Die deutsche Industrie befindet sich im Umbruch, was natürlich gravierende Folgen für die etablierten Kooperationsmodelle in Forschung und Entwicklung (R&D) hat. Werden die heutigen Modelle den aktuellen Herausforderungen noch gerecht? Wie lassen sie sich zukunftsfähiger gestalten?
Die deutsche Industrie steht derzeit in vielerlei Hinsicht unter erheblichem Druck: Hohe Energiekosten, Fachkräftemangel, zunehmende regulatorische Anforderungen und geopolitische Instabilitäten prägen die wirtschaftliche Realität. Gleichzeitig verliert die über Jahrzehnte etablierte, globale technologische Vormachtstellung einzelner Branchen wie der Automobilindustrie oder des Maschinenbaus zunehmend an Substanz. Parallel dazu nehmen Cyberangriffe auf Unternehmen und kritische Infrastruktur durch staatliche und nicht-staatliche Akteure zu.
Im internationalen Vergleich ist die deutsche Industrie stark fragmentiert, vielschichtig zusammengesetzt und besteht aus einer Vielzahl kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU). Werden nun die etablierten Kooperationsmodelle im Bereich Forschung und Entwicklung (R&D) den aktuellen Herausforderungen noch gerecht? Wie können sie zukunftsfähiger gestaltet werden?
Weltweit sehen sich technische Fachkräfte in der Entwicklung mit einer wachsenden Komplexität technischer Systeme konfrontiert. Zugleich verkürzen sich Entwicklungs- und Innovationszyklen, was eine schnelle Reaktionsfähigkeit erfordert. Der Softwareanteil in Produkten steigt zudem kontinuierlich, wodurch klassische Entwicklungsprozesse zunehmend an ihre Grenzen stoßen. Hinzu kommen wachsende Anforderungen an die Cyber-Sicherheit, die systemübergreifendes Denken und Handeln verlangen.
Branchenübergreifend ist die deutsche Industrie geprägt durch OEMs (Original Equipment Manufacturers) sowie ein- oder mehrschichtige Zuliefererunternehmen, und zwar sowohl in der Fertigung als auch in der Produktentwicklung. Die Vorteile externer Entwicklungsdienstleister liegen auf der Hand: Einsparung fixer Personal- und Infrastrukturkosten, Skalierbarkeit und Flexibilität, Spezialisierung bzw. Fokussierung auf Kernkompetenzen sowie Risikominimierung. Entwicklungsrisiken werden dabei häufig durch die Forderung nach Festpreis- oder Pauschalangeboten auf die Zulieferer übertragen.
Bei der Auftragsvergabe von Entwicklungsdienstleistungen spielen technische Anforderungen (Requirements) eine entscheidende Rolle. Im Falle von Festpreisprojekten dienen sie als Grundlage für kommerzielle Bewertung, Angebot und Abnahme der Services. Dienstleistungen lassen sich auf diese Weise gut in klassische Prozessmodelle wie das V-Modell integrieren. Schnittstellen zwischen höheren und tieferen Systemebenen sind häufig auch Schnittstellen zwischen OEM und Zulieferer. Requirements sind die technische Grundlage an diesen Schnittstellen.
Angesichts der anfangs genannten Herausforderungen stoßen diese Modelle jedoch zunehmend an ihre Grenzen. Die steigende Komplexität technischer Systeme führt zu einer exponentiellen Zunahme von Requirements, was den Aufwand für deren Erhebung, Abstimmung, Pflege sowie Management erhöht und infolgedessen die Time-to-Market verlängert. Kürzere Innovationszyklen erfordern schnelle und niederschwellige technische Entscheidungen, die durch notwendige kommerzielle Abstimmungsprozesse zwischen den handelnden Unternehmen erschwert werden. Auftraggeber und Auftragnehmer müssen sich betreffs Anfragen, Angeboten, Vertragswesen und Change Requests einigen und verlieren dadurch wertvolle Zeit. Hinzu kommt, dass entscheidende Innovationen aufgrund der schwierigeren Quantifizierbarkeit und höheren Risiken eher gemieden werden.
