Mit ‚Windows 10 IoT Core‘ erweist sich die zweite Version der neuen Produktfamilie als für die Industrie relevant. Dabei handelt es sich um eine kompakte Ausführung für kleine Geräte – wie einfache Embedded-Computer –, die auf einer ARM- oder X86-Architektur basieren. Für die Core-Version sind derzeit allerdings nur vier Development Boards (Raspberry PI 2 und 3, Minnowboard Max und DragonBoard) erhältlich, für die Board-Support-Packages angeboten werden. Die Core-Version umfasst keine Bedienoberfläche im eigentlichen Sinn, sondern der Anwender startet direkt in eine Applikation. Die Ausgabe der Grafik beschränkt sich also auf eine Applikation, die eine Universal-App sein muss. Normale Win32-Applikationen lassen sich zwar starten, die Ausgabe ist jedoch lediglich über eine Remote Session ersichtlich.
Die Core-Version beinhaltet ebenfalls die Lockdown-Funktionen. Sie soll in kleinen Geräten wie HMIs, Messkomponenten, Kameras, Barcode-Lesern oder Druckern eingesetzt werden, die geringe Leistungsanforderungen und einfache Benutzer-Interfaces haben. Mit ‚Windows IoT Core‘ verfolgt Microsoft zudem eine konsequente Vereinheitlichung der früheren Versionen (Embedded, Compact) zu einer durchgängigen Entwicklungsumgebung.
Im Vergleich zu den Vorgänger-Versionen ‚Windows Embedded Compact‘ verfügt die ‚IoT Core‘-Version über eine grundlegende Einschränkung. Durch die Vereinheitlichung des Kernels entfällt die Echtzeit-Unterstützung. Ferner sind unterschiedliche Technologien nicht mehr erhältlich: Applikationen, die GDI, MVC, WinForms oder WPF nutzen, müssen jetzt auf XAML, DirectX und HTML umgeschrieben werden. Der Portierungsaufwand für native Win32- oder .NeT-Applikationen kann gering, oder je nach Strukturierung auch beträchtlich sein. Ist eine Applikation beispielsweise nach dem Muster des Model-View-Controllers (MVC) entwickelt worden, gestaltet sich die Anpassung auf XAML deutlich einfacher als bei einer unstrukturierten Programmierung. Der Aufwand hängt ferner von den verwendeten Libraries ab. Bei Anwendungen, die nur eine einzelne Applikation starten, sollte darauf gewartet werden, bis ‚Windows 10 IoT‘ Core für alle Plattformen lieferbar ist.
Auf dem industriellen Embedded-Markt spielt das Betriebssystem Linux heute eine wesentliche Rolle. Mit der neuen Embedded-Version ‚Windows 10 IoT‘ erhofft sich Microsoft daher neue Anwender. Die Chancen stehen nicht schlecht, doch es dürfte viel Überzeugungsarbeit notwendig sein. Dies betrifft vor allem den Maschinenbau, denn besonders dort, wo keine Vernetzung vorliegt, somit Stand-Alone-Maschinen in großer Stückzahl produziert werden, wollen die Maschinenbauer zukünftig ebenso Lizenzkosten sparen. Der Geschwindigkeit der Integration von Cloud-Diensten in die Fertigungs- und Anlagensteuerung kommt dabei eine große Bedeutung zu. Phoenix Contact arbeitet schon seit einigen Jahren an dieser Thematik und stellt beispielsweise Cloud-Systeme für Profinet zur Verfügung.