC-Designs. Marktforscher IHS sah taiwanische Hersteller 2017 verantwortlich für mindestens 6 Prozent des Welthalbleiterumsatzes. Das Foundry-Geschäft, ohne das zahlreiche Fabless-Unternehmen überhaupt nicht existieren könnten, floss in diese Betrachtung gar nicht ein.
Fortschrittlichste Halbleitertechnologie im direkten Einflussbereich chinesischer Machthaber? Aus Sicht vieler Branchen-Insider, mit denen wir in den vergangenen Jahren gesprochen haben, ein No-Go! Die Einschätzung der Branche war in den letzten Jahren klar: Sollte China versuchen, Taiwan unter seine Kontrolle zu bekommen, hätte das bei entsprechender Reaktionszeit eine Verlagerung des Großteils der Halbleiterproduktion aus Taiwan an andere Produktionsstandorte zur Folge.
Vielleicht haben die Verantwortlichen bei TSMC, UMC oder Vanguard International Semiconductor, die zusammen pro Quartal über 10 Milliarden Dollar Umsatz machen, ja schon Exit-Pläne in der Schublade. Es dürfte jedoch deutlich schwieriger und langwieriger sein, eine Halbleiterfertigung zu verlegen, als die jetzt unter dem Eindruck der Importschutzzölle in die USA zu beobachtende Produktionsverlagerung elektronischer Komponenten und Subsysteme aus dem Südosten Chinas in die Nachbarländer.
Und dann bleibt noch die Frage, was Trump unternimmt, wenn Xi wirklich nach Taiwan greift. Angesichts der Bedeutung Taiwans für die Halbleiterbranche und ihre Kunden müsste er Taiwan eigentlich schützen – aber wer weiß bei diesem Präsidenten schon, was er tun wird? So gesehen könnte Xi wirklich zum Game-Changer für die Halbleiterbranche werden.