Autosar soll die Entwicklung von Fahrzeugen mit vielen Steuergeräten erleichtern. Doch welche Rolle wird der Standard zukünftig bei einer zentralisierten Bordnetzarchitektur und angesichts der Konkurrenz von Android oder Linux spielen?
Über diese Themen haben wir mit Dr. Günther Heling, Leiter Embedded Software und Systeme bei Vector, gesprochen.
Markt&Technik: Herr Dr. Heling, Autosar wurde vor über 15 Jahren eingeführt. Wie weit konnte sich der Standard in der Automobilbranche mittlerweile durchsetzen?
Dr. Günther Heling: Bis Ende 2018 hat Autosar in der Classic-Variante weltweit eine Marktdurchdringung von über 70 Prozent erreicht. Dabei gibt es regionale Unterschiede: In Deutschland sind alle OEMs dabei. In Europa ist der Marktanteil ebenfalls hoch; Asien und die USA folgen mit einem gewissen zeitlichen Versatz. Auch die neuen Automobilhersteller in China setzen überwiegend auf Autosar.
Wieviel Luft nach oben sehen Sie noch?
OEMs steigen typischerweise um, wenn sie eine neue Fahrzeugplattform auflegen. Das passiert im Schnitt so alle sieben Jahre. Von daher erwarte ich durchaus noch Zuwächse. Eine hundertprozentige Durchdringung wird Autosar allerdings nie erreichen. Und zwar aus einem einfachen Grund: Manche Steuergeräte – wie etwa kleine LIN-Knoten – besitzen eine so geringe Rechenleistung, dass Autosar dort nicht passend ist. Dagegen ist im Body-Bereich die Verbreitung sehr hoch, weil dort eine Vielzahl von Steuergeräten von unterschiedlichen Lieferanten zum Einsatz kommt. In solchen Fällen ist eine Standardisierung durch Autosar besonders sinnvoll. In dem von mir verantworteten Bereich Embedded Software und Systeme sind wir zurzeit bei rund 1000 Steuergeräte-Projekten im Jahr angekommen – und wir wachsen weiter.
Seit Anfang 2017 gibt es neben Autosar Classic auch die flexibel erweiterbare Adaptive-Variante. Wird es bei einer parallelen Nutzung der beiden Standards bleiben oder ist für die Zukunft mit einer vereinheitlichten Version zu rechnen?
Die Flexibilität, Dynamik und Service-Orientierung von Autosar Adaptive hat viele Vorteile, aber sie hat auch einen Preis: Man braucht eine deutlich leistungsfähigere Hardware und mehr Speicherplatz. Mit Classic erreiche ich dagegen maximale Effizienz, da bei Classic ein System entsteht, das aufgrund seiner statischen Konfiguration hochgradig optimiert werden kann. Selbst wenn ich pro Steuergerät für Adaptive nur einen Euro mehr investieren müsste, tut das bei 80 und mehr ECUs schon weh. Hinzu kommt, dass eine serviceorientierte Kommunikation erst über eine Ethernet-Verbindung wirklich sinnvoll ist. Diese Voraussetzung erfüllen vor allem kleinere Steuergeräte nicht. Daher ist die Aufteilung von Autosar in Classic und Adaptive sinnvoll.
Bei der aktuellen Fahrzeug-Generation machen Ethernet-Verbindungen nur einen kleinen Teil des Bordnetzes aus. Mit der Einführung einer günstigen 10-Mbit/s-Variante könnte sich dies jedoch deutlich ändern.
Eine stärkere Verbreitung von Ethernet – und damit auch von servicebasierter Kommunikation – im Fahrzeugnetzwerk vereinfacht zunächst einmal die Systembeschreibung. Das bedeutet aber nicht, dass dann auf jedem einzelnen Knoten Adaptive laufen muss. Es lassen sich nämlich auch Classic-Steuergeräte in eine servicebasierte Kommunikation einbinden. Die OEMs können so auf der Systemebene einen Service festlegen, ohne sich darum kümmern zu müssen, wie er von welchen Steuergeräten realisiert wird. Auf bestimmten Steuergeräteklassen wird mit Sicherheit noch lange Classic laufen – eine Fensterhebersteuerung etwa geht typischerweise so auf den Schrottplatz, wie sie in die Serie gestartet ist. Da besteht einfach kein Bedarf für nachträgliche Funktions-Updates. Wir gehen im Übrigen davon aus, dass auch künftig CAN und LIN in Verbindung mit signalbasierter Kommunikation eine wesentliche Rolle in der Vernetzung spielen werden.