Die gesamt Fahrzeugarchitektur steht vor großen Veränderungen – weg von einer Vielzahl einzelner Steuergeräte hin zu einem Domänen-basierten Netzwerk bzw. sogar einer echten Server-Struktur mit einigen wenigen zentralen Großrechnern im Auto. Was bedeutet diese Entwicklung für Autosar?
Bei den Zentralrechnern, die wir als „Vehicle Brains“ bezeichnen, wird auf jeden Fall Adaptive zum Einsatz kommen. Ebenso bei den Domänen-Steuergeräten bzw. Zonenintegratoren, die für einen bestimmten Fahrzeugbereich die benötigten Funktionen zusammenfassen. Anders sieht das bei intelligenten Sensoren und Aktoren aus. Dort wird wahrscheinlich weiterhin Classic laufen. Der Gedanke, sich bei der Funktionsentwicklung weitgehend von der Rechner-Hardware zu lösen, gehörte immer schon zu Autosar. Der Übergang zu zentralisierten Rechnern, die ihre Ressourcen nahezu beliebig auf unterschiedliche Aufgaben verteilen können, ist letztlich nur eine Fortführung dieser Idee auf einem noch höheren Abstraktionslevel.
Beim konkreten Designprozess dürfte sich der Wechsel zu einer zentralisierten Netzwerkarchitektur aber schon bemerkbar machen…
Mit den Änderungen im Bordnetz geht auch eine Verlagerung von Zuständigkeiten einher. Bei den Zentralrechnern werden die OEMs die Verantwortung an sich ziehen, weil dort die wirklich wettbewerbsdifferenzierenden Entwicklungen stattfinden. Dass Tier-1 – wie heute bei vielen Steuergeräten üblich – komplette Systeme zuliefern, wird bei den Vehicle Brains so nicht mehr die Regel sein. Darüber hinaus müssen auch die Entwicklungswerkzeuge den neuen Strukturen angepasst werden. Ein Tool wie beispielsweise CANoe ist ja bislang vor allem für die Analyse des Netzwerks ausgelegt. Wenn die relevanten Interaktionen zukünftig aber überwiegend innerhalb eines zentralen Steuerrechners stattfinden, dann müssen die Entwickler tiefer in ein solches System hineinschauen können. Daran arbeiten wir gerade.
Speziell im Infotainment-Bereich fassen zunehmend auch Linux- oder Android-Systeme Fuß. Entsteht da eine neue Konkurrenz für Autosar?
Wir sehen Systeme im Markt, die gut gepflegt sind und umfangreiche Libraries für Infotainment-Anwendungen mitbringen. Doch da halten wir uns raus: Die Entwicklung solcher Bibliotheken ist definitiv nicht unser Ziel. Wir setzen stattdessen auf eine Kombination beider Welten – also Linux/Android und Autosar Adaptive. Dazu kommt in den entsprechenden Steuergeräten ein Hypervisor zum Einsatz, der im Prinzip beliebig viele Partitionen mit unterschiedlichsten Sicherheits-Leveln anlegen kann. Da läuft dann etwa fürs Infotainment ein Linux-System auf einer Partition, doch für die sicherheitsrelevanten Funktionen ist Autosar zuständig. Nach unseren Beobachtungen sind die OEMs bei einem so starken Partner wie etwa Google im Fall von Android vorsichtig. Infotainment-Anwendungen sind da eher unkritisch, aber die Kernfunktionen möchte man nicht aus der Hand geben. Autosar ist dagegen von und für OEMs und Zulieferer gemacht. Das ist keine Fremdbestimmung, sondern kommt aus der Branche selbst. Was da läuft, ist eingespielt und funktioniert – nach den Automotive-Regeln.
Wie wirkt sich aus Ihrer Sicht die wachsende Elektrifizierung der Fahrzeuge auf Netzwerk und Autosar aus?
Da muss ich etwas ausholen: Ich glaube nicht, dass eine Funktion wie eine Motorsteuerung auf einem Server zentralisiert wird. Solche konkreten Regelfunktionen werden weiterhin direkt vor Ort stattfinden. Die Entscheidung aber, wie groß das aktuell zur Verfügung gestellte Drehmoment sein muss, wird auf dem Server getroffen. Wie dann der Motor das physikalisch z.B. über die Einspritzsteuerung umsetzt, regelt das Steuerungssystem vor Ort. Aus Server-Sicht ist es daher im Prinzip egal, ob das Fahrzeug einen Elektro- oder ein Verbrennungsmotor besitzt. So gesehen hat die Elektrifizierung keinen großen Einfluss auf unsere Arbeit. Elektrofahrzeuge benötigen allerdings zusätzliche Steuergeräte, etwa für das Lade- und Batterie-Management. Und da tut sich gerade einiges. Vector entwickelt seit fünf Jahren im Bereich Ladekommunikation sogar selbst Steuergeräte, jedoch nur für kleine Stückzahlen.