Germanium-Zinn

Eine neue Alternative zu Silizium-Transistoren

28. April 2023, 9:45 Uhr | Heinz Arnold
Elektronenmikroskopische Aufnahmen des Germanium-Zinn-Transistors: Der Aufbau folgt einer 3D-Nanodrahtgeometrie, ein Design, das auch für die neueste Generation von Computerprozessoren verwendet wird.
© Forschungszentrum Jülich

Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich haben einen Germanium-Zinn-Transistor entwickelt, der neue Perspektiven für High-Performance-Chips, Quantencomputer und PICs eröffnet.

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Denn die Elektronenbeweglichkeit in den Transistoren auf Basis der neuen Silizium-Zink-Legierung liegt deutlich über der von reinem Silizium und reinen Germanium. Damit können diese Transistoren an niedrigeren Spannungen arbeiten als heutige Siliziumtransistoren. Ein Germanium-Zinn-Transistor erreicht eine 2,5-fach höhere Elektronenbeweglichkeit als ein vergleichbarer Transistor aus reinem Germanium, wie Experimente ergeben haben. »Das Germanium-Zinn-System, das wir erprobt haben, macht es möglich, die physikalischen Grenzen der Siliziumtechnologie zu überwinden«, erklärt Qing-Tai Zhao vom Peter Grünberg Institut (PGI-9) des Forschungszentrums Jülich. Der Transistor ist damit ein vielversprechender Kandidat für künftige Low-Power- und High-Performance-Chips und könnte sich als nützlich sowohl für die Entwicklung von Quantencomputern als auch für photonische ICs erweisen.
  
»Entsprechend Moore´s Law sind die Strukturen der Transistoren inzwischen bei nur noch 2 bis 3 nm angekommen. Das entspricht etwa zehn Atomdurchmessern. Damit bewegt man sich an den Grenzen des Machbaren, viel kleiner geht es nicht«, erklärt Prof. Qing-Tai Zhao.
 
Schon länger suchen Forscher deshalb nach einem Ersatz für Silizium, dem Grundstoff der Halbleiterindustrie. »Die Idee ist, ein Material zu finden, das günstigere elektronische Eigenschaften aufweist und mit dem man die gleiche Performance bei größeren Strukturen erzielen kann«, so Qing-Tai Zhao.
 
Im Fokus der Forschung steht unter anderem ein Material, das bereits in den Anfängen der Computerära zum Einsatz kam: Germanium. Elektronen können sich darin deutlich schneller bewegen als in Silizium, zumindest in der Theorie. Qing-Tai Zhao und seine Kollegen gingen jetzt noch einen Schritt weiter. Um die elektronischen Eigenschaften weiter zu optimieren, bauten sie Zinn-Atome in das Germanium-Kristallgitter ein. Das Verfahren wurde vor einigen Jahren am Peter Grünberg Institut (PGI-9) des Forschungszentrums Jülich entwickelt.
 
Ein weiterer Vorteil: Das neue Material ist mit dem bestehenden CMOS-Prozess zur Chip-Herstellung kompatibel. Germanium und Zinn stammen aus der gleichen Hauptgruppe im Periodensystem wie Silizium. Die Germanium-Zinn-Transistoren ließen sich daher mit bestehenden Produktionslinien direkt in konventionelle Siliziumchips integrieren.

Der Germanium-Zinn-Prozessor wurde in der Helmholtz Nano Facility hergestellt, der zentralen Technologieplattform für die Herstellung von Nanostrukturen und Schaltungen in der Helmholtz-Gemeinschaft.
Der Germanium-Zinn-Prozessor wurde in der Helmholtz Nano Facility hergestellt, der zentralen Technologieplattform für die Herstellung von Nanostrukturen und Schaltungen in der Helmholtz-Gemeinschaft.
© Forschungszentrum Jülich / Sascha Kreklau

Viel Potenzial für die Computer der Zukunft
 
Neben klassischen Digitalrechnern könnten auch Quantencomputer von dem Germanium-Zinn-Transistor profitieren. Schon länger gibt es Bestrebungen, Teile der Steuerelektronik direkt auf dem Quantenchip anzubringen, der im Innern eines Quantencomputers bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt betrieben wird. Messungen legen nahe, dass Germanium-Zinn-Transistoren unter diesen Bedingungen deutlich besser funktionieren als solche aus Silizium.
 
»Die Herausforderung besteht darin, einen Halbleiter zu finden, der auch bei tiefsten Temperaturen noch mit geringen Spannungen schaltbar ist«, erklärt Qing-Tai Zhao. Für Silizium flacht diese Schaltkurve unterhalb von 50 Kelvin ab. Die Transistoren benötigen dann eine hohe Spannung und viel Energie. Die entstehende Wärme führt letztlich zu Störungen der empfindlichen Quantenbits. »Germanium-Zinn schneidet bei Messungen bis zu 12 K besser ab und es besteht die Hoffnung, das Material auch bei noch niedrigeren Temperaturen einzusetzen«, so Qing-Tai Zhao.
 
Der Germanium-Zinn-Transistor könnte sich zudem als nützlicher Baustein für die optische On-Chip-Datenübertragung erweisen. Die Übermittlung von Informationen mit Lichtsignalen ist bereits in vielen Datennetzen Standard, weil sie erheblich schneller und energiesparender ist als der Transfer über elektrische Leiterbahnen. Im Bereich der Mikro- und Nanoelektronik werden Daten dagegen meist noch elektrisch übertragen. Institutskollegen der Jülicher Arbeitsgruppe von Dr. Dan Buca haben in der Vergangenheit bereits einen Germanium-Zinn-Laser entwickelt https://www.elektroniknet.de/smarter-world/erster-germanium-zinn-halbleiterlaser-fuer-siliziumchips.116159.html, der die Möglichkeit schafft, Daten direkt auf einem Siliziumchip optisch zu übertragen. Der Germanium-Zinn-Transistor ist nun ein weiterer Baustein, um die optische und elektrische Datenübertragung auf photonischen ICs (PICs) zu vereinen.

Die Forschung wurde teilweise vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des »ForMikro«-Projekts für »SiGeSn-NanoFETs« unterstützt.


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