Der zunehmende Software-Anteil macht agile Entwicklungsmethoden erforderlich, deren wirtschaftliche Bewertung naturgemäß schwieriger ist. Cyber-Security-Maßnahmen müssen systemübergreifend und ganzheitlich gedacht werden, was ein gemeinsames Verständnis und Commitment der beteiligten technischen Entscheidungsträger voraussetzt. Zudem sind viele notwendige Aktivitäten im Vorfeld schwer kommerziell bewertbar und über Unternehmensgrenzen hinweg nur mit erhöhtem Aufwand umsetzbar.
Wie kann die deutsche Industrie ihre etablierten Strukturen des Industriezeitalters beibehalten und gleichzeitig vor den Herausforderungen des Digitalzeitalters bestehen?
Ein Umdenken in der Zusammenarbeit zwischen OEMs und Entwicklungsdienstleistern kann hierzu beitragen. Eine vertrauensbasierte Kooperation, die sich von detaillierten Anforderungskatalogen löst, bietet entscheidende Vorteile: Der administrative Aufwand sinkt, technische Entscheidungen lassen sich schneller treffen, agile Methoden sind leichter anzuwenden, und die Cyber-Resilienz entstehender Produkte verbessert sich spürbar.
Konkrete Maßnahmen für eine solche Zusammenarbeit könnten unter anderem darin bestehen, Lastenhefte schlanker zu formulieren und auf verbindliche Festpreis-/Pauschalangebote zu verzichten. An deren Stelle treten Aufwandsabschätzungen nach dem Time-&-Material-Prinzip. Gemeinsame Ziele und Commitments werden vertraglich festgehalten, etwa in Form eines Memorandum of Agreement. Der Zulieferer gewährt dem Auftraggeber tiefen Einblick in sein Projektmanagement und bietet volle Transparenz bei Kosten und Leistungen. Alle in Rechnung gestellten Leistungen müssen sich dabei an den gemeinsam definierten Zielen orientieren, die als Kompass und Leitfaden dienen.
Auf Seiten des OEMs scheint der daraus resultierende Nachteil offensichtlich: Entwicklungsrisiken und Kostenpotenziale kehren zum Teil wieder ins eigene Haus zurück. Zuliefererangebote sind nicht mehr direkt 1:1 vergleichbar. Auch für Lieferanten stellen sich Fragen: Wie wird Aufwand nachgewiesen? Wie viel Transparenz ist erforderlich? Welche Kriterien gelten für Abnahme und Rechnungsstellung?
Die neue Zusammenarbeit verlangt detaillierte Abstimmungen und das Abweichen von etablierten Vertragsmodellen. Auf der Habenseite stehen jedoch mit schnellerer Markteinführung, höherer Innovationskraft und besserer Cyber-Resilienz entscheidende Wettbewerbsvorteile.
Weil das Vertrauen der Auftraggeber in die Auftragnehmer und aufwändigere Abstimmungen eine größere Rolle spielen, sinken Anzahl und Volatilität der Zulieferer in diesem Modell. Besonders gefragt sind Partner mit tiefer und breiter Technologiekenntnis, die viele Aspekte der Produktentwicklung abdecken können. Gerade im Kontext von Cyber-Security spielen zudem sichere IT-Systeme der Zulieferer eine wichtige Rolle.
Heitec bietet hochwertige und durchgängige Lösungen und Services in den Bereichen Automatisierung, Digitalisierung, Elektronik sowie Anlagen- und Sondermaschinenbau. Als Anbieter von Elektronik und Embedded-Systemen erfüllt das Unternehmen hohe technische und sicherheitsrelevante Standards und ist zertifiziert nach ISO 27001, TISAX, ISO 9001, NSQ100 und ISO 13485.
Letztlich verlangen die Herausforderungen des Digitalzeitalters neue Formen der Zusammenarbeit in der Industrie. Vertrauen, Transparenz und gemeinsame Zielorientierung ersetzen starre Vertragsmodelle und ermöglichen schnellere, innovativere und sicherere Produktentwicklung. Wer heute mutig neue Wege geht, sichert sich die Wettbewerbsfähigkeit von morgen.